Fotoperlen von einst – Folge #3

Frankfurt, August 2017

Die Krupps 1992Die treuen Leser/innen unter Euch wissen, dass wir in unregelmäßigen Abständen unsere beliebte Reihe „Fotoperlen von einst“ fortsetzen, zuletzt war dies im August 2015 und davor im August 2013 der Fall. Und immer dann, wenn unser Fotograf Micha seine Archivbestände durchsieht, neues (oder besser gesagt: sehr altes) Material digitalisieren lässt, schreibt er zu den ausgewählten Bildern (links: Jürgen Engler von DIE KRUPPS, 1992) die Linernotes, die einen Einblick geben in die Zeit damals. Alle Bilder dieser dritten Folge der „Fotoperlen“ entstanden zwischen 1986 und 1993. Lasst Euch also wieder einladen auf eine Reise in die analoge Schwarz/Weiß-Konzertfotografie und besucht, so noch nicht geschehen, auch die Teile 1 (hier) und 2 (hier) dieser Reihe. Viel Spaß!

Alle Fotos lassen sich wie immer durch Anklicken vergrößern!

Was ist Rock? Was ist Jazz? Was Avantgarde? Und was überdauert die Zeit, und was wird verschluckt? Die folgenden Aufnahmen von Musikern sind alle mindestens 24 Jahre alt – einige der Protagonisten sind noch unterwegs, andere (fast) vergessen. Für großartige musikalische Momente sorgten sie alle. Und für ein gehöriges Maß an Horizonterweiterung.

 

Ronald Shannon Jackson – Jazzfest, Hofheim – 22.03.1987
Sonny Sharrock – Jazzfest, Hofheim – 22.03.1987

Anfang der Achtziger Jahre fing ich an auf Konzerte zu gehen und Musik live zu erleben, Mitte der Achtziger war ich in meinem jugendlichen Leichtsinn schon wieder leicht gelangweilt vom eben entdeckten und fand den Jazz. Den krachigen, freien, lärmenden. Keinen Dixieland. Mit einer Begleitung besuchte Ronald Shannon Jacksonich das dienstälteste Jazzfestival in Deutschland, welches seit 1953 fast jährlich in Frankfurt stattfindet, erstmals 1986. Wegen Bill Laswell. Der Bassist, Freigeist und Produzent (u. a. von MOTÖRHEAD) gastierte mit drei mir damals noch völlig fremden Mitstreitern am Ende des ersten Tages und spielte die Kongresshalle (RIP) halb leer. „Das ist ja Metal“ meinte meine empörte Sonny SharrockBegleitung und verließ mich – und sie hatte damit auch fast recht. Was Ronald Shannon Jackson (oben, mit seiner DECODING SOCIETY 1987 auf dem Hofheimer Jazzfest) am Schlagzeug, Peter Brötzmann am Saxophon und Sonny Sharrock an der Gitarre (links, ebenfalls Hofheim 1987) an freiem, grenzüberschreitendem und heftigem Zusammenspiel offenbarten, war grandios und viel derber als der Metal, der mir zu dieser Zeit bekannt war. Gerade der New Yorker Sharrock spielte öfter in der Gegend, zum Beispiel in der Batschkapp, war immer sehr nahbar und für andere Gitarristen einflussreich. Leider lebt er nicht mehr, ebenso wenig wie Shannon Jackson. Brötzmann dagegen ist putzmunter und immer noch jeden Konzertbesuch wert.

 

John ZornJohn Zorn

21. Deutsches Jazzfestival, Frankfurt – 11.03.1988

Überhaupt, New York: Stadt der Grenzgänger. Im Umkreis der dortigen Knitting Factory entwickelten sich Künstler, die, im Gegensatz zu vielen Hörern, keine Probleme hatten, ihre Szene zu verlassen und mit Kollegen aus anderen Bereichen zu musizieren. Einer der fleißigsten ist John Zorn (rechts, am 11. März 1988 in Frankfurt). Spielte mit Bill Laswell und dem ehemaligen NAPALM DEATH-Drummer Mick Harris bei PAINKILLER.

 

ScornSCORN

Negativ, Frankfurt – 18.10.1992

Harris (links) wiederum entdeckte neben dem Krach auch den Dub für sich, spielte mit SCORN im Negativ am 18. Oktober 1992 ein zum Glück davon noch unbeeindrucktes Set, bei dem mit dem Gitarristen Justin Broadrick (unten, GODFLESH, JESU) und Sänger Nic Bullen das Line-Up der ersten Seite des ersten NAPALM DEATH-Albums komplett versammelt war. Legenden- Alarm, wie so oft im Negativ.

Scorn

 

DIE KRUPPS – Negativ, Frankfurt – 1.09.1992

In diesem schmerzlich vermissten Club in Sachsenhausen, der vor vielen Jahren einem Matratzenladen weichen musste, gaben sich die Undergroundgrößen verschiedenster Genres die Klinke in die Hand. Auch deutsche: Als Jürgen Die KruppsEngler auf KRUPPS-Art METALLICA huldigte fing der Crossover langsam an sich auch kommerziell durchzusetzen – MINISTRY und FRONTLINE ASSEMBLY packten die Gitarren aus, für DIE KRUPPS tat das der Gitarrist von ACCU§ER. Hier bei einem großartigen Gig am 1. September 1992, von dem Engler selber wenig begeistert war, zu viel Platz war noch im Club. Das sollte sich auf den späteren Touren ändern.

 

EXHORDER – Negativ, Frankfurt – 8.09.1992

ExhorderEine Woche später, am 8. September 1992, selber Ort: Mit EXHORDER präsentierte sich eine der derbsten und brutalsten Thrash-Metal-Bands der Staaten, bei der nie ganz geklärt werden konnte, ob sie PANTERA maßgeblich beeinflussten oder umgekehrt. Der Pit war die Hölle, im Interview outeten sich die Jungs um den jetzigen TROUBLE-Sänger Kyle Thomas als ziemlich reaktionäre Gestalten, für deren Sozialverhalten sich der Drummer in Grund und Boden schämte. Trommelte dann auch nicht mehr lang da, der Mann.

 

ItchITCH

Negativ, Frankfurt – 20.06.1993

Googelt man heute nach ITCH findet man sonstwen, aber nicht unbedingt die „Piano-Punk“- Band um Mark Critchley (links) aus dem Umfeld von NO MEANS NO. Großartige Combo, tolles Album, Granatenkonzert am 20. Juni 1993 im Negativ. Heute leider vergessen.

 

 

 

 

Last CrackLAST CRACK

Batschkapp, Frankfurt – 26.08.1991

Ebenso wie die derbst gehypten und gnadenlos untergegangenen LAST CRACK mit Sänger Buddo (rechts) beim Auftritt in der sehr, sehr leeren Batschkapp am 26. August 1991. Prog-Metal war das mit allerhöchstem Anspruch – nicht schlecht, aber nicht halb so gut wie von der Plattenfirma angepriesen. Mit SCAT OPERA im Vorprogramm jedoch mit einer Crossover-Ikone unterwegs, die heute leider zu Unrecht auch vergessen ist.

 

xxELLIOTT SHARPS CARBON

Batschkapp, Frankfurt – 19.05.1992

Der Klarinettist, Gitarrist und Sänger Elliott Sharp ist auch so einer aus dem Knitting Factory-Umfeld in New York, der in vielen Besetzungen oft in der alten Batschkapp auftrat und auch mal die Bühne mit CARCASS teilen sollte, zumindest nach dem Willen des Mitveranstalters und heutigen Autoren, Musikers und Journalisten Dietmar Dath. Doch die „Spielhölle – Ästhetik und Gewalt“ im November 1992 blieb leider metallos. Am 19. Mai 1992 spielten ELLIOTT SHARPS CARBON auch schon als Headliner in der ‚Kapp – mit dabei die großartige Harfenistin Zeena Parkins (oben), die später zwei Tourneen mit Björk bestritt.

 

MIRACLE WORKERS – Batschkapp, Frankfurt – 26.08.1991

Mit ihrer Verehrung für Garagen Rock und einem Sound, der sie heute zu einer Stoner Rock-Legende machen würde, brannten die MIRACLE WORKERS aus Miracle WorkersPortland um Sänger und Harmonika-Spieler Gerry Mohr (links) am 26. August 1991 in der Batschkapp alles ab. Unfassbar gut, auch die Platten, aber live eben noch mal eine ganze Schippe mehr. Mohr und Bassist Robert Butler leben heute in der Schweiz und musizieren laut Wikipedia dort auch noch, Butler betreibt dort mit dem Reverend Beat-Man einen Laden.

 

2 BadTHE FREEZE & 2 BAD

Labyrinth, Würzburg – 2.10.1991

Als am 2. Oktober 1991 THE FREEZE und die STRAW DOGS als „Boston Hardcore Attack“ durch die Lande zogen, beäugte ich mit zwei Kumpels und Kollegen das Ganze im Labyrinth in Würzburg – ein Kellerloch mit interessanter Architektur, welches immer noch existiert. Eröffnen durften 2 BAD um damals noch (und jetzt wieder) SPERMBIRD Lee Hollis (rechts). Die Boston- Bands machten Lust auf einen The FreezeThe FreezeNachschlag in der Frankfurter Au. Auf dieser Tour schafften THE FREEZE (oben & links) das leider wegen eines kaputten Fahrzeugs nicht, den Auftritt in der Au haben sie in der Zwischenzeit jedoch mehrmals nachgeholt.

 

 

 

 

 

 

 

NICK CAVE & THE BAD SEEDS – Batschkapp, Frankfurt – 27.09.1986

Nick Cave and the Bad SeedsAls ich NICK CAVE & THE BAD SEEDS, damals noch mit Mick Harvey und Blixa Bargeld an den Gitarren, am 27. September 1986 das erste Mal in der Frankfurter Fan bei Konzert von Nick CaveBatschkapp sah, war ich angefixt fürs Leben. Krachig, frei und lärmend auch das, aber dabei fest verankert im Blues. Eine Formation voller Grenzgänger, die alle in anderen Formationen ebenso überzeug(t)en. Der das Cave-Konzert besuchende Neubauten-Fan (oben) beim Feinschliff wusste damals schon Bescheid.

 

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN – Volksbildungsheim, Frankfurt – 15.09.1989

Einstürzende NeubautenAm 15. September 1989 spielten diese das zweite Mal im Frankfurter Volksbildungsheim. Mit N.U.Unruh und FM Einheit waren zwei Schlagwerker dabei, vor denen kaum ein Alltagsgegenstand sicher schien, um Rhythmus zu Einstürzende Neubautenfabrizieren. Eine der besten Live- Bands der Achtziger und Neunziger, die ich inzwischen komplett aus dem Auge verloren habe, weil ich Theater seltener frequentiere als Rock- und Jazzclubs. Nick Cave dagegen verkauft mit seinen aktuellen, auch großartigen Mitstreitern die Jahrhunderthalle aus. Verdient. Schön, dass sich Grenzenlosigkeit manchmal auch auszahlen kann.

Alle Fotos & Linernotes: Micha

Weitere Bilder aus Micha’s Fotoarchiv seht Ihr bei Flickr.

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