ARCH ENEMY, IZEGRIM, DYING GORGEOUS LIES

Colos-Saal, Aschaffenburg, 13.06.2014

Arch EnemyWattie Buchan ist schuld. Hätte die THE EXPLOITED-Frontsau nicht Anfang dieses Jahres einen Herzinfarkt auf einer Bühne in Lissabon erlitten, hätte ich wohl endlich eine sehnsüchtig von mir erwartete „Must see“-Band abhaken können. Aber nein. Der Weinheim-Gig wude aus verständlichen Gründen abgesagt, Wattie muss sich weiter schonen. Es sei ihm gegönnt. Ein paar Kumpels und ich waren für den Abend jedoch auf musikalischen Krawall geeicht und es bot sich deshalb an, in Aschaffenburg eine andere Wissenslücke zu schließen: ARCH ENEMY traten auf, runderneuert mit ausgetauschtem Gitarristen und Sängerin. Was uns, da wir uns in der Vergangenheit nie wirklich mit ARCH ENEMY befasst hatten, relativ egal war.

Arch EnemyKlar hat die Band ein Renommee, welches uns nicht verborgen blieb – unsere Wege kreuzten sich trotzdem einfach nie. Melodischer Schweden-Death hat mich noch nie begeistert, auch wenn ich ihn nie wirklich schlecht fand, aber im Zweifel ziehe ich Knüppler wie UNLEASHED oder ENTOMBED immer den Sing-a-long-Growlern wie IN FLAMES oder AMON AMARTH vor. Letztere sind mir zu sehr am Power Metal, wie er heute so verstanden wird, zu nah am Klischee und vor allem zu wenig relevant, auch wenn sie vereinzelt Spaß machen.

ARCH ENEMY (denen ich anfing ein paar Ohren mehr zu leihen, weil sie in der Region Halt machen sollten) packten mich musikalisch auch nicht sonderlich, obwohl sie mir gefielen. Geht gut ins Ohr und bleibt kleben, die Texte sind überwiegend gut verständlich trotz Growlerei (was alle Lügen straft, die „growlen“ per se als extrem definieren). ARCH ENEMY sind hochmelodisch in Arch Enemymeiner Welt und in keinster Weise besonders hart oder „krass“. Allerdings vertreten sie textlich, zumindest in den zwölf Jahren, in denen Angela Gossow bei ihnen sang, durchaus relevante Standpunkte und lullen einen nicht mit so einem eskapistischem, pseudo-historischen Mist zu wie einige ihrer schwedischen Landsleute. „No Gods – No Masters“, auf den Punkt gebracht. Das ist doch irgendwie schon wieder Punkrock. Schön.

Etwas irritierend verlief der Vorverkaufsstart für das Konzert: Als der Colos-Saal ARCH ENEMY ankündigte, wurde mit den bekannten Bandfotos geworben und es gab keinen Anlass zu glauben, dass es einen Besetzungswechsel am Mikro gegeben haben könnte. Ein paar Tage nach Arch EnemyVVK-Start dann neue Bilder – neben dem knallroten Schopf des Bandbosses Michael Amott (rechts) strahlt der blaue von Alissa White- Gluz, Sängerin der kanadischen Metalcore-Band THE AGONIST (von denen zeitgleich Tourdaten veröffentlicht und Tickets verkauft wurden). Wie inzwischen aus der Fachpresse bekannt, war zum Start des Ticketverkaufes schon längst klar, dass sich Angela Gossow fortan mehr im Hintergrund halten möchte – Songs und Fotos mit White-Gluz waren fertig, Arch EnemyGossow selber soll diese als Nachfolgerin ins Spiel gebracht haben. Doppelbelastung wegen THE AGONIST? Kein Problem, schreibt das Legacy-Mag, es wurden keine Exklusiv-Forderungen gestellt. Das THE AGONIST-Ticket ist von mir längst bezahlt und ausgedruckt, da heißt es ohne nähere Begründung, dass White-Gluz raus ist. THE AGONIST haben auch eine Neue. Ich bin gespannt.

Angepisst war deswegen aber wohl kaum ein ARCH ENEMY-Fan, zu überzeugend ist diese Rock’n’Roll-Granate White-Gluz, die mit Gossow auch die vegane Lebensführung teilt. Ich konnte mir nach dem Hören des neuen Albums „War Eternal“ zwar nicht vorstellen, dass das live so geil wird wie „Fuck the USA“ von THE EXPLOITED, aber man nimmt halt, was man kriegen kann.

Dying Gorgeous LiesUnd wir bekamen es ordentlich. Zuvor mussten wir allerdings durch das Vorprogramm, welches von zwei, ebenfalls mit weiblichen Gegröhle ausgestatteten, Formationen bestritten wurde. Die erste, DYING GORGEOUS LIES aus Franken, sahen wir kaum, weil der Feierabendverkehr auf der A3 trotz suizidaler Fahrweise nicht zu unterschätzen ist. Was ich sah, fungiert für mich unter „Welpenschutz“ und wird hier nicht weiter kommentiert. Schließlich soll man nie ein schwaches Kalb verlachen, da es mal ein sehr stattlicher Stier werden könnte.

IzegrimSpaßiger wurde es mit den Niederländern von IZEGRIM. Musikalisch eine Melange aus Death-und Thrashmetal darbietend, jedoch bar jeder Räudigkeit und damit gut zum Headliner passend, hackte das Quartett eine überzeugende halbe Stunde Mett für das begeisterte Volk, in der noch um einiges mehr Gas gegeben wurde als auf den Tonträgern. Beeindruckend, wie Gitarrist Jeroen (links) unentwegt Faxen machte und Blickkontakt herstellte zu jedem in den ersten Reihen, während er seine Riffs abschrubbte; auch Bassistin und Fronthals Marloes (rechts) posierte für die Fotografen, begrüßte Bekannte und war mit ihrer Izegrimganzen Präsenz schon latent Waffenschein-pflichtig. Nach dem Konzert plauderten beide Bands übrigens noch exzessiv mit den Fans. Dass Jeroen perfekt Deutsch spricht kommt bei unseren Nachbarn zwar nicht so selten vor, beeindruckte mich, der keinen Ton Niederländisch kann, jedoch trotzdem sehr.

Die Pause zwischen IZEGRIM und dem Headliner war entschieden zu lang, vor allem, da kein Mensch im Auditorium nachvollziehen konnte, was da los sein mochte. Als dann nach klassisch-angehauchtem Intro-Gedudel die Band die Arch EnemyBühne stürmte, tat sie das mit „Enemy Within“ von 2001. Eine Ansage. Ein Versprechen. Eines, das die nächsten 105 Minuten mehr als eingehalten wurde.

Klassiker wechselte sich ab mit „War Eternal“-Material. White-Gluz, die bei ARCH ENEMY anders brüllt als bei ihrer kanadischen Vorgängerband und auf klaren Gesang verzichtet, wickelte jeden einzelnen im Saal um die ringverzierten Finger. Der ebenfalls erst seit kurzem dazu gehörende Nick Cordle (vorher als Bassist bei ARSIS tätig) verwandelte die auf Platte sehr gefälligen Leads in verspielte Meisterstücke, immer abwechselnd mit der roten Eminenz Amott (dessen Classic-Rock-Band SPIRITUAL BEGGARS auf Arch Enemymeiner Wunschliste immer sehr viel höher stand als ARCH ENEMY). Das sind Leute, die saugut spielen können, denen auch Jazz und Klassik nicht fremd ist und die trotzdem live einen Kessel abfackeln, inklusive Circle Pit (ein bisschen, wenigstens). Schweißtreibender Metalklimax galore! Hatte ich mich vor diesem Abend noch gefragt, wieso diese Combo im Dezember nach SODOM spielt, wenn beide KREATOR flankieren, so habe ich jetzt zumindest eine Ahnung davon…

Arch EnemyIn den hinteren Reihen soll es Menschen gegeben haben, die wegen des WM-Fußballs auf ihre Mobilteile starrten. Kretins. Auch wenn auf dem Platz die Niederländer gegen die Spanier eine Sensation schafften und sie in Aschaffenburg zumindest ordentlich ablieferten, so ist das ein Dreck gegen dieses Aufbäumen der schwedischen Institution mit der kanadischen Urgewalt am Mikro. Ich bin nicht nur überzeugt. Ich fühle mich komplett assimiliert. Seht Euch diese Band an.

Links: http://www.dying-gorgeous-lies.de/, https://myspace.com/dyinggorgeouslies, http://www.lastfm.de/music/Dying+Gorgeous+Lies, http://www.izegrim.com/, https://myspace.com/izegrim, http://www.reverbnation.com/izegrim, http://www.lastfm.de/music/Izegrim, http://www.archenemy.net/, https://myspace.com/archenemy, http://www.reverbnation.com/archenemy, http://www.lastfm.de/music/Arch+Enemy

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Kommentare deaktiviert für ARCH ENEMY, IZEGRIM, DYING GORGEOUS LIES

Filed under 2014, Konzerte, Videoclips

Comments are closed.