BAD MANNERS

Das Bett, Frankfurt, 20.01.2014

Wenn mehrere hundert Menschen auf Kommando „You fat bastard!“ in Richtung Bühne brüllen, dann kann das eigentlich nur auf eine Person gemünzt sein: Buster Bloodvessel, genannt „Fatty“, den voluminösen Frontmann der BAD MANNERS. Lang ist es her, dass die britische Ska-Band das letzte Mal nach Frankfurt kam. Ich habe sie vor 14 Jahren, im Februar 2000, zuletzt erlebt (damals in der Batschkapp) und glaube, sie ist anschließend nicht mehr in der Mainmetropole aufgetreten. Das war auch Fatty bewusst („It’s been a long fucking time since we’ve been here“), aber was er am gestrigen Montag im Frankfurter Club „Das Bett“ vor sich sah, dürfte ihm gefallen haben: Einen voll besetzen Saal mit erwartungsfrohen und auf Party eingestimmten Gästen.

Da es keinen Support-Act gab, zögerte sich der Beginn ein wenig hinaus, aber das DJ-Team leistete gute Arbeit, die Besucher bei Laune zu halten. Schließlich betraten sieben Jungs der Band das Podest, die Vollbesetzung an Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug sowie die komplette Bläsersektion, bestehend aus Saxophon, Trompete und Posaune. Zum Schluss kam – und in seinem Alter muss es erst recht erlaubt sein, sich ein wenig feiern zu lassen – einer der letzten noch aktiven, „großen“ Protagonisten aus der Glanzzeit des Ska auf die Bühne: Fatty.

Obwohl vom Wuchs kein Riese, ist der gebürtige Londoner nicht zuletzt aufgrund seiner Körperfülle nach wie vor eine imposante Erscheinung. Allerdings hat der inzwischen 56-Jährige nach einer Magen-OP in den vergangenen Jahren zahlreiche Kilos verloren, und das ist unter dem gesundheitlichen Aspekt gesehen sicherlich gut so. Die verbliebene Masse steckte in einer extravaganten Jacke mit Leopardenfell-ähnlichem Muster und

knielangen schwarzen Shorts. Des weiteren legendär ist seine lange, weit herausgestreckte Zunge, die das Publikum auch beim Auftritt im Bett mehrfach zu sehen bekommen sollte.

Die BAD MANNERS begannen mit einem meiner absoluten All-Time- Favs des Genres, „This is Ska“, gefolgt von einem weiteren der alten Klassiker „My Girl Lollipop“, erstmals erschienen schon vor Urzeiten, 1981. Schade, dass das Mikro anfangs ein paar Aussetzer hatte, doch Fatty griff sich einfach das des Gitarristen, so dass die Show ohne lästige Unterbrechung voran gehen konnte. Der Saal ging munter mit und es war schnell abzusehen, dass dies ein toller Konzertabend werden würde.

Auch die Band war, wie sich das für eine gute Ska-Combo gehört, immer in Bewegung. Zu den einzelnen Musikern kann ich nicht viel sagen, der Originalbesetzung gehörte jedenfalls niemand an. Ich vermute, dass die meisten von ihnen, als die Gruppe 1976 gegründet wurde, noch nicht einmal geboren waren. Das spielt aber auch keine Rolle, denn die BAD MANNERS sind Fatty und andersherum; ohne diese schwergewichtige Koryphäe des Ska ist die Band schlichtweg nicht denkbar.

Als Höhepunkte des Gigs habe ich – jeder Besucher mag da ob der Masse an Hits andere Präferenzen haben – „Skinhead Girl“, „Ne-Ne-Na-Na-Na-Na-Nu-Nu“, „Special Brew“ und natürlich „Wooly Bully“ ausgemacht. Auch das Cover des Titels „You’re Just Too Good To Be True“, der ebenso Namensgeber des derzeit aktuellsten (Doppel-)Albums ist, wusste zu gefallen. Die Platte war bereits 2011 in Japan auf CD erschienen, hierzulande kam sie erst 2013 via Randale Records auf Vinyl und Silberling heraus.

Im Verlauf der Show erfreute Fatty das Publikum immer mal wieder durch einige Grimassen und die Zurschaustellung der enormen Ausmaße seiner Zunge, die ansatzweise ein Gebiss verdeckt, das vermutlich einem Zahnarzt

mit fünfköpfiger Familie den Lebensunterhalt sichert. Er nennt dennoch ein sympathisches Lächeln sein eigen, das aufgrund der ausgelassenen Stimmung des öfteren über sein verschwitztes Gesicht huschte. Wie eingangs erwähnt, forderte er die Fans auch zu „You fat bastard!“-Sprechchören auf, hielt sich den Bauch und fügte schmunzelnd hinzu: „I love my fat!“.

Bei „Can Can“ unterstrich der Frontmann seine noch immer recht gute körperliche Verfassung, als er die Beine abwechselnd derart hoch in die Luft warf, als gelte es einen Platz in der Riege des Pariser „Moulin Rouge“-Ensembles

zu ergattern. Okay, er nahm sich hin und wieder eine kleine Auszeit und ließ die Band eine Instrumental-Nummer spielen, um mal durchzuschnaufen. Das nahm ihm aber niemand übel, und überhaupt: Ska ohne Gesang geht genauso in die Beine, wenn er, wie von den BAD MANNERS, hervorragend dargeboten wird. Am Ende von „Can Can“ hätten wir fast noch den Allerwertesten von Fatty zu sehen bekommen. Er stand schon in Position, bereit blank zu ziehen, drehte sich dann aber doch im letzten Moment um, so dass nur der hinten postierte Schlagzeuger in den zweifelhaften Genuss kam.

Wer einen anderen wirklich abgefahrenen Clip zu „Can Can“ sehen möchte, dem sei ein Mitschnitt aus dem „Musikladen“ 1981 (!) ans Herz gelegt, als die BAD MANNERS bei Manfred Sexauer zu Gast waren. Erst fährt ein blutjunger Fatty wie ein Verrückter auf

einem mit Baguettes beladenen Fahrrad durch das Studio, tanzt dann wie ein Irrer auf der Bühne, die später auch noch von echten Can Can- Tänzerinnen geentert wird. Eine echt skurrile Perle deutscher Fernsehunterhaltung, zu sehen hier.

Eine Perle der Musikrichtung Ska durften wir am gestrigen Abend erleben. Nun ist es ja leider nicht so, dass die Fans des Genres in Frankfurt durch das regelmäßige Erscheinen der Top-Acts verwöhnt würden. Immerhin haben sich die fantastischen SKATALITES im vergangenen Jahr mal im Wiesbadener Schlachthof sehen lassen, während sich „Das Bett“ als Auftrittsort für jüngere angesagte Bands (zuletzt u. a. BUSTER SHUFFLE,

SKARFACE, DUTCH SKA- EXPRESS) im Gebiet zwischen Rhein und Main zu etablieren scheint. Und ich wage mal die Prognose, dass es nach dieser stimmungsvollen Show in einem trotz Montag fast ausverkauften Club nicht wieder 14 Jahre dauert, bis Frankfurt erneut Aufnahme in den Tourplan der BAD MANNERS findet. Ich würde das ausdrücklich begrüßen.

Links: http://www.badmannersonline.com/, https://myspace.com/badmannersska, http://www.lastfm.de/music/Bad+Manners

Text: Stefan / Fotos & Clip: Kai

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