THE DICTATORS NYC

Underground, Köln, 25.07.2014

DictatorsIn diesem Jahr haben sich bereits allerlei 70s- und 80s-Punk-Heroen in unsere Breitengrade verirrt, doch auf keine andere Band habe ich mich so sehr gefreut wie auf die DICTATORS. Zum einen, weil die 1973 (!) gegründete Combo noch nie zuvor in Deutschland aufgetreten ist, zum anderen, weil ich eine besondere Liebe für die Stadt New York hege, und sich viele Songs der DICTATORS um die Metropole an der US-amerikanischen Ostküste ranken. Das weckt Erinnerungen. Zudem propagieren die Jungs eine Form des Punk, die exakt der meinen entspricht: Politisch unkorrekt, sexistisch und provokant. Songtitel wie „Master Race Rock“ und die Verwendung von Nazi- Propaganda-Postern (auf der Solo-Scheibe „…And You“ von Sänger Handsome DictatorsDick Manitoba) brachten die New Yorker ein ums andere Mal ins Gerede – und dies, obgleich die meisten Mitglieder jüdischer Abstammung sind und das Ganze natürlich nur als Provokation zu verstehen war.

Doch sind die DICTATORS überhaupt eine Punk-Band? Zur Zeit der Gründung im Jahre 1973 gab es den Begriff nämlich noch gar nicht. Weder die RAMONES noch die SEX PISTOLS hatten das Licht der Welt erblickt, sodass man als vergleichbare Acts lediglich die STOOGES, die für mich immer eher Rock denn irgendetwas anderes waren, die NEW YORK DOLLS, die ich eher als Begründer des Sleaze- und Glamour-Rock sehe und die MC5, die ich eher als Proto-Metal-Act erachte, heranziehen kann. Die DICTATORS mögen zur damaligen Zeit zwar keinen Punk im musikalischen Sinne gespielt haben, sondern eher etwas, das man heute als Hardrock bezeichnen würde, waren für mich aber von der Attitüde her immer schon die erste echte Punk-Band. Somit fallen für mich die ersten drei Scheiben der DICTATORS aus den Jahren 1975, 1977 und 1978 in die Kategorie „Hardrock“, während ich das vierte und bis heute letzte Album „D.F.F.D.“ aus dem Jahr 2001 durchaus als echtes Punkrock-Album ansehen würde – eine Scheibe übrigens, die in jede Plattensammlung gehört, dies aber sei nur am Rande bemerkt.

DictatorsIch war bereits früh, gegen 19 Uhr, vor Ort, hockte gemütlich im Biergarten des Kölner Undergrounds und hielt eine Heineken-Flasche in der Hand (wenn’s keinen Äppler gibt muss man als Nicht-Bier-Trinker improvisieren) die exakt 0,25 Liter Flüssigkeit enthielt und leer war, nachdem man zweimal daran genippt hatte und dennoch mehr kostete als ein großer Äppler. Seltsame Stadt, dieses Köln. Aber immerhin konnte ich dem Soundcheck lauschen, bei dem unter anderem auch „New York, New York“ angespielt wurde, was mir trotz der schwülen Temperaturen eine Gänsehaut bescherte. Je später es wurde, desto mehr bekannte Gesichter aus Frankfurt tauchten zu meiner Überraschung auf, Dictatorsdas halbe Backstage war plötzlich vor Ort und auch Mitglieder von SCHEISSE MINNELLI und BLOOD PATROL hatten sich eingefunden.

Bevor’s mit den DICTATORS losging, stand mit den NIMRODS aus Oberhausen ein Opener auf der Bühne, der mit seinem Bubblegum- Punk im QUEERS-Stil eigentlich ganz gut zum Headliner passte. Ob der Hitze im Club riskierte ich allerdings nur einen kurzen Blick und nahm wieder im inzwischen gut gefüllten Biergarten Platz. Als sich die Kunde verbreitete, dass im Anschluss an das Konzert noch eine Indie-Disco stattfinden sollte, war klar, dass es nun bald losgehen musste. Und tatsächlich, kurz nachdem ich mir einen Platz in der ersten Reihe erkämpft hatte, betraten die New Yorker auch schon die Bühne.

DictatorsMit von der Partie waren Gitarrist Ross „The Boss“ Friedman, der Metalheads sicherlich als Ur-Gitarrist von MANOWAR bekannt sein dürfte und zu den Gründungsmitgliedern der DICTATORS zählt und Basser Dean Rispler, der in Brooklyn das Label Drug Front Records betreibt, bereits unzählige Hardcore-Acts produziert und in noch unzähligeren Formationen Gitarre und Bass gespielt hat (u.a. bei MURPHY’S LAW, H2O und THE VOLUPTOUS HORROR OF KAREN BLACK). Außerdem Gitarrist Daniel Rey, der sich als Produzent von Bands wie WHITE ZOMBIE, RAMONES und MISFITS einen Namen gemacht hat und zudem CJ RAMONE auf dessen Tour 2009 (u. a. im DictatorsSchlachthof Wiesbaden) begleitete, sowie Drummer J.P. „Thunderbolt“ Patterson, der bereits seit 1990 mit den DICTATORS spielt. Und last but not least Frontmann Handsome Dick Manitoba (rechts), der in den frühen Siebzigern zunächst als Roadie für die DICTATORS agierte, aufgrund seiner Entertainer-Qualitäten und seiner markanten Stimme aber schon bald zum Sänger avancierte. Zudem nahm er anno 1990 unter dem Namen MANITOBA’S WILD KINGDOM die kleine, aber feine Scheibe „…And You?“ auf und wurde dabei bereits von drei der vier aktuellen DICTATORS-Mitglieder begleitet.

Es fehlte lediglich der ehemalige Basser Andy Shernoff, seines Zeichens Gründungsmitglied und Schreiber aller (!) DICTATORS-Songs, der aber als Produzent, Journalist und Solo-Künstler so dick im Geschäft ist, dass er sich mit Dictatorsüber 60 den Stress einer Europa-Tour nicht mehr geben wollte. Aus diesem Grund firmiert die Band auch offiziell unter dem Namen DICTATORS NYC, da keiner der Musiker, die am gestrigen Abend auf der Bühne standen, am Songwriting der dargebotenen Tracks beteiligt war. Der Performance tat dies allerdings keinen Abbruch, denn auch mit den „neuen“ Mitgliedern Rey, Rispler und Patterson standen New Yorker Urgesteine auf der Stage, die allesamt bereits Musik-Geschichte geschrieben haben. Besonders Basser Rispler wusste mit seinem Spiel zu begeistern und war ein mehr als würdiger Ersatz für Shernoff.

DictatorsAls es – sehr treffend – mit „The Party Starts Now!!!“ vom Wild Kingdom-Album losging, gab es im nahezu ausverkauften Underground kein Halten mehr. Die Besucher feierten die New Yorker, als stünden die ROLLING STONES auf der Bühne und würden ihren letzten Gig spielen. Es gab Bierduschen en masse und jeder Song wurde begeistert mitgegrölt. Auf der Setlist standen vier Stücke vom „Bloodbrothers“-Album, leider nur drei vom „D.F.F.D.“- Werk und lediglich einer vom Debüt „Go Girl Crazy!“. Zwei Tracks der Wild Kingdom-Scheibe komplettierten schließlich den Reigen der eigenen Songs, das zweite Album „Manifest Destiny“ wurde komplett ignoriert. Statt weiterer eigener DictatorsLieder gab es diverse Cover-Versionen, beispielsweise „American Beat“ von den FLESHTONES, „Kick Out the Jams“ von MC5, „California Sun“ von den RIVIERAS und „Slow Death“ von den FLAMIN’ GROOVIES.

Sänger Handsome Dick Manitoba präsentierte sich dabei als Entertainer par excellence: Er erzählte kleine Ankedoten, bot die Songs mit grandioser Mimik dar und hatte das Publikum voll im Griff. Für mich, der ich die Band kenne und New York liebe, war es ein ganz großer Abend und ein wahr gewordener Traum, die Jungs mal live auf der Bühne zu sehen. Andere Zuschauer, die mit der Combo nicht näher vertraut waren, nahmen wohl eher ein langeiliges Hardrock-Konzert alter Säcke wahr, die ihnen zu viele Cover-Versionen spielten. Dem letzteren Dictators NYC European Tour 2014Argument kann ich mich durchaus anschließen, denn statt der vielen Covers hätte ich lieber noch ein paar andere DICTATORS-Klassiker wie „Search & Destroy“ oder „Burn, Baby, Burn!!“ gehört.

Dennoch, allein Dick und Ross auf der Bühne zu erleben und die alten Songs zu hören, war ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Nach dem Gig unterhielt ich mich mit Dick und fragte ihn, ob die Tour eine einmalige Sache sei oder ob die Chance besteht, dass die New Yorker im nächsten Jahr wiederkommen. Der 60-Jährige äußerte sich durchaus positiv und ließ verlauten, dass die jetzige Tour nur ein Test gewesen sei, um festzustellen, ob die Band vor 50 oder 500 Zuschauern spielen würde. Und wenn alle 16 Konzerte so gut besucht und nahezu ausverkauft sein würden wie die ersten drei (Rotterdam, Hamburg und Köln), dann würde außer Frage stehen, dass uns die DICTATORS noch einmal beehren. In diesem Sinne: „Baby, let’s twist“!

Links: http://thedictatorsnyc.com/, http://www.thedictators.com/, http://www.lastfm.de/music/The+Dictators

Text & Fotos: Marcus

Alle Bilder:

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