Au, Frankfurt, 1.08.2014
Totgesagte leben länger – so auch im Falle einer der renommiertesten Hardcore-Punk-Bands der vergangenen Jahrzehnte: D.O.A. aus Vancouver, Kanada. Hatte mich im Januar 2013 noch der angekündigte Split der Formation dazu bewogen, eine Mischung aus Nachruf und ultimativer Lobhudelei auf die Combo zu verfassen (zu lesen hier), sind die Jungs um den Frontmann Joe „Shithead“ Keithley (links) nun doch wieder auf Tour. Zu verdanken haben wir das dem Umstand, dass Keithley in seiner Heimat zwar für die sozialdemokratische Neue Demokratische Partei NDP (New Democratic Party) in der Region Coquitlam Burke-Mountain (Provinz British Columbia) kandidierte, sich im Rennen um ein politisches Amt letztlich aber knapp nicht durchsetzen konnte. Deshalb schnallte er sich seine Gitarre eben wieder um, statt sie an den Nagel zu hängen. Fans in aller Welt wird das gefreut haben…
Die Liste der einst bei D.O.A. beschäftigten Musiker ist lang, diverse von ihnen wurden aus unterschiedlichsten Gründen viel zu früh aus diesem Leben abberufen. Zuletzt erwischte es den ehemaligen Gitarristen Dave Gregg, der von 1980 bis 1988 bei der Formation die Saiten zupfte und im vergangenen März im Alter von 54 Jahren einem Herzinfarkt erlag. Nun zur Gegenwart. D.O.A. anno 2014, das sind: Das einzig verbliebene Mitglied des Gründungs-Lineups, Joe Keithley an Gitarre und Mikro, flankiert von Mike Hodsall am Bass und Paddy Duddy (Schlagzeug). Dass das Trio mit Ausnahmekönnern besetzt und bestens eingespielt ist, davon konnte sich das Publikum in der gut gefüllten Frankfurter Au gestern abend während der knapp 20 Songs umfassenden Show überzeugen.
Die ersten Minuten des Konzerts gehörten der ältesten D.O.A.-Vergangenheit: Als Opener hatten Shithead und seine Spießgesellen „I Hate You“ vom 1982er-Album „War on 45“ auserkoren, gefolgt vom Titelsong des 81er-Outputs „D.O.A.“ sowie „2+2“ und „World War 3“ von der Debütscheibe „Something Better Change“ von 1980. Ein guter Start. Jüngere Stücke wie z. B. „Marihuana Motherfucker“ (2004) und „Police Brutality“ (2008) fanden sich in der Mitte des Sets, bevor es mit den beiden Knallern „The Enemy“ und „The Prisoner“ (beide vom Erstling) nochmal “back to the roots” ging und sich der Bogen quasi schloss. Als Zugabe folgte nach kurzer Besprechung noch „Full Metal Jackoff“ von der LP „Last Scream of the Missing Neighbours“ von 1989, ursprünglich von Jello Biafra eingesungen, aber mit Keithleys Stimme ebenfalls erfreulich anzuhören.
Als echter Aktivposten auf dem Podest entpuppte sich Bassist Mike Hodsall, der in seiner Heimat u. a. mit Punkrock-Größen wie Tom Holliston von NOMEANSNO Konzerte gibt. Auch in der Welt von D.O.A. hat er sich hervorragend akklimatisiert; es machte richtig Spaß seinem agilen Treiben zuzusehen. Keithley, inzwischen 58 Jahre alt, lässt es nun etwas ruhiger angehen. Ein paar Kicks hier, die Gitarre ab und zu hinter dem Kopf gespielt, mehr war da nicht und muss da auch nicht. Gegen Ende schnappte er sich noch (m)eine geleerte Bierflasche, um das Griffbrett seiner Gitarre zu malträtieren (Foto rechts), gekonnt, wie ich fand. Die Flasche, von Keithley anschließend an den Bühnenrand geworfen, zerschellte indes.
Fast genauso erging es Kumpel C., der sich mal wieder im Stagediving versuchte; Anlauf eins schlug fehl, beim zweiten wurde er vom etwas genervt scheinenden Keithley durch Handbewegungen schon fast von der Bühne komplimentiert. Das war aber auch das einzige, was mich an diesem Abend störte, ansonsten war das wieder eine prächtige Show, die trotz saunaähnlicher Temperatur allen Beteiligten Freude bereitet haben dürfte. Klar hätten ich und viele andere gern weitere Songs gehört, doch Bands, die schon so lange im Geschäft sind und so viele Platten veröffentlicht haben (im Fall von D.O.A. mehr als 20), können es bei der Zusammenstellung ihrer Setlist nunmal nicht jedem recht machen.
Unklar bleibt mir, warum im Ankündigungstext für das Konzert auf der Website der Au von einer „Abschiedstournee“ die Rede war. Schließlich waren auch die Nordamerika-Tour vor der missglückten Wahl Keithleys Anfang 2013 und die Auftritte in Europa danach „Abschieds-Tourneen“. Man darf optimistisch sein, dass wir D.O.A. auch diesmal nicht zum letzten Mal gesehen haben. Denn Totgesagte leben bekanntlich länger.
Setlist: I Hate You – D.O.A. – 2+2 – World War 3 – Waiting For You – Marihuana Motherfucker – Class War – Woke Up Screaming – My Old Man – Police Brutality – Fuck You – Hey, Hey, Get Out Of My Way – America – War – The Enemy – The Prisoner / Full Metal Jackoff
Links: http://www.suddendeath.com/, https://myspace.com/doapunk, http://www.lastfm.de/music/D.O.A., http://mikehodsall.blogspot.de/
Text, Fotos (13) & Clip: Stefan / Fotos (13): Marcus
Alle Bilder: