Das Bett, Frankfurt, 17.07.2015
Es gab genau drei gute Gründe, sich am gestrigen Abend in den gemütlichen Club „Das Bett“ zu begeben. Erstens wurde im Vorgarten der Halle gegrillt, zweitens hatten die COPY CATS einen ihrer leider immer seltener werdenden Auftritte angekündigt und last but not least machten die Garage-Rocker THE FLESHTONES Station im Frankfurter Gallus-Viertel. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mich eigentlich die ersten beiden Programm-Punkte nach ebendort lockten, denn mit den FLESHTONES hatte ich mich bisher wenig bis gar nicht beschäftigt. Anders als viele der Anwesenden, die mir bereits im Vorfeld begeistert vom legendären Gig der Band Ende der Achtziger Jahre im Frankfurter Cooky’s berichteten.
Meine bis dato einzige Berührung mit den FLESHTONES fand zwar ebenfalls in den Achtzigern statt, allerdings in anderer Form. Es war der Trash-Flick „I Was a Teenage Zombie“, der mich auf die New Yorker aufmerksam werden ließ, für den die Jungs das Titellied beigesteuert hatten. „Cooler Song“, dachte ich damals, verlor die Combo aber wieder aus den Augen. Doch wer bereits seit knapp 40 Jahren (THE FLESHTONES gründeten sich 1976) Teil des Rock’n’Roll-Zirkus ist, schon über 20 Alben veröffentlicht hat und noch immer durch die Welt tourt, an dem muss schon etwas dran sein. Was genau die Magie der Amerikaner ausmacht, sollte ich an diesem Abend erfahren.
Los ging’s aber zunächst mal mit den COPY CATS, die auch immerhin schon ein knappes Vierteljahrhundert auf dem Buckel haben, ein Garant für gute Live-Auftritte sind und sich im Lauf der Jahre von einer reiner Cover-Band zur stilechten 77-Punk-Combo entwickelt haben. Die Rahmenbedingungen für die gestrige Show waren allerdings nicht die besten. Tagsüber hatte das Thermometer die 35 Grad überschritten und zum Konzert-Beginn gegen 22 Uhr dürften es noch immer knapp 30 Grad gewesen sein, sodass die gefühlte Temperatur in der Halle sich jenseits der 40 bewegte. Da kann’s schon mal passieren, dass man binnen kürzester Zeit vier große Äppler abkippt und sich fragt, warum man noch immer Durst hat.
Im Zuschauer- Raum war das Ganze noch einigermaßen erträglich, auf der Bühne jedoch dürften sich die Musiker wie im Vorhof der Hölle gefühlt haben. Der Stimmung, die die Frankfurter um Sängerin Silke verbreiteten, tat dies jedoch keinen Abbruch. Die COPY CATS lieferten einen kompletten Set, der eine Mischung eigener Klassiker wie „Sex, School, Homework“, „Living in a Pumpkin“ und „C.O.P.Y.C.A.T.S.“ sowie bekannten Cover-Songs wie „Nice Boys“ (ROSE TATTOO), „Emergency“ (GIRLSCHOOL), „Car Crash“ (AVENGERS) und „Vampirella“, das im Original von den Kollegen der COCKS IN STAINED SATIN stammt, bot. All dies war 77-Punk-Rock at it’s best, mit einer Frontfrau, die diese Bezeichnung zu Recht trägt. Trotz der hohen Temperaturen war Silke ständig in Bewegung und scheute auch den Ausflug ins Publikum nicht. Chapeau.
Nach dem Gig war erst mal Abkühlung im Freien angesagt, sofern man davon überhaupt sprechen konnte. Mir taten bereits jetzt die „alten Herren“ leid, die da gleich die Bühne betreten würden. Denn wenn man davon ausgeht, dass die noch immer aktiven Gründungsmitglieder Keith Streng (Gitarre) und Peter Zaremba (Gesang und Orgel) im Jahr 1976 etwa 20 waren, dann dürften sie inzwischen 60 oder gar älter sein. Diesen Eindruck machten sie beim Betreten des Podests aber nicht. Gut, Zarembas Haar ist mittlerweile ergraut, aber darüber hinaus standen da Männer auf der Bühne, die agiler, spielfreudiger und motivierter waren als manch junger Act, den ich erlebt habe.
Die Show begann mit einem Gag, denn kurz nachdem die Musiker ihre Positionen eingenommen und den ersten Ton angestimmt hatten, ging’s auch schon wieder runter von der Bühne, allerdings nicht in Richtung Backstage- Raum, sondern in Richtung Ausgang, samt Gitarre und Bass. Draußen standen nämlich noch Besucher, denen vermutlich entgangen war, dass der Gig begonnen hatte und so marschierte das Quartett im Stile von Zirkus-Artisten ins Freie, um die Leute reinzuholen. Es blieb nicht der einzige Ausflug in Gefilde abseits der Bühne…
Musikalisch würde ich die FLESHTONES als den Missing-Link zwischen den B52s und den CRAMPS bezeichnen. Die Musik ist stark Beat-orientiert, hat ihre Wurzeln sicherlich in den Sechziger Jahren, gelegentlich sind aber auch Klänge von 70s-Punk, 80s-Wave, Surf und Rockabilly zu vernehmen. Das Ganze präsentiert sich partytauglich und bedient eher die leichte Muße als die finsteren musikalischen Gefilde. Analog zur bunten Klangmixtur zeigten sich auch die einzelnen Mitglieder recht farbenfroh, was ungewöhnlich für Herren ihres Alters ist. Wo andere Musiker, die sich jenseits der 60 bewegen, eher dunkle Outfits und gesetzte Töne bevorzugen, präsentieren sich die FLESHTONES als farbenprächtige Kanarienvögel in knalligen Hemden und glitzernden Schuhen.
Doch auch ohne die Outfits hätte man nicht den Eindruck gehabt, dass hier alte Herren musizieren. Sänger, Gitarrist und Bassist waren ständig in Aktion, lieferten teilweise synchrone Posen, die oftmals aus hohen Kicks in Richtung Publikum bestanden, boten skurille Tanzfiguren dar und lieferten Pirouetten und Dance-Moves, die an 70s-Disco-Acts erinnerten. Und so würde es mich nicht wundern, wenn die Jungs nicht nur enge Freunde von Regisseur John Waters wären, sondern auch die Stonewall-Riots als Zeitzeugen und vielleicht sogar Aktive miterlebt hätten. Zeitlich käme das hin.
Tatsächlich habe ich bis dato wenige Acts gesehen, die eine derartige Spielfreude und Wildheit vermittelt haben. Bestenfalls die CRAMPS würden mir spontan als Vergleich einfallen. All dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die FLESHTONES zwar bereits knapp 40 Jahre existieren, ihnen der große Erfolg aber stets verwehrt blieb. Soll heißen, sie touren nicht aus finanziellem Interesse, sondern einzig und allein, weil sie es lieben, auf der Bühne zu stehen und Rock’n’Roll zu spielen. Die Art und Weise wie sie dies tun, ist bewundernswert und verdient Respekt. Und selbst wenn ich mich mit der Musik der Amerikaner auf den Alben nur bedingt anfreunden kann, sind die Jungs live eine der besten Bands, die ich je erleben durfte und stellen daher für mich den bisherigen Konzert-Höhepunkt des Jahres dar.
Präsentiert wurden Songs wie „Bigger and Better“, „Pretty, Pretty, Pretty“, „Let’s Get Serious“, „Hitsville USA“, „We Remember the Ramones“, „Screaming Skull“ und „I’m Not a Sissy Anymore“ – um nur einige zu nennen. Wie ich erfuhr, spielen die FLESHTONES ohnehin jeden Abend einen anderen Set, dessen Songs oftmals spontan während des Gigs gewählt werden. Doch nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne war eine Party im Gange: Das Gros der schätzungsweise 90 Besucher grölte die Lieder textsicher mit, tanzte ab und imitierte nach Aufforderung der Musiker deren Moves auf der Bühne. Und das war schon ein skurriles Erlebnis, als plötzlich alle Gäste vor, neben und hinter mir begannen, sich wie Brummkreisel um die eigene Achse zu drehen. FLESHTONES-Fans dürften die Live-Qualitäten der New Yorker ohnehin bekannt sein, allen anderen, die Rock’n’Roll, Punk, Surf und Garage zu ihren Lieblingsgenres zählen, sei diese fantastische Combo wärmstens ans Herz gelegt.
Links: http://www.copycatsfrankfurt.de/main.html, https://www.facebook.com/pages/The-Fleshtones-Official/, https://myspace.com/fleshtones, https://www.reverbnation.com/thefleshtones, http://www.lastfm.de/music/The+Fleshtones
Text: Marcus / Fotos & Clips: Micha
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