CONAN, CASTLE, THE GRAVIATORS

Kulturpalast, Wiesbaden, 24.04.2014

CastleDer Kulturpalast in Wiesbaden war bis zum gestrigen Abend gänzlich von meinem Radar der Konzert-Locations im Rhein-Main-Gebiet verschwunden. In den Jahren 2003 bis 2006 erlebte ich dort Gigs von Bands wie REZUREX, den NEKROMANTIX oder den ASTRO ZOMBIES, danach aber wurde es ruhig. Ob dies daran lag, dass der Club nur noch Shows veranstaltete, mit denen ich nichts anfangen konnte oder ob der Laden tatsächlich eine Konzert-Pause einlegte, vermag ich nicht zu sagen. Fest stand jedoch, dass mit CONAN, CASTLE (rechts) und den GRAVIATORS nun ein illustres Metal-Package dort gastierte, das einmal mehr das derzeit beliebte Retro-Rock/Doom/Proto-Metal-Genre bediente und daher nicht nur mich, sondern auch meinen Kollegen Micha interessierte. Die folgende Review entstand daher in Koproduktion.

CastleWir hatten Glück bei der Ankunft in der Innenstadt, denn in unmittelbarer Nähe der Einfahrt, die zum Club führt, fand sich ein freier Parkplatz, der uns eine lange Suche ersparte. Beim Betreten der Location musste ich feststellen, dass sich dort seit meinem letzten Besuch viel getan hat. Das Interieur, das ich als steril, kalt und weiß in Erinnerung hatte, präsentiert sich nun im angenehm schummrigen Dunkelrot, der Kneipenraum Castlewirkt gemütlich und einladend und der kleine Konzertraum ist nun in edles Schwarz gehüllt. Ein Club zum Wohlfühlen.

Micha beklagte zwar zunächst, dass es nur norddeutsche Plörre (Becks und Astra) zu trinken gab, entdeckte dann aber auch ein Weizenbier auf der Karte. Der snobistischen Landeshauptstadt angepasst, präsentierten sich auch die CastleBesucher äußerst trendy: Vollbartträger mit Schiebermütze, bebrillte Girls mit Wollmützen und adrette Hipster mit frisch gebügelter Turbonegro-Kutte stellten Personal und Stammpublikum – Metal-Fans 2014. Man baue mir eine Zeitmaschine, damit ich dieser Epoche entfliehen kann. Aber vielleicht fielen mir die Gäste auch besonders ins Auge, da sich derer lediglich 20 bis 25 eingefunden hatten und man ihnen stets aufs Neue über den Weg lief.

Als Opener fungierte die kanadisch/amerikanische Formation CASTLE. Sie wird von dem Pärchen Liz und Mat gefrontet, das optisch auch gut in Charles Mansons Family gepasst hätte. Gitarrist Mat ist Charlie gar wie aus dem Gesicht Castlegeschnitten. Musikalisch stehen CASTLE für eine Mischung aus Hardrock, Doom und Psychdelic Rock, die mit einem Schuss Blues und NWOBHM gewürzt ist. Von der schreibenden Zunft oft mit THE DEVIL’S BLOOD verglichen, da textlich auch irgendwie im Okkultismus verwurzelt und mit beschwörenden weiblichen Vocals ausgestattet, würde ich die Band eher im Fahrwasser von frühen Vertretern der NWOBHM wie beispielsweise SAMSON oder ANGELWITCH einordnen. Doch wie man die Musik von CASTLE auch immer wahrnimmt oder interpretiert, die Combo ist hörens- und sehenswert. Bereits mit den ersten Klängen schuf das Trio eine magische Atmosphäre, die durch gelegentliche Veitstänze von Gitarren-Hexer Mat und die Castlemanischen, durchdringenden Blicke von Sängerin Liz getragen wurde. Diese stampfte beim Bassspielen nicht selten so auf, als wäre sie des Leibhaftigen Tochter und würde mit ihren Hufen den Rhythmus der Hölle vorgeben. Die ersten drei, vier Songs war ich von der Darbietung durchaus gebannt, doch je länger sie andauerte, desto mehr begann mich der immer gleiche, schwülstige Gesang zu langweilen.

Diesem Makel hätte man leicht Abhilfe schaffen können, indem man einige von Mat gesungene Stücke in die Setlist eingefügt hätte. Doch erst beim letzten Lied, „Evil Ways“ vom aktuellen, dritten Album „Under Siege“, kam die nicht minder unheilvoll klingende Stimme des Gitarristen zum Einsatz. Dennoch haben mir CASTLE gut gefallen und waren für mich die zweitbeste Band des Line-ups. Da ich mit den folgenden GRAVIATORS nie so recht warm geworden bin, übernimmt deren Live-Review Kollege Micha.

Nach CASTLE folgten die Südschweden THE GRAVIATORS, die kürzlich ihren dritten Longplayer „Motherload“ veröffentlichten. Ein gutes Album mit extrem starker BLACK SABBATH-Affinität, die SABBATH der Ozzy-Ära. So stark, dass mir das Laune macht; allerdings nicht stark genug, um gegen einige andere der aktuellen Retrobands anzustinken, dachte ich: Maß aller Dinge sind da gegenwärtig noch ORCHID für mich, aber wer weiß, das kann sich bei wöchentlichen Neu-Entdeckungen in diesem Genre ja ständig ändern. Viel Spaß an dem Gig hatten jedoch die Musiker selbst, allen voran Gitarrist Martin Fairbanks und Bassist Johan Holm. Letzterer riss Graviatorssich vor Ekstase eine Schicht Klamotten nach der anderen vom Leib; und die Ekstase übertrug sich vollends auf die Meute vor der Bühne.

Vor allem das überlange „Druid’s Ritual“ (Clip weiter unten), am Ende dargeboten und das reine SABBATH-Zitieren zugunsten einer heftigen, psychedelischen Blueskante im Stile von HAWKWIND meets GROUNDHOGS meets DUST hinter sich lassend, war ein Fest und machte die GRAVIATORS für mich persönlich zum Gewinner des Abends. Unfassbar geil. Sänger Niklas Sjöberg, bei solchen Aktionen leicht unterbeschäftigt, war dann häufiger im Publikum anzutreffen; was beim Fotografieren und Filmen etwas irritierte. Die neuen GraviatorsSongs schien er noch nicht so intus zu haben – immer, wenn er die Riffs besonders ausladend gestisch zelebrierte, wanderte sein Blick zum auf dem Boden prangenden Textblatt. Gut überspielt, störend wirkte das nicht. Selbst wenn: Die Gruppe wäre auch ganz ohne Sänger die Macht gewesen. Wo nehmen die Schweden nur diese Masse an gnadenlos guten Bands her? Ganz groß. Zurück zu Marcus und seinen Eindrücken von CONAN.

Nachdem ich während des GRAVIATORS-Gigs die meiste Zeit im gemütlichen Bar-Foyer verbracht hatte, zog es mich nun wieder in den kleinen Konzertraum, in dem CONAN gerade die Bühne betreten hatte. Bis wenige Tage vor dem ConanKonzert hatte ich noch nie von der Band gehört, hatte aber immerhin in Erfahrung bringen können, dass das Trio aus Liverpool stammt, seit 2006 existiert und gerade seinen zweiten Longplayer „Blood Eagle“ veröffentlicht hat. Dass die Jungs den Headliner stellten, dürfte vermutlich der Tatsache geschuldet sein, dass die Band auf die längste Historie der Tour- Teilnehmer zurückblicken kann.

ConanAuf einem der Band- Shirts am Merch- Stand prangten die Worte „Caveman Battle Doom“, was den Sound der Formation treffend beschreibt. Nachfolgend wurde es sehr, sehr heavy und zugleich sehr rhythmisch. Bass und Schlagzeug bildeten eine mächtige Einheit, die sich in einer Lautstärke Conanpräsentierte, die fast schon als unangenehm zu bezeichnen war. Der Bass war nicht nur akustisch, sondern auch körperlich wahrnehmbar und das Rhythmus-Gerüst erinnerte an Industrial-Acts wie GODFLESH – ebenfalls aus England – oder die SWANS aus New York, wobei CONAN ob ihrer schwerfälligen Gitarrensounds deutlich im Doom-Metal zu Conanverorten sind. Untermalt wurde das Ganze von monotonen Klagelauten des Sängers, die sich kakophonisch perfekt ins Gesamtbild einfügten.

Ebenso ungewöhnlich wie der Sound war die Optik der Band, die sich komplett in schwarz gekleidet und mit Kapuzen präsentierte, teilweise sogar mit dem Rücken zu den Zuschauern agierte. Ob mit den Kapuzenpullis eine stilisierte Darstellung keltischer Kettenhemden geweckt werden sollte oder die Jungs einfach ein Alleinstellungsmerkmal gesucht haben, kann ich nicht sagen, fest steht aber, dass ich selten ein derart brachiales und kompromissloses Brett (GODFLESH Conanund SWANS mal ausgenommen) erlebt habe. CONAN machen sicher nicht die Musik, die man als iPod-Soundtrack für eine sommerliche Fahrradtour wählen würde, live sind sie aber ein echtes Erlebnis, vorausgesetzt man kann mit finsterem, rhythmischen Zeitlupen-Doom, dargeboten in apokalyptischer Lautstärke, etwas anfangen. Für mich waren die Engländer daher ganz klar die Band des Abends, wobei das Package mit den drei recht unterschiedlichen Combos, die dennoch irgendwie zusammenpassten, auch in seiner Gesamtheit zu gefallen wusste. Bleibt zu hoffen, dass wir noch oft in den Genuss der einzelnen Acts kommen und dass es von nun an wieder häufiger interessante Konzerte im Kulturpalast zu sehen gibt.

Links: http://www.heavycastle.com/, https://myspace.com/heavycastle, http://www.reverbnation.com/heavycastle, http://www.lastfm.de/music/Castle, https://myspace.com/graviators, http://www.reverbnation.com/thegraviators, http://www.lastfm.de/music/The+Graviators, http://www.hailconan.com/, https://myspace.com/conandoomconan, http://www.lastfm.de/music/Conan

Text (Castle/Conan): Marcus / Text (Graviators), Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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