DICKIES & ADOLESCENTS

Schlachthof, Wiesbaden, 11.08.2014

DickiesEin ganz besonderes Punkrock-Package bot der Wiesbadener Schlachthof gestern in seiner Räucherkammer: Die DICKIES, die ADOLESCENTS und DYS, jede der drei Bands für sich eigentlich schon ein Headliner und nicht zu versäumen. Dementsprechend früh erreichten wir das Venue, doch die erste (und glücklicherweise einzige) Enttäuschung des Abends folgte prompt: DYS spielten nicht, haben angeblich die ganze Tour abgesagt. Der vom Veranstalter in Aussicht gestellte Ersatz fand sich nicht ein, sodass die ADOLESCENTS schon gegen halb neun auf die Bühne kamen, was der werktätigen Bevölkerung an Adolescentseinem Montagabend aufgrund des zu erwartetenden frühen Endes sicherlich nicht unrecht war.

Die ADOLESCENTS haben just vor einem Monat wieder eine Platte („La Vendetta“) rausgehauen, nach „The Fastest Kid Alive“ (2011) und „Presumed Insolent“ (2013) schon der dritte Output binnen vier Jahren, und, wie ich finde, der beste der jüngeren Vergangenheit. Die Songs des neuen Albums, darunter Adolescents„Monolith at the Mountlake Terrace “, „30 Seconds to Malibu “, „Fukushima Lemon Twist “ und „Let It Go“ bildeten das Gerüst der gestrigen Show. Dazwischen fanden einige Klassiker, unter anderem vom ersten, selbstbetitelten „blauen“ Album von 1981 (!) ihren Platz, und Tracks wie „No Way“ (diesmal als Opener), „Amoeba“ und „Kids of the Black Hole“ (zum Schluss) verfehlten auch diesmal ihre Wirkung nicht.

AdolescentsSchnell bildete sich in der angenehm zu etwa drei Vierteln gefüllten Räucherkammer ein kleiner Moshpit, an dem sich zwar nur sechs bis zehn Leute beteiligten, der aber der Atmosphäre zweifellos förderlich war. Frontmann Tony „Reflex“ Cadena präsentierte sich ebenso wie sein Kollege aus der Gründungszeit der Combo, Steve Soto am Bass, in bester Stimmung, scherzte und ließ sich gut gelaunt durch das Konzert treiben – und das, obwohl das Quintett auf der aktuell laufenden Europatour innerhalb von 32 Tagen nicht weniger als 30 Shows in sieben Ländern bestreitet. In Anbetracht der Tatsache, dass die Jungs die Fünfzig auch schon überschritten haben, kann man angesichts eines solchen Pensums nur den Hut ziehen.

AdolescentsDa fiel es auch nicht weiter ins Gewicht, dass den Forderungen nach einer zweiten Zugabe eine Absage erteilt wurde. Die Band hinterließ ein in weiten Teilen mehr als zufriedenes Publikum. Auch mir hat die Show wieder Spaß gemacht, aufgrund der neuen, hervorragenden Songs von „La Vendetta“ vielleicht sogar noch mehr als vor zwei Jahren in der Frankfurter Au (Bericht von damals hier). Die ADOLESCENTS sind nach wie vor einer der besten US-Punkrock-Acts und verstehen es noch immer, Freunde des Genres gleich welchen Alters mitzureißen.

Weiter geht’s mit dem Auftritt der DICKIES, den Marcus einer Nachbetrachtung unterzieht:

Ich war eigentlich wegen DYS gekommen. Nicht, dass ich die anderen beiden Acts des Lineups nicht schätzen würde, aber sowohl die ADOLESCENTS als auch die DICKIES hatte ich bereits etliche Male gesehen. Dass DYS nicht spielen Dickieswürden, erfuhr ich erst während meiner Fahrt nach Wiesbaden, hmpf… Nach den ADOLESCENTS waren die in Los Angeles beheimateten DICKIES an der Reihe, die zu den dienstältesten Punkbands (1977 gegründet) der USA zählen. Die Jungs sind für mich ein Phänomen, denn von Platte kann ich kaum zwei, drei Songs am Stück hören, ohne dass mir der hohe Gesang von Sänger Leo Graves (links) gehörig auf die Nüsse geht. Live aber begeistern mich die Kalifornier stets aufs Neue, nicht zuletzt, weil dann der Sound von den Gitarren und nicht vom Gesang dominiert wird. Neben Leo ist Gitarrist Stan Lee, bei Dickiesdem es sich übrigens nicht um den gleichnamigen Erfinder etlicher Marvel-Charaktere handelt, das einzig verbliebene Mitglied der Ur-Besetzung.

Das aktuelle Lineup wurde gestern durch den langjährigen Basser von D.I., Eddie Tatar, Adam R. Gomez am Schlagzeug und… Spider-Man komplettiert, hinter dessen Maske sich wohl Gitarrist Dave Teague befand. Ich vermute, dass Teague den Spider- Man geben musste, da Stan Lee diesmal auf sein Markenzeichen, die zitronengelbe Gitarre mit Spider-Man- Aufkleber, verzichtete, die sonst immer als Anspielung auf die oben Dickieserwähnte Namensgleichheit mit dem Marvel-Mastermind dient. Leo trug einen Anzug, der ein wenig an das Standard-Outfit von Pee Wee Herman erinnerte und Gomez hatte sich mit einer Fliege geschmückt, offensichtlich als Hommage an den Gomez aus der Addams Family. Im Gesamtbild wirkte das schon so, als ob die örtliche Psychiatrie Ausgang hätte und in Verbindung mit den Gebärden und Zuckungen, die Frontmann Leo vollführte, wurde dieser Eindruck noch verstärkt.

Im Gegensatz zu den ADOLESCENTS greifen die DICKIES in der Regel auf altes Songmaterial zurück, vornehmlich aus dem Grund, dass kein neues Material existiert. Das letzte reguläre Album der Jungs liegt immerhin 13 Jahre zurück. DickiesUnd irgendwie ist das auch gut so. Die ADOLESCENTS beispielsweise werfen ständig Scheiben auf den Markt, die in keiner Weise an die Klasse des blauen Albums heranreichen und spielen die neuen Stücke natürlich auch live, sodass von Tour zu Tour immer weniger Klassiker dargeboten werden. Diese Gefahr besteht bei den DICKIES nicht.

Los ging’s mit „Give it Back“, dem ersten Track der Debüt-LP aus dem Jahr 1978, nachfolgend wurde ein Querschnitt der bisherigen sechs Veröffentlichungen dargeboten, darunter Klassiker wie „Banana Splits“ und „Gigantor“ sowie eigenwillige Cover-Versionen zu Songs wie „Nights in White Satin“ (THE MOODY BLUES) und Dickies„Paranoid“ von BLACK SABBATH. Zu einzelnen Songs kamen einmal mehr die bekannten Gimmicks zum Einsatz: Ob Taucherbrille, Affenmaske, Gummipuppe oder Penis-Handpuppe – es wurde alle Register des DICKIES-Repertoires gezogen, bevor die Show mit dem Cover von „Eve of Destruction“ (Barry McGuire) standesgemäß endete.

DickiesZugegeben, wenn man die Band schon kennt, bot der Gig wenige Überraschungen, aber allein Sänger Leo samt seinen vier schrägen Mitstreitern auf der Bühne agieren zu sehen, ist immer wieder ein besonderes Konzert-Highlight. Daher waren für mich die DICKIES der klare Gewinner des Abends, auch wenn ich diesmal Songs wie „Toxic Avenger“ und „Killer Clowns from Outer Space“ in der Setlist vermisst habe.

Links: https://myspace.com/adolescents, http://www.reverbnation.com/theadolescents, http://www.lastfm.de/music/Adolescents, http://www.thedickies.com/, https://myspace.com/dickiesband, http://www.lastfm.de/music/The+Dickies

Text (DI) & Fotos (15): Marcus / Text (AD): Stefan
Fotos (10): Matthias Weigand, www.cxc.info
Clips: aufgenommen am Konzertabend von mattsixsixsix

Alle Bilder:

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Einen weiteren Konzertbericht zu den DICKIES lest Ihr hier.
Einen weiteren Konzertbericht zu den ADOLESCENTS lest Ihr hier.

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