THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN & THE BREW

Hauptbahnhof, Frankfurt, 2.09.2014

Arthur BrownSchöne Abwechslung: Während ich sonst vor jedem Konzert abwägen muss, welche Kamera ich mitnehme, um das Gehörte adäquat im Bild festzuhalten („Kein professionelles Equipment erlaubt“, „Kamera? Ja, aber nur ohne Wechselobjektiv“, „Fotos?, Klar, mit dem Smartphone“, „Bloß keinen Blitz benutzen“), dreht sich bei der noch bis 11. September 2014 im Frankfurter Hauptbahnhof zu sehenden Ausstellung „On Stage!“ alles um die Ästhetik der Livefotografie im Unterschied zum hanebüchenen Smartphone-Geknipse. Im überschaubaren Gedrängel vor der Minibühne neben dem Haupteingang des Bahnhofs, auf der die Auftaktveranstaltung der Ausstellung stattfand, fanden sich demzufolge etliche große und kleine Kameras; Smartphones natürlich auch sowie darüber hinaus massenhaft Tonaufzeichnungsgeräte, die sonst eher verschämt versteckt, heute aber selbstbewusst präsentiert wurden. So wie bei den GRATEFUL DEAD, damals.

Arthur BrownDie meisten Anwesenden, die am gestrigen Nachmittag gegen 18 Uhr den Platz zwischen den Reisenden, den Junkies und den Schnorrern bevölkerten, sahen aus, als hätten sie die DEAD schon auf diversen Touren begleitet (der Autor bezieht sich hiermit eindeutig ein). Das Progfachblatt Eclipsed hatte auch einen Stand; und ohne diese Publikation hätte ich von dem Event, obwohl ich in der Nähe des Bahnhofs The Brewwohne und diesen täglich passiere, nichts gewusst. Plakate, anyone? Bei der ersten Ankündigung vor den Sommerferien im Heft wurden noch (unter Vorbehalt) die von mir sehr verehrten BLUES PILLS angekündigt – die sind aber gegenwärtig damit beschäftigt, kommerziell durch die Decke zu gehen und die Batschkapp demnächst auszuverkaufen.

Ist auch ziemlich egal, weil THE CRAZY WORLD OF ARTHUR BROWN ebenfalls angekündigt war (über diese Legende lässt sich gleich Kollege Marcus aus); Zeitgenosse von THE GRATEFUL DEAD. Als Ersatz für die viel beschäftigten BLUES PILLS wurden THE BREW (wegen Namensgleichheit mit diversen anderen Combos meistens als THE BREW UK) angekündigt: Ein The Brewbritisches Trio, welches nicht minder fleißig seit längerem die Clublandschaft beackert; jedoch nicht das Glück der BLUES PILLS teilt, auf einem fetten Label zu veröffentlichen und dementsprechend auf den „richtigen“ Festivals Präsenz zeigen zu dürfen. Ich weiß nicht, wie oft ich diese Band schon verpasst habe: Gefühlt stehen Tourdaten von ihnen jeden Monat in der Fachjournaille.

Sogar im Frankfurter Knast hat das Trio schon gebluesrockt, und, um den Resümee hier mal vorzugreifen: Es macht das ziemlich amtlich. Wurde bei der kürzlich in der Batschkapp aufspielenden KENNY WAYNE SHEPHERD BAND noch, bei aller Bewunderung für die technische Leistung der Musikanten, gefühlloser Bluesrock nach Schema F diagnostiziert, so überzeugte die The Brewleidenschaftliche Darbietung des Vater/Sohn-Gespanns an Bass und Schlagzeug (Tim Smith/Kurtis Smith) und dem grandiosen Sänger und Axtschwinger Jason Barwick auf ganzer Linie, trotz nur 50-minütiger Spielzeit.

Ziemlich großes Kino, schon zu diesem Zeitpunkt. Warum so ein Aufwärmslot jedoch ein Schlagzeugsolo braucht, scheint mir eher der Verwandtschaftsverhältnisse auf der Bühne geschuldet als anderen Notwendigkeiten – obwohl nicht gänzlich für die Tonne, war das für mich mal wieder ein Beweis dafür, dass Musiker außerhalb des Jazz das lieber sein lassen sollten. Trotzdem ein sehr guter Gig. Im Herbst auf Clubtour, Idstein (3.10.) ist der nächstgelegene Auftritt.

Was könnte man über Arthur Brown nicht alles schreiben. Der Mann ist Jahrgang 1942, hat als Teenager die Geburt des Rock’n’Roll miterlebt, Philosophie studiert, Theater gespielt, in den wilden Sechzigern in Paris und Arthur BrownLondon gelebt, 1966 für Roger Vadims („Barbarella“) Film „The Game is Over“ zwei Songs zum Soundtrack beigesteuert, an der Rock-Oper „Tommy“ mitgewirkt und unter anderem mit Musikern von THE WHO, HAWKWIND, Jimi Hendrix, Frank Zappa, ALAN PARSONS PROJECT, ATOMIC ROOSTER, EMERSON, LAKE & PALMER und DIE KRUPPS zusammen musiziert, getourt oder Arthur Brownproduziert. Sein Markenzeichen waren bereits in den Sechziger Jahren die extremen Bühnen-Outfits.

Brown trat in bunten Kostümen, Rüstungen oder auch nackt auf, legendär ist sein brennender Helm, der regelmäßig beim Song „Fire“ zum Einsatz kam und fortan zu seinem Markenzeichen wurde. Zudem diente er – sowohl musikalisch, als auch optisch – vielen Bands als Inspiration. Brown dürfte der erste Musiker gewesen sein, der sich mit weißer Schminke und schwarzem Make-up präsentierte und somit Alice Cooper, KISS und vielen anderen als Vorbild diente. Der Mann stand sogar schon in brennender Rüstung auf der Bühne, was viele Jahre später eine heutzutage nicht ganz unbekannte Band Arthur Brownnamens RAMMSTEIN adaptierte und er lieferte mit seinem mitunter hohen Gesang und seinen Schreien die Blaupause für viele spätere Heavy Metal-Shouter.

Und just dieser Arthur Brown stand nun auf einer kleiner Bühne links vor dem Haupteingang des Frankfurter Hauptbahnhofs und spielte einen 80-minütigen Set – gratis, unter freiem Himmel und vor den verdutzten Augen unzähliger Arthur BrownPassanten. Angekündigt war der Gig auf der Plattform Einkaufsbahnhof.de, was schon mal vermuten ließ, dass viele potentiell Interessierte den Termin erst gar nicht mitbekommen hatten, denn das Portal gehört nicht unbedingt zu den Seiten, die man sich als Rock-Fan gebookmarked hat.

Als ich gegen 19 Uhr am Bahnhof ankam – Brown war für 19:15 Uhr angekündigt – bot sich mir zunächst ein skurriles Bild. Etwa 40 offensichtliche Brown-Fans, schätzungsweise zwischen 55 und 75 Jahren, hatten bereits die Plätze direkt vor der Bühne eingenommen, um sie herum standen neugierig gewordene Passanten, Junkies und Obdachlose, und es kamen ständig neue Arthur BrownLeute hinzu. Brown betrat mit seiner Band pünktlich das Podest und präsentierte sich zunächst in aufwändiger Kostümierung: In einen schwarzen Umgang gewandet, mit Helm und Maske verhüllt, bestritt er die ersten Songs, bevor er die Verkleidung Stück für Stück ablegte und dabei unter der farbenfrohen Maske sein ebenso kunterbuntes Antlitz offenbarte.

Arthur BrownLos ging’s recht gemächlich, mit einigen langsamen Tracks, vermutlich um das Publikum nicht gleich zu verschrecken. Nachfolgend steigerten sich die Songs in puncto Tempo, Gesang und Performance. Die Song- Auswahl erstreckte sich über die gesamte Schaffensepoche der THE CRAZY WORLD- Phase von Brown, der darüber hinaus in diversen anderen Projekten kreativ tätig war und ist, legte den Schwerpunkt aber auf das erste Album aus dem Jahre 1968, und das aktuelle Album „Zim Zam Zim“, das 2013 entstand und im Übrigen sehr zu empfehlen ist. Die meisten Musik-Fans dürften mit dem Namen Arthur Brown lediglich den Song „Fire“ assoziieren, doch der Engländer hat kreativ weitaus mehr zu bieten. Von folkigen Balladen in Arthur BrownTom Waits-Art über Psychedelic-Rock in URIAH HEEP-Manier und Hard Rock im DEEP PURPLE-Stil deckt Brown eine erstaunliche Bandbreite ab.

Diese machte auch den Reiz seines gestrigen Gigs aus, wobei auch die Stimme des 72-Jährigen noch immer beachtlich facettenreich ist. Daneben wurde mit Show- Elementen nicht gegeizt, obgleich ich vermute, dass ein regulärer Auftritt Browns noch zusätzliche visuelle Gimmicks enthält. Etwas schade war, dass das Ganze bei Tageslicht stattfand und nicht im Dunkeln, was sicher wesentlich imposanter gewesen wäre. Doch auch so gab es zwei Tanz- Einlagen einer Performerin, die sich mal als spanische Bolero-Arthur BrownTänzerin und mal im indisch anmutenden Shiva-Outfit präsentierte. Das war schön anzuschauen und lieferte in Verbindung mit der Musik eine gewisse Theater-Stimmung.

Musikalisch begleitet wurde Brown von einigen jungen Mitstreitern, die alle mit großer Begeisterung bei der Sache waren und sich ebenfalls in bunten Kostümen präsentierten. Im Mittelpunkt stand jedoch stets der Arthur BrownZeremonienmeister, der trotz seines fortgeschrittenen Alters und der Tatsache, dass er 1994 einen Schlaganfall erlitten hatte, bei einigen Songs wie ein Derwisch auf LSD abging, sich zudem extrem gelenkig zeigte und dabei sogar die Keyboard-Tasten mit seinem Fuß betätigte. Respekt. Und „Fire“? Sein größter Erfolg wurde natürlich auch dargeboten, eingeleitet vom „Fire Poem“ des ersten Albums, was noch einmal die Rollatoren vor der Bühne zum Rocken brachte. Der Feuer-Helm kam dabei nicht zum Einsatz, vermutlich aus Angst, dass der altehrwürdige Hauptbahnhof abfackeln könnte. Es war dennoch ein denkwürdiger Auftritt eines großen Künstlers, an den ich von nun an immer denke, wenn ich den Haupteingang passiere und mich jemand nach einem Euro fragt.

Links: http://www.the-brew.net/news/, https://www.facebook.com/thebrewofficial, https://myspace.com/thebrewinfo, http://www.lastfm.de/music/The+Brew, http://www.arthur-brown.com/, https://myspace.com/arthurbrownmusic, http://www.reverbnation.com/arthurbrown, http://www.lastfm.de/music/Arthur+Brown, http://www.lastfm.de/music/The+Crazy+World+Of+Arthur+Brown

Text (The Brew), Fotos (31) & Clip: Micha
Text (Arthur Brown) & Fotos (10): Marcus

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