Schlachthof, Wiesbaden, 25.09.2017
17 Leute bei einem Konzert von BLACK ANVIL. Stell Dir vor, Du reist aus New York an, bist vier Mann stark, hast eine astreine Scheibe eingespielt und willst Deinen Hörern auf einem anderen Kontinent den Gefallen tun, dieses Werk auch live erleben zu dürfen. Und dann kommen 17 Leute, von denen einige wohl auch noch zur Vorband MORAST (links) gehören. BLACK ANVIL haben so einen Scheiß an gleicher Stelle schon mal erlebt, 2015, als sie der Co-Headliner von TOMBS waren (Bericht hier). Im Gegensatz zu damals hat sich das Publikum inzwischen halbiert, was wohl nicht besonders motivierend gewesen sein kann – für einen Headliner war die absolvierte Spielzeit von etwa 45 Minuten ein Witz.
Ebenso lang oder kurz agierte die Vorband MORAST aus, wie man der Facebook-Seite entnehmen kann, NRW. „Kein Nebel“ raunte einer von denen, die nur die Anfangsbuchstaben ihrer Namen preisgeben, und sorgte damit für die Veröffentlichung dieser Review: Bei minimalem Gegenlicht, zudem in aufnahmeunfreundlichem Rot (Blau wird von Kameras besser und schärfer abgelichtet. Warum? Fragt einen Physiker.) war das Fotografieren ein Kraftakt. BLACK ANVIL später nebelten sich zusätzlich ein, und dementsprechend sieht man dann eben kaum etwas.
Aber es geht ja um die Atmosphäre – und die schufen MORAST auch ohne Nebel ganz ordentlich. Das Quartett, das sich 2015 gründete und aus Leuten besteht, die alle noch woanders spielen (Gitarrist J. bei UNION OF SLEEP, Sänger F. bei den gegenwärtig pausierenden BLACKWHOLE, Drummer L. bei GRIM VAN DOOM und Bassist R. bei den hier sehr verehrten HAMMERHEAD, Bericht hier) betrat mit leichter Verspätung die Bühne und sorgte erstmal durch derbe Bassläufe dafür, dass die Abendmahlzeit heftigst im Magen durchgeschüttelt wurde.
Es folgte eine atmosphärische, tiefschwarze und malmend schwere Tour de Force durch das Debüt-Album „Ancestral Void“, bei der Sänger F. verrenkungstechnisch den frühen Nick Cave gab, die Augen meist geschlossen – nicht, so wirkte es auf mich, um das Besucher- Elend vor sich auszuklammern, sondern um ganz bei sich zu sein. Bei sich und der kleinen Bierflaschen-Armada vor dem Schlagzeug, von der er netterweise auch was abgab, wenn er doch mal ins Publikum peilte.
Seine Kollegen konnten dagegen kaum etwas trinken, zu konzentriert schufen sie den Soundwall, der die Köpfe der Anwesenden gen Boden drückte. Nach etwa 45 Minuten fielen das Mikro und die Drumsticks. J. und R. dagegen schoben ihre Saiteninstrumente noch vor den Verstärker um mit sattem Getöse den Schlusspunkt zu setzen. Richtig geil. Das Album wurde anschließend gerne gekauft, und die Käufer wurden von F. zum Dank mit Aufklebern zugeschissen. Wundert Euch also nicht, wenn Ihr zwischen Wiesbaden und Frankfurt demnächst häufiger den Schriftzug der Combo erspäht.
Danach BLACK ANVIL. „As Was“, der aktuelle Tonträger, ist mal wieder so ein atmosphärisches Werk auf den Spuren der Großen aus Schweden – diesmal aber weitaus cleaner als bei den Vorgängern und mit Melodiebögen und Klargesang, wie man es von (auch schwedischen) Progmetal-Bands kennt. Die New Yorker, die bis vor kurzem drei Ex-Mitglieder der Hardcore-Formation KILL YOUR IDOLS im Line-Up hatten (Gitarrist G.B. verließ die Truppe dieses Jahr und wurde von Travis Bacon ersetzt – ebenfalls einer, der hauptsächlich HC-Bands in seiner Vita hat) sitzen musikalisch zwischen vielen Stühlen. Zu vielen, wie einige Kritiker anmerken. Wenig songdienlich seien die verschiedenen Einflüsse, schreibt zum Beispiel Metal.de.
Nun, manchmal hilft es, wenn man sich die Zeit nimmt und Platten öfter hört. „As Was“ ist in meiner Welt überaus rund, abwechslungsreich und stimmig. Purer Black Metal aber nur im Auftreten (wobei mir die Frage gestattet sein mag, warum man sich soviel Mühe gibt mit evil Gesichtsbemalung, wenn durch Nichtlicht und Nebel da auch der Hausmeister stehen könnte, theoretisch). Live blieben BLACK ANVIL so ziemlich bei „As Was“ – vom beschwörenden, proggigen „On Forgotten Ways“ über die Gitarrenschlacht „Nothing“ bis zum Ende „Ultra“, bei dem die Hardcoreguys dann auch lyrisch den Satanisten geben.
Vielleicht nehmen Black Metal-Puristen den New Yorkern das alles nicht so richtig ab. Vielleicht sparen auch alle auf das DER WEG EINER FREIHEIT-Konzert im Schlachthof zwei Tage später. Vielleicht ist Black Metal in dieser Form auch einfach rum, so ohne den Hipster-Faktor. Am Ende hatten BLACK ANVIL und MORAST vielleicht auch einfach nur Pech. Im Gegensatz zu den Anwesenden, die von der Wucht der Darbietung so geplättet waren, dass sie eine Weile brauchten um spärlichen Applaus mit der Bitte um Zugabe zu spenden. Doch 34 Hände machen zu wenig Lärm – die Band blieb hinterm Nebel, bis auf Drummer R.G., der noch schnell ein paar Shirts vertickte. Würde mich sehr wundern, wenn die hier sobald wieder auftauchen.
Links: https://www.facebook.com/morastofficial/, https://morast.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Morast, https://www.facebook.com/BlackAnvil, https://myspace.com/blackanvilny, http://blackanvil.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Black+Anvil
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: