DORNENREICH, AETHERNAEUM, VELNIAS

Nachtleben, Frankfurt, 21.03.2016

DornenreichMan kann in den Wald gehen, so wie ich es einst tat: Nach dem Besuch der Großeltern ein wenig Sahnetorte verdauen im breitgetretenen Forst – „spazieren gehen“. Dabei allen völlig fremden Dorfbewohnern wissend zunicken oder sogar grüßen. Obwohl man sie nicht kennt und nie wieder sehen wird. Aber das macht der Wald mit einem, wenn man ihn so betritt. Schnarch. Oder man kann sich als Teil von ihm fühlen, wenn man mit/in ihm aufwächst. Die Wege betreten, die von Sonntagsausflüglern gar nicht erst wahrgenommen werden. Die Alternative leben zum getakteten „Sein“ und zum Funktionieren-Müssen in der Großstadt. Durchaus respektabel. Heißt in meiner Welt aber auch: Schnarch.

VelniasNun ist „Wald“ sicherlich nicht das Einzige, was einem zu den drei gestern gemeinsam im Frankfurter Nachtleben auftretenden Bands einfallen kann, aber es ist durchaus etwas, was sie verbindet. Und was sie auf vollkommen unterschiedliche Art und Weise künstlerisch verarbeiten.

Velnias

Auftritt VELNIAS. Die US-Amerikaner lieben das Mysterium, über sie ist kaum etwas im Netz zu finden. Der Kraftprotz in der Mitte der Bühne nennt sich P.J.V.. Der Schlagzeuger, das weitere konstante Mitglied, kürzt sich A.J.S. ab, was wohl für Andrew J. Scherer steht. Der Bassist nennt Velniassich A.A.W. Und wer der agile Gitarrist vor mir war? Keine Ahnung. Die großen Unbekannten auf dieser Tour entzückten mich aber immens – ihr Waldmetal, dem man in der Fachpresse gern den Begriff „Cascadian Metal“ verleiht, hebt sich komplett vom sonst oft üblichen Riffgekloppe ab und erzeugt einen majestätischen, dynamischen Sog, der Songs über zehn Minuten kein Stück langweilig werden lässt und dem Postrock ebenso frönt wie der Spiritualität solcher Kollegen wie WOLVE SERPENT. Ganz große Klasse, in meinen Ohren. Führte nach dem Ende des Abends dazu, dass ich alle Tonträger erwarb und zu Hause exzessiv höre – auf Bandcamp könnt ihr das mit einem Album auch tun.

Die meisten Anwesenden waren jedoch nicht wegen VELNIAS da, schon klar. Sondern wegen der deutschsprachigen Waldfreunde. Wegen 20 Jahre DORNENREICH. Und außerdem wegen der Band um Alexander Paul Blake, Aethernaeumdie als nächstes die Bühne enterte. Dieser steht EDEN WEINT IM GRAB VOR, einer Combo, die gestern Follower auch aus weiter entfernten Orten wie z. B. Koblenz mobilisierte und dessen Soloschaffen inzwischen zu einer waschechten Zweitband herangewachsen ist, die er AETHERNAEUM nennt. Ein Fantasie-Begriff – eine Synthese aus Äther und „Athenäum“, einer Literatur-Zeitung aus der Romantik.

AethernaeumAch, die Romantik. Nicht meine Baustelle. Unbestritten steht bei Herrn Blake ein naturmystisches Gedankenkonstrukt im Vordergrund, das ich nicht verstehe und auch nicht verstehen will. Es interessiert mich nicht genug, um mich darin

Aethernaeum

einzuarbeiten – und das dazugehörende Hören der Tonträger seiner Haupt- wie Zweitband stachelt ein solches Interesse auch nicht an. Schnarch, in meiner Welt. Wahrscheinlich war ich aber der Einzige, dem das so ging: Blake verzückte den Rest der Anwesenden mit Geschichten über „die Waldschamanin“, seine AethernaeumMitstreiter an den Gitarren knallten ein paar Einheiten raus, die das Ganze sogar für mich erträglicher machten als das Hören am Rechner. Und das reisefreundliche, weil sehr leichte elektrische Cello war schlichtweg großartig. Aber für Streicher habe ich eben sowieso ein Faible, was auch ein bisschen mit DORNENREICH zu tun hat – und wegen diesen waren die meisten ja da.

Bis sie jedoch auf der Bühne standen, wisperte :OF THE WAND AND THE MOON: aus der Konserve; eine Neo-Folktruppe, mit der DORNENREICH bereits auf Tour war und die ebenso wie der Headliner gestern mit zumeist sanftem Vortrag begeistern.

Eine Jubiläumstour schreit nach einer Best of-Setlist aus den kompletten 20 Jahren. Songs, die ich bisher kaum live gehört habe, da ich die Band erst mit ihrem reinen Akustik-Album „In Luft geritzt“ (2008) kennenlernte. Vorher gab Dornenreiches ebenfalls beeindruckende Veröffentlichungen, die das Black Metal-Universum erweiterten nicht nur durch die Hinzunahme der zu dieser Zeit ubiquitär auftauchenden Folk-Instrumente, sondern durch wahnwitzige Kompositionen, in denen man auch Spuren wahrnehmen kann von COCO ROSIE und von TYPE O NEGATIVE, von Postrock sowie dezenten Flamencotupfern.

DORNENREICH waren musikalisch sehr schnell sehr weit – auch wenn Sänger, Gitarrist und Mastermind Jochen „Eviga“ Stock in der sehr lesenswerten, dreiteiligen Rückschau bei Metal.de (hier) extrem kritisch mit seinem „Sein“ der letzten beiden Dekaden umgeht, so bleibt zu konstatieren, dass DORNENREICH DornenreichInnovatoren sind, die auf jedem Black– oder Folk- Metalfestival zutiefst eigenständig herausragen.

Dornenreich

Verstehe ich die Gedankenwelt hinter den, meist geflüsterten Ausführungen Evigas? Nö, nicht die Bohne. Als stimmliches Instrument fasziniert das Gewisper jedoch unendlich, vor allem (meiner Meinung nach) im akustischen Doppel mit Violinist Thomas „Ínve“ Riesner. Das Publikum im Nachtleben ertrug die akustischen Stücke nicht immer so respektvoll wie bei der gestrigen Show: Auf der 2009er-Tour mit AGRYPNIE zum Beispiel wurde rumgequasselt und –geschrien bei den ruhigen Nummern. Diesmal zum Glück Dornenreichnicht. Mit vier akustischen Stücken war das aber auch für die Old-School-Fans hinnehmbar.

Diese freuten sich später einen Wolf, als, analog zu seinem Stelldichein ein paar Tage vorher bei SECRETS OF THE MOON in Wiesbaden, AGRYPNIE-Boss Torsten „der Unhold“ Hirsch (Foto unten) kurz vorbei schaute, den Dornenreich mit Torsten „der Unhold“ HirschHC-Shouter gab und mit seiner heftigst rotierenden Rübe für die ersehnte Frischluftzufuhr arbeitete. Nach „Wolfpuls“ war offiziell Schluss; Eviga überließ es dem Auditorium, durch Lärm eine Mehrbeschallung zu verdienen. Kam dann mit „Erst Deine Träne löscht den Brand“ (2011) und dem Rausschmeißer „Trauerbrandung“ (2001). Saugeil. Vielleicht ist eine Inspiration durch Wälder doch nicht so „schnarch“.

Links: https://www.facebook.com/VelniasCult, http://velnias.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Velnias, http://www.aethernaeum.de/, https://www.facebook.com/AethernaeumOfficial, http://www.last.fm/de/music/Aethernaeum, http://www.flammentriebe.com/, https://www.facebook.com/Dornenreich.official/, https://myspace.com/mehralsdasein, http://www.last.fm/de/music/Dornenreich

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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