BABYMETAL

Batschkapp, Frankfurt, 26.08.2015

BabymetalDas Leben ist ungerecht. Da berichten wir nun schon seit Jahren über Bands der unterschiedlichsten Genres, die wir regelmäßig auf den Bühnen des Rhein/ Main-Gebiets erleben, die teilweise bereits ein halbes Dutzend oder mehr Veröffentlichungen vorzuweisen haben und dennoch immer nur vor 50 bis 70 Besuchern spielen. Und dann kommt da eine Combo wie BABYMETAL daher, die gerade mal ein Album vorzuweisen hat und auf ihrer ersten umfassenderen Tour einfach mal so mir nichts Dir nichts tausend Besucher in die Frankfurter Batschkapp lockt. Doch was ist das für eine Truppe, die eigentlich niemand kennt und die dennoch so viele Leute für sich begeistert?

Um das Phänomen BABYMETAL zu erklären, bedarf es eines kleinen Exkurses ins Universum des japanischen Pop-Idol-Genres, das hierzulande hauptsächlich von Fans der Manga- und Anime-Kultur verehrt wird. Dieses wird von „Bands“ Babymetaldominiert, die aus jungen, zierlichen Mädchen bestehen, die als besonders adrett und süß gelten und somit als Vorbild für die Jugend des Landes fungieren. Pop-Idols haben ein tadelloses Image, frönen weder Drogen noch Alkohol und sind natürlich offiziell alle Single. Das Ganze ist etwa vergleichbar mit den auch hierzulande bekannten Boygroups, die besonders in den Neunziger Jahren die Charts bevölkerten, wobei die Musik der männlichen Variante natürlich auf einen westlichen Markt zugeschnitten war. Pop-Idols dagegen bedienen ausschließlich den asiatischen Markt und hätten in ihren bonbonfarbenen Fantasie-Kostümen, mit ihren bemüht niedlichen Tanzbewegungen und ihrem talentfreien Gepiepse wohl auch gar keine Chance in anderen Ecken der Welt.

BabymetalAuch die drei Girls von BABYMETAL agierten in Idol-Bands, bis sie von einem cleveren Produzenten für das Experiment BABYMETAL gecastet wurden. Die Vision des Mannes war, typische Pop- Idol-Elemente mit harter Metal/Industrial-Musik zu kombinieren. Eine geeignete Backing-Band unter der Führung des Gitarristen Takayoshi Ohmura (der unter anderem auf den Solo-Scheiben von Ex-MEGADETH-Gitarrist Marty Friedman zu hören ist), war schnell gefunden, den Rest besorgte der 2011er-Videoclip zum Song „Doki Doki Morning“, der sich via YouTube wie ein Lauffeuer verbreitete und binnen kürzester Zeit Millionen von Klicks generierte.

BabymetalTatsächlich brachte der Clip die Vision des Arrangeurs auf den Punkt: Niedliche, in schwarz-rote Gothic-Kostüme gehüllte Mädchen tanzen synchron und unter Einbeziehung gängiger Metal-Posen zu hartem Gitarren-Sound und piepsen dabei ins Mikrofon. So etwas hatte man zuvor noch nicht gesehen. Und auch wenn man beim Anschauen des Clips nicht wusste, ob man die Darbietung nun cool oder schwachsinnig finden sollte, so war diese erste Konfrontation mit der Band so, als ob man Zeuge eines Autounfalls wurde: Man konnte einfach nicht wegschauen, obgleich das Dargebotene eigentlich fürchterlich war. Es folgten weitere Clips, Konzerte im Heimatland mit immer größeren Besucherzahlen und Babymetalplötzlich war das vermutlich als One-Hit-Wonder konzipierte Projekt in aller Munde. Und das nicht nur in Japan, sondern weltweit. Marilyn Manson, Rob Zombie und METALLICA outeten sich als Fans und erste Shows außerhalb Japans waren ebenfalls große Erfolge; in den USA eröffnete man sogar als Support von Lady Gaga. Nachdem im Jahr 2014 lediglich ein einziger Deutschland-Gig (in Köln) stattfand, standen diesmal immerhin Frankfurt und Berlin auf dem Tourplan.

Als bekennender Freund obskurer Darbietungen wollte ich mir das vermeintliche Spektakel natürlich nicht entgehen lassen und herausfinden, ob der „Autounfall“-Effekt auch live eintreten würde. Ich erreichte die Batschkapp gegen halb neun, das Konzert hatte bereits begonnen und der untere Bereich des BabymetalSaals war komplett gefüllt. Die Empore allerdings blieb geschlossen, es dürften also knapp 1000 Besucher den Auftritt von BABYMETAL verfolgt haben. Das Publikum war bunt gemischt, viele Anime- und Manga-Nerds waren darunter, vereinzelte Cosplayer, aber auch alte Rock’n’Roller, Punks, Neugierige und einige Besucher, die man ob ihrer verstörenden Blicke und des Sabbers, der ihnen aus dem Mund lief, für Triebtäter hätte halten können.

Auf der Bühne wummerte indes der harte Industrial-Sound, der – wie so oft bei Musik des Genres – in einem undifferenzierten Soundbrei aus den Boxen dröhnte. Das habe ich bei instrumental vergleichbaren Bands wie MINISTRY, BabymetalKMFDM oder FEAR FACTORY bereits besser erlebt. Die Musiker waren in weiße Gewänder gehüllt, ihre Gesichter bleich geschminkt. Im Vordergrund performten die drei Mädels Su-Metal (17), YuiMetal (16) und MoaMetal (16) simple Choreographien und piepsten dabei in ihre Mikrofone. Und da war er wieder, der „Autounfall“- Effekt. Der Sound war wenig kreativ und bestand hauptsächlich Babymetalaus einem seelenlosen, rhythmischen Riff-Gewichse und das Gefiepe und Gehopse der Mädels war wohl die erbärmlichste Darbietung, die ich in immerhin 35 Jahren als Konzertbesucher bisher ertragen musste. Dennoch konnte man sich dem skurrilen Geschehen, dessen beide Elemente so gar nicht zusammenpassen wollen, nicht entziehen. Allerdings war es weniger ein „Wow-ist-das- abgefahren“- als vielmehr ein „Das-können-die- unmöglich-ernst-meinen“- Feeling, das sich bei mir breit machte. Aber ich hatte ja selbst Schuld, ich hätte ja auch zuhause sitzen und bei einem Six-Pack Bier „Human Centipede 3“ schauen können. Ein Film übrigens, der nur auf einem einzigen Gag basiert, der sich schnell abnutzt. Ich aber hatte mich für das „Spektakel“ entschieden und nun musste ich da durch.

Vielleicht hatte ich zuviel erwartet. Ich dachte an ständige Kostüm-Wechsel, Video-Projektionen, eine Laser-Show, ausfahrbare Plattformen und Explosionen – irgendetwas, das von der Performance ablenkt, doch es gab nichts dergleichen. Stattdessen spulte die Truppe ihr vermutlich mit militärischem Drill eintrainiertes Synchron-Hüpfen herunter und verschwand Babymetalnach etwa einer Stunde und zwei Zugaben von der Bühne. Okay, am Ende wurde noch ein wenig mit Fahnen umhergewedelt, aber ein wirkliches Show-Element war das nicht. Da haben selbst die 60-jährigen Herren von JUDAS PRIEST mehr Show zu bieten. Das Gros des Publikums störte dies nicht, nahezu jede Pose der Girls wurde frenetisch bejubelt, zudem wurden die Songs mit einem rhythmischen Klatschen begleitet, das ich bisher nur aus Sendungen des ZDF- Fernsehgartens oder des Musikantenstadls kannte. Seltsam, das. War das Ganze nun seine 40 – in Worten: vierzig – Euro wert? Mitnichten. BABYMETAL sind ein skurriler Gag, über den man mal schmunzeln kann, der sich aber äußerst schnell abnutzt. Den nächsten Video-Clip der Mädels schaue ich mir gerne an, live aber war das Ganze unerträglich.

Links: http://en.babymetal.jp/, http://babymetal.de/, https://www.facebook.com/babymetal.jp, https://www.reverbnation.com/babymetal666, http://www.last.fm/music/Babymetal

Text & Fotos: Marcus
Clips: am Konzertabend aufgenommen von UltraSpacePenguin

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