Zoom, Frankfurt, 23.08.2016
„I‘m not Gary!“ Der, der das etwas genervt von sich gibt, heißt Jack Gibson, spielt Bass bei EXODUS, hat gerade vor dem Tourbus tonnenweise Tonträger signiert und ist von den Kretins, die dazustoßen und ihn anquatschen, wenig erbaut: „Schaut gefälligst auf dem Plattencover, welcher Name da unterm Bild steht!“. Witzig. Als hätte man sich nach 1990, also nach den ersten drei Scheiben von EXODUS, nochmal welche gekauft. Wozu denn auch? Die glücklichen Plattensammler, die später einen Sack voll Autogramme auf ihren Vinylschätzen nach Hause tragen, sehen das wohl anders – und ohne sie, die fleißigen Sammler, wäre die Band heute vielleicht gar nicht hier. Nur folgerichtig, dass die Musiker da den Bus zum Signieren verlassen. Aber ob sie (die Sammler) die gekauften Alben auch gehört haben? Bei der Setlist, die einem dann im Verlauf des Abends um die Ohren geknallt wird, ist das Nebensache.
„Gary“ ist ja ziemlich beschäftigt heutzutage, deswegen war das Anquatschen eher ein Ausdruck der Hoffnung als wirkliches Erkennen. Gary Holt spielt fast seit der Gründung von und bei EXODUS die Gitarre – vor ihm haben nur der immer noch dazu gehörende Tom Hunting am Schlagzeug und dieser Gitarrist, der nur kurz dabei war, Kirk Hammett heißt und bereits 1983 zu dieser anderen Band stieß (deren Namen mir gerade nicht einfällt) zur Gründungsclique gehört. Gary spielt heuer auch bei SLAYER und ersetzt da den unlängst dahingeschiedenen Jeff Hanneman. Traumjob, oder? SLAYER!!! Fette Hallen, fetter Metal, fette Gagen. EXODUS können dagegen nicht anstinken, weswegen Gary Holt auch diesmal nicht mit ihnen auf dem Podest steht, sondern Kragen Lum. Gitarrist bei HEATHEN. So wie der andere Axtschwinger bei der Show im Frankfurter Zoom, Lee Altus. Der gehört neben HEATHEN aber schon seit geraumer Zeit zum EXODUS-Line-Up, weswegen man ihn nicht stundenlang im Netz suchen muss. Lum schon. Die wenigsten im Saal wussten wohl, wie der Mann im BLACK FLAG-Shirt heißt. Die meisten dachten sowieso, Gary Holt stünde auf der Bühne.
SLAYER verkaufen die Jahrhunderthalle aus und EXODUS spielen in den Clubs – auf der laufenden Tour schon das zweite Mal in Rhein/Main nach einem Auftritt im Aschaffenburger Colos-Saal vor ein paar Wochen. Alle dort Anwesenden waren hin und weg ob der Old School-Setlist und kamen nach Möglichkeit nun wieder. Dabei ist die nicht der Hauptgrund, warum dieses Konzert (Achtung: Spoiler!) extrem geil war. Ein bisschen, aber die Sache ist komplizierter.
EXODUS gründeten sich 1979 (!) und veröffentlichten 1982 ihr erstes Demo. Diese andere Band, zu der Kirk Hammett abwanderte, tat dies 1981 und 1982. METALLICAs Debütalbum erschien jedoch 1983, das von EXODUS erst 1985. Also, wer hat’s erfunden? Schwierig. Beide Debütscheiben sind Kult. METALLICA veränderten sich später, erst zum Vor-, dann zum Nachteil. EXODUS veränderten sich kaum, was auch schon wieder irgendwie nachteilig ist, streng genommen. Hört man aber eine aktuelle EXODUS-Scheibe, dann knallt die vom Feinsten. Old School-mäßig. Hört man was halbwegs Aktuelles von METALLICA, dann hört man erstmal nix. Und in den Jahren zuvor ziemlichen Bockmist.
Wenn EXODUS also auf dieser, „Blood In, Blood Out“ benannten Tour (das gleichnamige Album hat auch schon zwei Jahre auf dem Buckel) nach elf Studioalben hauptsächlich Songs vom Debüt spielen, so ist das schon ein wenig kurios – vor allem wenn man bedenkt, dass Frontmann Steve „Zetro“ Souza (rechts), der mit Unterbrechungen auch schon seit 1986 dabei ist, den Erstling „Bonded By Blood“ gar nicht einsang. Auch die HEATHEN–Fraktion stieß erst weit später zur Band. Nur Drummer Hunting und der abwesende Holt zockten auf diesem Klassiker, von dem ganze sechs Stücke gespielt wurden. Von 15. Souza gab seinen Einstand mit dem Follower „Pleasures of the Flesh“ (1987), von dem „Deranged“ gegeben wurde (Clip dazu weiter unten). Ein bisschen was Neues kam auch, mindestens zwei Stücke vom aktuellen Werk. Aber das will ja keiner hören, auch wenn „Blood In, Blood Out“ ein echt gutes Album geworden ist. Aber eben eines, dass so Old School klingt, dass man es nicht braucht, wenn man die ersten drei Platten hat. Kann man ja auch streamen, wenn man mag.
Obwohl die Band rund 90 Minuten auf der Bühne tobte (zum Vergleich: OBITUARY schafften an gleicher Stelle noch nicht mal eine Stunde), massig alten Kram spielte und im Pit ständig die Hölle los war, kann man aber auch etwas unzufrieden sein mit dem Verlauf des Auftritts – vor allem, wenn man die Formation vorher in Aschaffenburg gesehen hat: Dort spielten EXODUS nämlich noch „Metal Command“ vom Debüt, in Frankfurt nicht. Das ist ein herbes Versäumnis – den ganzen Abend so gebrutzelt zu werden und dann auf diesen Song zu verzichten, kommt einer Folter gleich. Big Fail. Woran es gelegen haben mag: Keine Ahnung. Aber den Jungs waren die Strapazen der letzten Wochen anzumerken. Lee Altus sah man an, dass er durch war . Thrashmetal strengt an, wenn er korrekt gespielt wird, und die Temperaturen auf und vor dem Podest waren fast tropisch.
Dass vor EXODUS mit ACCU§ER ein weitere Thrashband mit Geschichte 45 Minuten aufspielte (die Combo existiert auch schon seit über 30 Jahren), war darüber hinaus ein Highlight mehr für den geneigten Besucher. Auch ACCU§ER machten keine Gefangenen und überzeugten komplett, zumindest im Pit. Ich hatte die Band vorher nie auf dem Schirm und bin auch nicht als Fan nach Hause gegangen, sehe aber trotzdem die reife Leistung der Akteure, die reputationsmäßig immer ein wenig hinter den großen Drei des Teutonenthrash (KREATOR, SODOM, TANKARD) hinterher hinkten. Immerhin spielte eine interessante Vorband – bei OBITUARY musste man leider darauf verzichten.
Alles in allem also ein vergnüglicher Metalabend im sommerlichen Zoom, welches jetzt echt mal anfangen sollte, neben der Grünflaschenplörre weitere Gerstensäfte anzubieten – ging im Vorläufer-Club Sinkkasten doch auch und würde den armen Bediensteten an den Theken eine Menge Diskussionen ersparen. EXODUS verabschiedeten sich dagegen mit der Ankündigung einer weiteren Europatour in diesem Jahr, die sie aber leider nicht nach Rhein/Main führen wird. Als Gäste und Co-Headliner dabei: PRONG und OBITUARY. Ist dann ja nicht so schlimm, wenn die nicht so lange durchhalten.
Links: http://exodusattack.com/, https://www.facebook.com/exodusattack, https://www.reverbnation.com/exodus, http://www.last.fm/de/music/Exodus, https://accuser.de/, https://www.facebook.com/accuser2008, http://www.last.fm/de/music/Accuser
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder:
Liebe Leser,
leider handelt mein allererster Konzertkommentar von einem tieftraurigen Abend.
Ich werde mich nicht lange mit der Vorgruppe befassen, da es zu Letzterer rein gar nichts zu sagen gibt. Vollkommen wirrer“Thrashmetal“, ähnlich wie Frankenstein´s Monster aus alten, vergammelten Bestandteilen grobschlächtig und lieblos zusammen gehämmert. Der Auftritt war genauso völlig überflüssig, wie die finale „Dexter“ Staffel.
Kommen wir also gleich zu den Urvätern des „Speedmetal“.
In den 80-ern spielten „Helloween“ mal in einem abgelegenen Dorf in einer scheußlichen Sporthalle. Kurz nach Beginn musste die Veranstaltung für eine knappe Stunde unterbrochen werden, da die komplette Anlage ausfiel. Im Jahre 2016 kann ich keinerlei Verständnis für den miserablen Sound aufbringen, welcher dem zahlenden Publikum zugemutet wurde. Der Gesang war streckenweise gar nicht zu hören, weil das Mikrofon defekt war. Einen funktionstüchtigen Ersatz gab es offenbar nicht.
An dieser Stelle scheint ein kurzer Ausflug in die Welt der Psychologie notwendig. Es war, ist und wird wohl immer so sein: Geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung, ganz gleich wohin, wird man in der Regel enttäuscht. Gleichwohl war die Vorfreude im vorliegenden Fall kaum zu bändigen, legte die Band doch im Rahmen derselben Tournee kurz zuvor einen brillanten Gig in Aschaffenburg hin!
Es waren ja auch nicht bloß die bereits erwähnten technischen Probleme, welche einem den Spaß vermiesten. Die Vorstellung der Bandmitglieder ist grundsätzlich in Ordnung. Ausführliche Informationen über die Frau am Verkaufsstand jedoch brauchte ich jedenfalls ebenso wenig, wie die über den Versager am Mischpult. Und was, bitte schön, brachte den Schlagzeuger dazu, eine gleichermaßen lächerliche wie peinliche Ansprache zu halten, gespickt mit idiotischen Weisheiten für Minderjährige, wie „we love what we do“ etwa? Der Sinn des Ganzen erschloss sich mir in keiner Weise.
Das unerträglich sinnlose, sich immer wiederholende Gelaber führte letztendlich dazu, dass drei (!) Songs (darunter Kracher wie “ Metal Command“) weniger als in Aschaffenburg gespielt wurden. Der letzte Gig einer Tournee muss nicht zwangsläufig schlechter sein als die anderen zuvor.“ Death Angel“ bewiesen dies kürzlich eindrucksvoll. Ach ja, die Klimaanlage im „Zoom“ passte sich dem allgemeinen Niveau an. In dem Raum war es heiß und stickig. Zudem roch es, als habe jemand bereits zuvor durchgeschwitzte Klamotten angezogen und den alten Schweiß mit dem frischen vermengt…
Erwähnte ich bereits, dass die Herrentoilette überschwemmt war?
Ich sollte jetzt wohl besser aufhören, sonst stellt sich unweigerlich die ewige, kaum zu beantwortende Frage: Ist das alles Rock`n`Roll oder einfach nur lieblos hingerotzter Kommerz?
Alles Gute, liebe Leser!
Euer E.H.
Wow, da ist aber jemand gut drauf 😉
Das sieht mir alles eher nach tiefsitzenden, persönlichen Problemen als nach ehrlich gemeinter Kritik aus. Stress auf der Arbeit oder Zuhause? Schnell mal einen Kurzroman verfassen, indem man restlos alles und jeden verreißt und rumjammert, um sich abzureagieren.
Ich wünsche alles Gute und viel Erfolg bei der Lösung der eigenen Probleme, aber kann von der „Kritik“ leider kein Wort ernstnehmen 🙂