Nachtleben, 20.10.2011
Ich mag Musik. Viele verschiedene Arten von, aber das meiste ist auf Rock’n’Roll-Basis. Und davon ist wohl das meiste im Metal-Bereich anzusiedeln. Metal-technisch war heute ganz klar: Pflichttermin sind AMON AMARTH (mit AS I LAY DYING und SEPTIC FLESH) in der Neu-Isenburger Hugenottenhalle. Ich bin zwar nicht deren größter Fan unter der Sonne, habe aber auch Spaß an dem einen oder anderen Album, also warum nicht. Die Aussicht auf ein paar Bier mit meinen Metal-Freunden hat ja auch was. Im Nachtleben war gleichzeitig SLIM JIM PHANTOM angesagt.
Den habe ich da vor einiger Zeit schon mal gesehen; und ich einnere mich an einen hübschen Oldie-Abend mit tonnenweise STRAY CATS-Klassikern, bei denen der Herr ja mal gespielt hat. Das war sehr nett und unterhaltsam, aber eben kein Pflichttermin. Brian Setzer bringt dasselbe ja auch öfter zu Gehör; und da stimmt dann auch wenigstens die Stimmlage.
Mein Rock’n’Roll-Übergott ist Lemmy. Der ist mit Slim Jim Phantom befreundet und hat kürzlich mit ihm und einem Danny B. ein Album als HEADCAT eingetütet, das zweite übrigens, auf dem die Herren sich ganz ihrer Liebe zu Songs von Eddie Cochran, Gene Vincent und anderen verstorbenen Großmeistern hingeben. Das klingt im Vergleich zu den Originalen zwar nicht immer soooo geil, ist aber etwas Besonderes. Noch besonderer ist das live außerhalb der USA, weswegen das einzige in D-land stattfindene HEADCAT-Konzert in Berlin am 18.10. schon ein besonderer Pflichttermin wäre, wenn nicht die Arbeit vorgehen würde, das Budget wie immer längst ausgereizt ist und mit WOLVES IN THE THRONE ROOM am 19.10. in Wiesbaden nicht auch ein heiß erwarteter Oberkult im Rhein/Main–Gebiet gastierte, aber das ist ein anderes Thema.
Gedanklich schon auf AMON AMARTH eingestellt und an der virtuellen Vorverkaufsstelle sitzend, fahren meine Gedanken auf einmal Karussell. Wieso fiel mir das nicht vorher auf? Wie konnte ich nur so blind sein? Wenn HEADCAT in Berlin weilen, zwei Tage später die D-Tour von Slim Jim Phantom anfängt und am 21.10., also wieder einen Tag später, MOTÖRHEAD im gar nicht soooo weit entfernten Zürich gastieren (naja, für ständig Reisende, zumindest), ist es dann nicht offensichtlich? Ist das nicht die Gelegenheit?
Mir fiel es wie Schuppen vor die Augen, es musste so sein: Wenn Lemmy einen Überraschungsbesuch auf der Slim Jim Phantom-Tour macht, dann hier bei mir in FFM, 20 Minuten Fußweg von meinem Bett. Ich orderte flugs nur 3 statt 4 AMON AMARTH-Tickets und eines für Slim Jim Phantom (ist auch günstiger, beruhigte ich mich), und ließ das Ganze noch mal sacken. Vielleicht war das ja auch blödsinnig, aber die geheimen Clubgigs der Hosen und ÄRZTE habe ich auch meistens rechtzeitig rausbekommen, wenn die hier stattfanden – also hatte ich auf der Erfolgsseite durchaus etwas vorzuweisen.
Dass mir mein Metalfreund V daraufhin erst ein schriftliches und später noch ein mündliches Armutszeugnis vom Feinsten ausstellte, musste ich in Kauf nehmen. Dass mein Punkfreund S mit meiner Vermutung Werbung macht und noch den einen oder anderen Lemmy-Fan ins Nachtleben lockte, nicht. Das setzte mich unter Druck, Mist, meine Reputation wird schwinden, so es je eine gab. Aber dann hätte ich wenigstens einen entspannten STRAY CATS-Abend, der nach dem gestrigen Black Metal-Geschwurbel sicher erholsamer für mein Ohr wäre als metgeschwängertes Vikingergegröhle in Neu-Isenburg (was durchaus sonst reizvoll gewesen wäre, versteht mich nicht falsch).
Ganz so wars dann nicht. Slim Jim trat im, hm, spärlich gefüllten Nachtleben im Trio auf, wobei zwei Drittel der Combo aus Mitgliedern der POLECATS bestand. Der erste Song ließ die Lemmy–Erwartungen erst höher schnellen, als „Please don’t touch“ von HEADGIRL (MOTÖRHEAD meets GIRLSCHOOL, hach, waren das Zeiten) gegeben wurde, aber dann dachte ich schon, hm, wieso singt der das nicht selber?
Während ein ziemlich geiler und in keinster Weise STRAY CATS- dominierter Set kredenzt wurde (in den sich auch div. POLECATS–Nummern schlichen neben mehrmals Eddie Cochran, ein bisschen Stray Cats und Zeug, das ich nicht kannte; kam sehr gut) nahm S’s Kollege K, von ihm durch meine Mail zum Besuch genötigt (schluck) hinter der offenen, nach Rauch, aber nicht nach Whiskey stinkenden Tür zum Backstage-Räumchen einen Hut war. Einen Cowboyhut gar. Doch das Requisit muss jemand anderem gehört haben, denn der Meister blieb fern. Schade. Vielleicht sind Musiker Menschen wie mir ja doch ähnlich und erfreut, einfach mal einen Tag frei zu habe, ohne irgend welche Bühnen zu entern um zu malochen. Spricht ja auch für sie, irgendwie. Muss ich mich mit trösten. Wenn schon die Reputation verhagelt ist…
Weitere Links: http://www.slimjimphantom.com/,
http://www.stray-cats.de/seiten/biographien/slimjimp.htm,
http://www.reverbnation.com/headcat
Text: Micha / Fotos: Kai
Clip: aufgenommen von tascha1501 am Folgeabend im Café Central in Weinheim
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