Gebäude 9, Köln, 14.07.2014
Der Name täuscht. Die COSMIC PSYCHOS sind keineswegs eine der vielen neuen Psychedelic-Rock-Bands, die Blümchen werfend und LSD konsumierend den Sound von URIAH HEEP, CREAM oder BEGGAR’S OPERA zu kopieren versuchen. Vielmehr handelt es sich bei dem aus Melbourne stammenden Trio um eine Noise/Garage/Punk-Formation, die sich bereits in den frühen Achtziger Jahren gründete und besonders mit ihren ersten beiden Scheiben maßgeblichen Einfluss auf Acts wie NIRVANA und MUDHONEY hatte. Viele sprechen bei den COSMIC PSYCHOS auch von der Urvätern des Grunge, was ich allerdings nicht unbedingt als Kompliment ansehen würde, denn die Verschmelzung von rauen Gitarrenriffs mit poppigen Songstrukturen war ein ebenso überflüssiger Kropf wie beispielsweise die spätere New Metal-Plage.
Tatsächlich gibt es für den Sound der Australier nicht wirklich eine Definition, und der bedarf es auch nicht. Es knallt einfach, auf Platte und besonders live. Wie bei vielen Bands aus Down Under, seien es ROSE TATTOO, AC/DC, LUBRICATED GOAT oder die BEASTS OF BURBON, ist es vor allem ein Attribut, das den brachialen Punkrock der Jungs dominiert: Die unglaubliche Roughness (das klingt besser als Rauheit) mit der die Songs dargeboten werden. Dies mag vielleicht daran liegen, dass Basser und Band-Boss Ross Knight in Spring Plains, zwei Stunden nördlich von Melbourne, eine Farm betreibt und bei den täglichen Arbeiten offensichtlich jede Menge Staub schluckt. Dies und vieles mehr kann in der Doku „Blokes You Can Trust“ nachverfolgt werden, die Anfang des Jahres erschienen ist und für mich eine der besten Musik-Dokus ist, die ich bisher gesehen habe (Trailer dazu hier).
Ende der Achtziger und auch in den Neunzigern waren die Jungs recht tourfreudig und spielten in Frankfurt unter anderem im Negativ, im KOZ und in der Batschkapp, danach aber wurde es still. Interne Streitigkeiten, häufige Besetzungswechsel, finanzielle Probleme und der Tod des langjährigen Gitarristen Robbie „Rocket“ Watts besiegelten fast das Ende der Band. Erst 2006 fand sich wieder ein stabiles Lineup zusammen, doch es sollte bis 2012 dauern, bis die COSMIC PSYCHOS wieder in Deutschland zu sehen waren. Damals spielten sie ebenfalls im Kölner Gebäude 9, doch aus Zeitgründen musste ich passen, schwor mir aber, die nächste Gelegenheit – falls sich überhaupt noch eine ergeben sollte – wahrzunehmen.
Da stand ich also nun mit meinen Begleitern im Gebäude 9 und hatte eine anderthalbstünde Fahrt hinter mir, während der ich auf die Frankfurter Veranstalter schimpfte, die mal wieder eine der ganz großen Live-Bands mit Ignoranz gestraft hatten. Doch was soll’s, auf diese Weise lernt man immerhin neue Clubs kennen. Und im Fall des Gebäude 9 war das eine angenehme Erfahrung. Der Veranstaltungsort liegt in unmittelbarer Nähe der Kölner Messe auf einem alten, recht großen Fabrikgelände, das diverse Einrichtungen (Fahrradläden, Ateliers, etc.) beherbergt. Alles ist recht runtergekommen, liefert also eine nette Punk-Kulisse, legt jedoch die Vermutung nahe, dass das Ganze in Bälde der Abrissbirne zum Opfer fällt. Ich drücke die Daumen, dass dem nicht so ist.
Kurz nach unserer Ankunft gegen 20 Uhr waren bereits die ersten Klänge in der ca. 300 Besucher fassenden Halle zu vernehmen. Allerdings standen dort nicht die COSMIC PSYCHOS, sondern die erste von insgesamt drei (!) Vorgruppen auf der Bühne. Los ging’s mit der englischen Sludge-Band GURT, im Anschluss waren die kanadischen Doom-Rocker DOPETHRONE zu sehen und schließlich die Kölner Lokalmatadore CELLOPHANE SUCKERS, die auch schon gut 20 Jahre auf dem Buckel haben und eigentlich ganz erträglich sind, auch wenn sie der Optik nach zu urteilen inzwischen in Hipsterville zu wohnen scheinen. Auf die einzelnen Bands in Detail einzugehen, würde an dieser Stelle wohl den Rahmen sprengen, daher sei lediglich erwähnt, dass ich DOPETHRONE durchaus gerne mal im Frankfurter Exzess sehen würde.
Nachdem die Vorbands überstanden waren, war es endlich soweit und die Australier enterten die Bühne. Die Fußball-WM lag gerade ein paar Tage zurück und hat offensichtlich auch die Aussies begeistert. Gitarrist John McKeering trug vor dem Gig ein gefühlt vier Nummern zu kleines Deutschland-Trikot, in das man ihn offensichtlich reingeschossen hatte und vor der Bass-Drum prangte ein Poster des frisch gebackenen deutschen Weltmeister- Teams (rechts). Entweder sind die Jungs tatsächlich Fußball-Fans oder sie erlaubten sich lediglich einen Spaß. Ein Gespräch, das ich nach dem Gig mit Ross führte, ließ mich jedenfalls nicht glauben, dass er sehr viel Ahnung vom Thema hat.
Optisch kamen die einzelnen Bandmitglieder einmal mehr wie Bauarbeiter rüber, die gerade Mittagspause machten, sich ein paar Bierchen reinpfiffen und dabei ein wenig jammten. McKeering (unten) hatte sich inzwischen des zu engen Trikots entledigt und bediente seine Gitarre wie einen Presslufthammer. Ross, der Polier, gab die musikalischen Aufgaben vor und Drummer Sean sorgte für das nötige Tempo. Im Zusammenspiel funktionierten die einzelnen Musiker so perfekt wie der Bulldozer auf der Farm von Bandleader Ross: Sie walzten mit ihren Songs einfach alles platt.
Die raue Mischung aus unbändigen STOOGES-Riffs und cooler RAMONES-Attitüde liefert bereits auf den Studio-Alben einen extrem brachialen Sound, live ist er allerdings noch explosiver und vermittelt ein Konzert-Erlebnis, das man nicht alle Tage hat. Songtechnisch konzentrierte sich die Band nahezu auf ihre ersten vier Scheiben, sodass sich quasi Hit and Hit reihte, „Back in Town“, „Go the Hack“, „Nice Day to Go to the Pub“, „Down on the Farm“ und natürlich „Lost Cause“ und „Hooray Fuck“, keiner der Kracher fehlte und auch einige neuere Songs waren zu hören. Ein Hammer-Konzert von einer der sympathischsten Bands des Genres, an das ich sicher noch lange zurückdenken werde. Bleibt zu hoffen, dass die Jungs ihren Tour- Rhythmus beibehalten und uns in zwei Jahren wieder beehren. Kleine Anekdote am Rande: Als sich unser Fahrer Tommy von Ross die erste COSMIC PSYCHOS-Scheibe, auf deren Cover die drei Bandmitglieder nebeneinander zu sehen sind, signieren ließ, kritzelte Ross zunächst einmal Mini- Pimmel an seine Mitstreiter bevor er sich selbst einen Riesenschwanz malte. Man muss diese Band einfach mögen.
Links: http://www.cosmicpsychos.com.au/, https://myspace.com/thecosmicpsychos, http://www.lastfm.de/music/Cosmic+Psychos
Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
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