AGNOSTIC FRONT

Zoom, 20.08.2012

Nachdem meine Kollegen ja bereits die Räumlichkeiten des Zooms begutachten konnten, stand für mich am gestrigen Abend der erste Besuch im ehemaligen Sinkkasten an. Und ich muss sagen, ich war positiv überrascht: Der Club präsentiert sich komplett in Schwarz, ist also angenehm dunkel und erinnert mich an Venues in den USA oder England, die in ähnlicher Weise eingerichtet und aufgebaut sind. Dass bei den Umbauarbeiten der hintere Teil geschlossen wurde, habe ich als nicht weiter störend empfunden, allerdings kann ich mir vorstellen, dass es bei ausverkauften Konzerten nun recht eng wird.

Ausverkauft war das Konzert am gestrigen Abend beiliebe nicht, ich schätze, dass sich etwa 150 bis 200 Gäste im Club eingefunden hatten, um die New Yorker Hardcore-Legende AGNOSTIC FRONT mal wieder live zu erleben. Als Opener fungierten gleich zwei junge US-Combos, deren Namen mir allerdings rein gar nichts sagten und auch bei anderen Besuchern nur Achselzucken hervorriefen.

Den Anfang machten TAKE OFFENSE aus Chula Vista nahe San Diego, die mit „Tables Will Turn“ 2010 ihren ersten Longplayer veröffentlich haben. Deutlich von Westcoast-Bands wie SUICIDAL TENDENCIES, UNCLE SLAM, BEOWÜLF und Konsorten beeinflusst, bot die Gruppe Hardcore-Thrash, bei dem sich langsame, groovende Passagen mit schnellen abwechselten. Musikalisch war das ganz okay, aber leider standen auf der Bühne ein paar College-Bubis, die sich sichtlich mühten, dem bösen Image der toughen Hardcore-Szene gerecht zu werden und dabei vornehmlich mit albernem Rumgehopse und dummen Sprüchen glänzten.

Weitaus wuchtiger und brachialer kamen die MONGOLOIDS (Foto rechts) aus New Jersey rüber, die vor allem wegen der Vocals stark an die New Yorker SHEER TERROR erinnerten. Leider handelt es sich bei den Jungs um eine Straight Edge-Band, deren Sänger nicht müde wurde, dem Publikum seine Philosophien zu unterbreiten. Davon konnte ihn auch ein „Shut up and play!“ nicht abhalten. Optisch standen für mich auch hier College-Kids auf der Bühne, deren Äußeres so gar nicht zum brachialen Sound passen wollte. Aber jeder hat ja schließlich mal klein angefangen.

Auch wenn mich keiner der zwei Opener live so recht überzeugte, haben beide Bands doch, wie ich später feststellen musste, mit dem o. g. „Tables Will Turn“ sowie „Time Trials“ Scheiben abgeliefert, in die man mal reinhören sollte, wenn man auf Hardcore steht. „Time Trials“ ist das Debüt der MONGOLOIDS aus dem Jahr 2008, das aktuelle Album „Assorted Music“ ist weitaus schwächer, weil experimenteller.

Nachdem die Kids von der Bühne waren, wurde es Zeit für die Männer. Als erklärter Fan des NYHC zählen AGNOSTIC FRONT neben den CRO-MAGS, SHEER TERROR und WARZONE schon immer zu meinen Lieblingen des Genres. Nach 30 aktiven Jahren gehören die New Yorker zu den dienstältesten Hardcore-Bands. Auch wenn ihre aktuellen Veröffentlichungen nicht mehr über die Relevanz der frühen Outputs verfügen, so liegen sie doch qualitativ noch immer weit über dem Durchschnitt. Und da ich die Jungs zuletzt 2008 in der Batschkapp gesehen hatte, fieberte ich dem Gig mit großer Vorfreude entgegen. Nach dem Einmarsch der Gladiatoren folgte als Opener „The Eliminator“ vom fantastischen zweiten AF-Album „Cause for Alarm“ – ein Einstieg nach Maß, der besser nicht hätte sein können.

Dann aber wurde es seltsam, denn Gitarrist Vinnie Stigma (Foto unten) fiel bereits beim Einmarsch durch sein ungewohnt exzessives Posing auf, das sich nachfolgend nicht nur zwischen, sondern auch während der Songs fortsetzte.

Er bediente nur noch sporadisch sein Instrument, das zudem extrem runtergeregelt war, und wirkte eher wie ein Rodeo-Clown, der das Publikum anheizte, manisch auf Besucher deutete und ständig debil grinste. Was war da los? Ich habe die Jungs bereits gut ein halbes Dutzend Male gesehen, darunter auch in New York, aber einen so schrägen Eindruck hat die Band bisher nie bei mir hinterlassen.

Das Gerücht, dass Stigma, der ohnehin nicht als Gitarren-Virtuose bekannt ist, Probleme hat, bei neueren, komplexeren Songs den Rhythmus zu halten, wurde leider durch die Vorstellung im Zoom bestätigt. Mit Stigma als Statist agierend, musste folglich der zweite Gitarrist Jo Porfido die gesamte Gitarrenarbeit übernehmen. Dies wirkte sich zwar nicht unbedingt negativ auf die Performance aus, hinterließ aber dennoch einen bitteren Beigeschmack, zumal sich mir die Frage stellte, warum die Jungs um Sänger Roger Miret dann nicht einfach mehr alte Sachen spielten, um ihrem Gitarristen entgegen zu kommen.

Von den ersten fünf Veröffentlichungen wurden neben „The Eliminator“ nur noch „United Blood“ (und dies im Duett mit dem Sänger der MONGOLOIDS) dargeboten. Ein weiterer Punkt, der negativ ins Gewicht fiel. Man stelle sich vor, MOTÖRHEAD würden bei einem Gig von ihren ersten fünf Scheiben lediglich zwei Songs spielen – ein No-Go. Der Set setzte sich folglich aus Stücken der Re-Union-Phase der Band zusammen, die mit dem 1998er Album „Something’s Gotta Give“ eingeleitet wurde und erstreckte sich bis zur aktuellen „My Life, My Way“-Scheibe, wobei der wohl schwächste Output, „Dead Yuppies“, konsequent ignoriert wurde.

Zugegeben, mit „All is not Forgotten“, „Police State“, „Riot Riot Upstart“ und dem IRON CROSS-Cover „Crucified“ waren einige Highlights vertreten, aber Songs wie

„Victim in Pain“, „Power“ und „Your Mistake“ habe ich schmerzlich vermisst. Und dass von „Victim in Pain“, dem Album, das die Definition des New York-Hardcore darstellt, kein einziger Song dargeboten wurde, ist mir noch immer unverständlich. Als Zugabe gab’s dann, ebenfalls ungewöhnlich, den Song „Blitzkrieg Bop“ der RAMONES. Ohne Zweifel ein Kracher, aber ob ich ihn unbedingt bei einem AF-Konzert hören muss, sei dahin gestellt.

War der Gig der HC-Veteranen deshalb schlecht? Nein, das war er nicht, denn die Jungs sind immer noch authentisch und leben den Hardcore wie vielleicht keine zweite Band. Trotz der beschriebenen Makel hat es Spaß gemacht, die Band mal wieder auf der Bühne wüten zu sehen. Der tobenden Menge nach zu urteilen, dürfte es vielen anderen Besuchern ebenso ergangen sein.

Links: http://www.agnosticfront.com/, http://de.myspace.com/agnosticfront, http://www.myspace.com/mongoloidsnj, http://www.myspace.com/takeoffense

Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von volrichy2

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