CHELSEA LIGHT MOVING & METABOLISMUS

Zoom, 3.07.2013

Eine meiner nachhaltigsten Konzert- Erfahrungen machte ich am 1. April 1989 in der Frankfurter Batschkapp. Die Halle war gut gefüllt, eine Vorband gab es nicht. Die Bühne war fertig aufgebaut, nur hier und da wurde eine Kleinigkeit von einem Arbeiter justiert. Ähnliches erwartete ich von der schlaksigen Gestalt, die sich auf der noch dunklen Bühne an der Gitarre zu schaffen machte: hier wurde ein Ton angeschlagen, dort ein Schräubchen gedreht. Letzter Toncheck, bevor es endlich losgeht, dachte ich mir. Die angeschlagenen Töne jedoch blieben, sie fingen langsam, aber sicher an, den ganzen Raum zu fluten. Thurston Moore, den ich in der Dunkelheit für einen Gitarrentechniker hielt, blieb in der Hocke, drehte seine Schrauben und zerrte an den Saiten.

Er erzeugte einen immer lauter werdenden Mahlstrom voller Feedbacks und Rückkopplungen und bereitete schleichend, aber infernalisch laut den Boden für die nachrückenden Mitglieder von SONIC YOUTH, die einstiegen und mit dem

ersten Song schon die ganze Kapp in Schutt und Asche legten. Bis dahin dachte ich noch, Metal sei hart. Pustekuchen.
So geil fand ich SONIC YOUTH danach nie wieder, auch wenn spätere Konzerte und Platten mir zumindest punktuell immer großen Spaß machten. Auch so ein Überraschungsmoment erlebte ich bei SY natürlich nicht mehr. Als ich erst vor wenigen Wochen erfuhr, dass es sich bei CHELSEA LIGHT MOVING um die neue Band von Moore handelt, vermied ich es bewusst, mir vor dem Konzert irgendetwas von ihnen anzuhören, wohl auf ein ähnliches Element hoffend. Naja, um das Fazit vorwegzunehmen: So etwas gab es bei CLM nicht.

Aber ein wenig in diese Richtung ging es bei der mir völlig unbekannten Vorband METABOLISMUS (mit dem JOOKLO DUO). Bei dem Namen habe ich mich nicht gerade um Pünktlichkeit bemüht, schlug aber trotzdem schon um kurz nach 21 Uhr im Zoom auf, wo mich acht Musikanten auf der Bühne erwarteten, deren Schaffen mich anfänglich an das ostdeutscher Freejazzer erinnerte. Anders ausgedrückt: Akademisch einwand- und spaßfreies Gelärme ohne den Hang zur Anarchie, den z. B. ein lärmender Westdeutscher wie Peter Brötzmann ausdrückt. Das im Zentrum der Bühne aufspielende, aus Italien stammende JOOKLO DUO bestand aus einer Saxophon spielenden Dame (gerne auch mal zwei Saxophone gleichzeitig wie Roland Kirk) und einem allerlei Geräusche fabrizierenden jungen Mann neben ihr. Die anderen sechs waren demnach METABOLISMUS – laut Internetrecherche durchaus eine deutsche Formation, die aber anscheinend nur in den USA Tonträger veröffentlicht hat (eine am Abend feilgebotene 7“ war mit Erscheinungsjahr 2007 noch das aktuellste, die CD war von 1999).

Während der überwiegende Teil des Publikums schwatzend an der Bar auf den Hauptact wartete, versuchte ich mich lässig an die Säule vor der Bühne zu lehnen und zu entschlüsseln, was ich denn nun von dem Kram halten sollte. Aber ich kam nicht sehr weit – es gelang mir nämlich noch nicht mal, alle Instrumente zu erkennen. Am dominantesten waren Saxophon und Geige (gespielt von Samara Lubelski, die auch zu CHELSEA LIGHT MOVING gehört und dort später den Bass bearbeitete); ein bärtiger Mann im Overall spielte etwas, das aussah wie eine halbierte Trockenhaube aus den 70er Jahren und ansonsten gab es Rhythmus satt. So satt, dass die halbe Stunde, die diese Performance ungefähr dauerte, wie im Flug verging weil diese Rhythmik das ganze Saxophongejaule zusammenhielt, erdete, fast schon tanzbar machte und mich zunehmend begeisterte.

Bezeichnend, dass ich mir nach dem Konzert lediglich Tonträger von METABOLISMUS zulegte (und sogar Tapes! Seit wie vielen Jahren habe ich mir denn keine Cassetten mehr gekauft?); der Jooklo-Mann pries mir die Bänder als sehr „trippy“ an, mal abwarten, ich habe sie noch nicht gehört. Die CD und die Single aber schon; sie klingen komplett anders als das, was im Zoom dargeboten wurde. Anscheinend waren die Italiener hauptsächlich für den Free Jazz verantwortlich, der Sound der METABOLISMUS-Tonträger lässt sich eher als Krautrock subsummieren.

Aber zurück zum Gitarrengott: Als Thurston Moore gegen zwanzig nach zehn seine Kombo als „Black Flag“ ankündigte, Samara den Bass umschnallte und noch ein weiterer Gitarrist zu erspähen war, war klar, dass es nun Rockstage

Riot-kompatibler werden würde. Die BLACK FLAG- Witzchen rissen den ganzen Abend nicht ab, ein Song wurde Henry Rollins gewidmet, Thurston stellte sich selber als Greg Ginn vor, usw. Wie gesagt: Ich kannte vorher nichts von CLM, hoffte vielleicht auf etwas SONIC YOUTH hier und da und das passierte definitiv nicht, zumindest nicht in Form bekannter Songs.

Die Band rockte jedoch sehr wohl in deren Fahrwasser, natürlich minus der inbrünstig von mir verehrten Kim Gordon, der nun mal niemand das Wasser oder den Bass reichen kann. Aber das hat der alte Flegel Moore eben verbockt, um mal ein wenig „Gala“ in diese Berichterstattung einfließen zu lassen, genauso wie Johnny Depp mit Vanessa Paradis, was für Idioten. Und wir Unschuldigen müssen auf eine Lieblingsband verzichten, weil den Herren so ein Prachtweib nicht ausreicht. Nun ja, genug Gossip.

So schön die protopunklastige Stunde auch war, sie hatte keinen Überraschungsmoment, den hatte die Vorband. In der Zugabe wurde dann noch ein wenig rumgewitzelt in Form von Sekundensongs mit lustigen Titeln. Ich hatte aber den Eindruck, dass die Band nun durch war und den Gig nur künstlich in die Länge zog, damit die Besucher nicht realisierten, dass sie fast 30 Euro für eine knappe Stunde Lieblingsmusik plus eine halbe Stunde Skurrilität ausgegeben hatten. War unter dem Strich aber ein sehr feiner Abend.

Links: http://www.chelsealightmoving.com/, http://www.lastfm.de/music/Chelsea+Light+Moving, http://www.metabolismus.com, https://myspace.com/sumsilobatem, http://jooklo.altervista.org/, http://www.lastfm.de/music/Jooklo+Duo

Text: Micha / Fotos: Christoph, http://meinzuhausemeinblog.blogspot.de/
Clips: am Konzertabend aufgenommen von mgeb1

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