CHARGE 69 & LES FANATIQUES

Au, Frankfurt, 22.02.2013

Französischen Punk mag ich, nicht zuletzt gefördert durch mein persönliches, frankophones Umfeld, schon immer. Angefangen bei den längst aufgelösten BERURIER NOIR über altgediente Noch-Aktive wie CHARGE 69 bis hin zu jüngeren, tollen Acts wie LA FRACTION geht da (fast) alles. Eine weitere hervorragende, leider ebenfalls nicht mehr existente Band aus unserem Nachbarland ist LES SHERIFF, deren Split nun schon fast 15 Jahre zurückliegt. Das Erbe der Truppe aus Montpellier zu bewahren und deren Songs der nachfolgenden Generation weitgehend authentisch zu Gehör zu bringen, hat sich eine junge Gruppe aus Frankfurt zum Ziel gesetzt: LES FANATIQUES. Diese spielte nach ihrem Auftritt vor fast zwei Jahren zum zweiten Mal in der Au, diesmal als Support der eingangs genannten älteren Recken von CHARGE 69.

Anfangs vermochte der Funke noch nicht so richtig auf das Publikum in der Au überzuspringen, obwohl das Quintett mit „A la chaleur des missiles“ eigentlich den perfekten Einstieg wählte. Wieder mal bildete sich der Frankfurter Kreis, zwei Meter „Bannmeile“ vor der Bühne, in die nur allmählich eingedrungen wurde. Dabei verströmten die Buben Spielfreude pur, die man insbesondere dem agilen Sänger, dem irgendwann ein Hüpf-Gen implantiert worden sein muss, zu jeder Zeit anmerkte.

Nach dem ersten Drittel des Sets kam dann endlich bei Stücken wie „Panic“, „Generation atomique“ und „A la poubelle“ Bewegung in die Zuhörerschar, und die gute (Tanz-)Stimmung hielt bis zum Ende des zwei Dutzend Stücke (inklusive der vehement geforderten Zugaben) umfassenden Gigs an.

Ich sah LES FANATIQUES das erste Mal und war erstaunt, wie sehr sich die Gruppe die Songs ihrer Vorbilder zu eigen gemacht hat. Das grenzte schon an Perfektion und bestätigte die guten Kritiken, die die Band nach früheren Auftritten eingeheimst hat. Eine temporeiche, energiegeladene Show, die den meisten der Besucher richtig Spaß machte. „Chapeau!“, um es mal in der Sprache des Abends auszudrücken. Einzig und allein das „Gschmäckle“ blieb, dass es eben doch nicht die Originale waren, die man da sah und hörte. Aber LES FANATIQUES machen ihren Job so ausgezeichnet, dass diejenigen, die LES SHERIFF nie live erleben konnten, mit den Frankfurter Jungs mehr als gut bedient sind.

Einen professionell produzierten Videoclip der „Fanatischen“, der neben klasse Musik („Pile ou face“, einen der größten LES SHERIFF-Hits) noch mit einer witzigen Pointe aufwartet, könnt ihr hier ansehen.

Setlist: A la chaleur des missiles – Je suis pas menteur – Tout le temps pareil – Je veux savoir pourquoi – A coups de batte de baseball – Condamne a bruler – Les deux doigts dans la prise – Pendons les haut et court – Pas des doute – Panic – Pur ma gueule – Trop de tentations – Generation atomique – A la poubelle – C’est pour bientot – L’essayer c’est l’adopter – Attention a toi – Jouer avec le feu – Fanatique de tele – Pile ou face – N’insiste pas – Pagaille generale – Bon a rien – Non non non!

Nach dem langen Set der FANATIQUES durften dann alte Bekannte in der Au, die französischen Politpunks CHARGE 69, ran. Die Gruppe aus Metz feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Aus der Gründungsformation

standen mit Caps (Foto links) am Bass und Laurent am Schlagzeug gestern noch zwei Mitglieder früher Tage auf der Bühne. Ersterer hat die Band seit den Anfängen 1993 durch sämtliche Höhen und Tiefen begleitet, letzterer ist nach einer langen Pause seit 2009 wieder mit an Bord. Komplettiert wurde das Line-up von Mumia (Gitarre) und Valex (unten), der nach Spirou, Sandro, Gilles und Verole schon (mindestens) der fünfte Mann am CHARGE 69-Mikrofon ist und ebenfalls bei KID CHAOS aus Longwy singt.

Der Kerl mit Karohemd und Schiebermütze, den ich noch nicht mit der Combo gesehen habe, passt sowohl stimmlich als auch von der Bühnenpräsenz her gut in das Quartett: Sein hemdsärmliges Auftreten verleiht dem Sound, der sich

ohnehin am englischen Working Class-Streetpunk orientiert, eine noch stärkere Authentizität. Assoziationen mit Bands wie den UK SUBS, ANGELIC UPSTARTS, SHAM 69 und Co. drängen sich auf, und das ist ja keine schlechte Referenz. Abwechslungsreich wird das Ganze durch die Oi-Passagen sowie die hier und da eingestreuten Elemente des Ska und des Reggae. Gesungen wird ausschließlich französisch.

An tollen Liedern mangelt es den Lothringern nicht, auch wenn sie in den vergangenen zwei Dekaden „nur“ sechs Alben veröffentlicht haben. Vielleicht ist das auch das Erfolgsrezept der Gruppe; lieber seltener ein Release

und dafür mit Hand und Fuß. Für mich ganz vorn: „Casse toi!“ (Verpiss Dich!) von der 2000er-LP „Région Sacrifièe“ sowie „Univers sale“ von der gleichnamigen Scheibe von 2003, das den Zuhörern diesmal gleich als Opener um die Ohren geblasen wurde und natürlich „Communication zero“ („Conflit interne, 2007). Vom aktuellen Album „Resistance Electrique“ von 2011 fanden unter anderem „Generation Sans Repere“, „Legitime vengeance“ und „Silencio“ Aufnahme ins Set. Allesamt Klopper, schnell, unwiderstehlich und keinen Takt zu lang.

Ging das Publikum über weite Strecken munter mit, kam dann gegen kurz vor Eins doch ein Bruch rein. Viele gingen, um die letzte S-Bahn noch zu erreichen (vielleicht sollte man an dieser Stelle kurz erwähnen, dass man auch später noch vom am Bahnhof haltenden Nachtbus zuverlässig nach Hause oder in die nächste Kneipe transportiert wird). Mit den Verbliebenen, die nun XL-Platz zum Tanzen hatten, dröppelte der Auftritt dann langsam aus. Ein bisschen schade für die Franzosen, denen ich einen Abgang inmitten einer gröhlenden Meute gegönnt hätte. Andererseits zeigte es, dass die Jungs auch Bock hatten, trotz immer leerer werdender Reihen ihre Songs zu präsentieren und nicht aufhörten, bevor der letzte Wunsch nach mehr verklungen war. Merci, messieurs.

Auf der offiziellen Website der Band http://www.charge69.com/ kann übrigens im Bereich „Music“ jeder (!) jemals veröffentlichte Song angehört werden. Und wer das gestrige Konzert verpasst hat, kann CHARGE 69 trotzdem zeitnah auf ihrer Jubiläumstour erleben: Am 22. März gastieren sie in der Kulturkneipe Sabot in Wiesbaden.

Setlist: Univers sale – En lambeaux – Temps meilleurs – Années 80 – Pendu – Qui sort des rangs – Casse toi – Rock Star attitude – Silencio – Fin de siècle – Génération sans repere – Région sacrifiée – Vos lois – Quand je serai mort – Legitime vengeance – Apparence jugée – Intro-Patchwork – Communication zero – Autoritée – Johnny good boy

Weitere Links: http://de.myspace.com/charge69punkrock, http://www.myspace.com/lesfanatiques

Text: Stefan / Fotos: Frank

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