BULEMICS

Raumstation Rödelheim, 25.09.2010

Mit der Definition des Begriffes Punk ist das so eine Sache. Gut 35 Jahre nach der Entstehung des Genres (nimmt man mal die erste RAMONES-Scheibe aus dem Jahre 1976 als Urknall) hat sich viel getan, so dass heute eine Befragung zum Thema die unterschiedlichsten Sichtweisen zulässt: Für die einen ist es schlichtweg eine primitive, durch drei Gitarren-Akkorde definierte Musikrichtung, für andere ist es eine politisch motivierte Bewegung, die mit ihrer Haltung gegen Imperialismus, Sexismus und Homophobie eher der Hippie-Bewegung der 60er Jahre entspricht, und für wieder andere ist es schlicht und einfach ein musikalischer wie lyrischer Schlag in die Fresse, der gern auch mal blaue Flecken und Zahnlücken hinterlässt.

Die letztere These möchte ich voll unterschreiben, doch leider sind Bands, die sich den Anarchismus und Nihilismus von Acts wie FEAR, den PLASMATICS oder den FUCK-UPs auf ihre Fahnen geschrieben haben, rar geworden. Bands, die sich nicht den Mund verbieten lassen, die Ecken und Kanten haben, keinem Szene-Manifest folgen und stets für eine Überraschung gut sind.

Eine dieser Gruppen sind die berüchtigten BULEMICS aus Texas, die seit 1996 ihr Unwesen treiben und in dieser Zeit immerhin sechs Longplayer und diverse Singles veröffentlichten. Kopf der Band ist Sänger Gerry Atric, ein abgewrackter und selbstzerstörerischer Junkie, dessen Hirn lyrische Ergüsse wie beispielsweise „Hatefuck“, „Diary of a Whore“, „Blood Orgy“ oder „Crack Baby“ entsprungen sind. Plattencover und Plakate der Band sprechen eine ähnliche Sprache und so verwunderte es nicht, dass das aktuelle Tourplakat der BULEMICS, das unter anderem Skizzen von nackten Frauen, Sadomaso- und Folterszenen enthielt, kurzerhand von den Betreibern der Raumstation zensiert wurde.

Als Opener des Abends fungierten, wie bereits beim BULEMICS-Gig vor einem Jahr in der Darmstädter Knabenschule, die Dortmunder GASOLINERS, die einigen vielleicht noch (in veränderter Besetzung) unter dem Namen NOTHING BUT PUKE bekannt sein dürften. Das Quartett aus dem Ruhrpott überzeugte mit Dampfhammer-Rawk’n’Roll der Marke ANTISEEN oder COCKNOOSE und war somit der optimale Opener für die texanischen Madmen.

Dann eröffnete Sänger Gerry die Scumrock-Sideshow, in dem er eine Bierflasche mit solcher Wucht gegen die Decke ballerte, dass diese im wahrsten Sinne des Wortes pulverisiert wurde. So feiert man wohl in Texas.

Optisch präsentierten sich die Jungs ganz weit vorne: Basser Porno Schnauz – der nennt sich wirklich so – präsentierte sich lediglich mit einem eben solchen und einer Unterhose bekleidet, Drummer Breadstick war anfangs in eine schicke Texasflagge gewandet und Gerry präsentierte sein offensichtlich im Batikkurs der nicht anonymen Alkoholiker gestaltetes T-Shirt mit der Aufschrift „FTW“.

Getreu dieses Mottos hagelten dann die rasenden Ein- bis Zweiminuten- Nummern auf das Publikum ein. Gerry fungierte dabei nicht nur als Shouter, sondern zugleich auch als menschlicher Gummiball, der mal auf, mal vor und mal unter der Bühne aufschlug, und sich dabei sicherlich die eine oder

andere Blessur zuzog. Bei den Mittelchen, die der junge Mann intus hatte, dürfte ihm dies aber frühestens zwei Tage später aufgefallen sein. Ebenso ungewöhnlich wie das Stage-Acting muteten übrigens seine Tätowierungen an, die solide Handarbeit eines Gefängnistätowierers vermuten ließen. Ein Kunstwerk stach mir dabei besonders ins Auge: Ein Schriftzug, der aus den Worten „I fucked Britney Spears“ bestand. Zweifelsohne eine Zierde, die nicht jeder auf seiner Haut trägt.

Das Konzert war folglich ein Genuss für Aug’ und Ohr, endete jedoch bereits nach etwa einer halben Stunde unerwartet. Als die Band einen Song anstimmte, der Gerry offensichtlich nicht in den Kram passte, beschimpfte er seine Jungs und verließ kurzerhand fingerzeigend den Club. Die verdutzte Restband

rettete das angefangene Stück zwar noch mit improvisiertem Gesang und mühte sich eine Weile in der Hoffnung, dass ihr Sänger zurückkehren würde. Doch Mr. Atric, der blieb verschollen…

So endete der Konzertabend recht abrupt, aber was soll’s, die DWARVES haben in ihrer Glanzzeit auch immer nur zehn Minuten gespielt, die aber waren großartig. Und ebenso war es bei den BULEMICS, die an diesem Abend alles, nur keine Langeweile boten.

Nachfolgend kippten wir mit den übrigens sehr sympathischen Jungs noch das ein oder andere Bierchen, auch Gerry tauchte etwas angefressen wieder auf. Es stellte sich heraus, dass er die letzte halbe Stunde wohl auf einer Bank vor dem Eingang der Raumstation verbracht hatte.

Und so hätte der Abend gemütlich ausklingen können, wenn nicht irgendwelche Arschlöcher einigen Jungs unserer Crew deren kurz zuvor erworbene Merchware gerippt hätten. Ein großes „GFY!“ an dieser Stelle an die Schurken!

Link: http://www.myspace.com/thebulemics

Text & Fotos: Marcus

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