THE FREEZE

Au, Frankfurt, 25.10.2015

The FreezeDer Song ist gerade mal etwas über zweieinhalb Minuten lang, aber definitiv einer für die Ewigkeit: Mit „This is Boston, not L.A.“, schufen THE FREEZE um Frontmann Clif Hanger (rechts) nicht nur den Titeltrack eines epochalen Samplers gleichen Namens, sondern gewissermaßen auch die musikalische Blaupause für melodischen Ami- Hardcore und den Soundtrack für jede lokale D.I.Y.-Szene. „Boston, not L.A.“ hat es ins kollektive Bewusstsein eines jeden Punks weltweit geschafft. Die Compilation und damit auch das Lied kennt jeder. Dass es auch über 30 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung noch funktioniert, diesen Beweis trat die Band gestern abend eindrucksvoll in der Frankfurter Au an.


Dabei war ich zunächst etwas skeptisch, ob die etwas „durch“ aussehenden fünf Typen auf der Bühne den sympathischen Laden rocken und mir damit einen vergnüglichen „Trip down Memory Lane“ bescheren würden. Keine Ahnung, ob es The FreezeDrogen, Grippe, Schlafmangel oder nur die Auswirkungen des Tourens quer durch Deutschland und Europa waren, die die Herren haben so fertig aussehen lassen, aber wieder einmal bestätigte sich, dass man nichts auf das Äußere geben sollte. Kurz die Instrumente gestimmt und schon nahm der Ostküsten-Hitexpress an Fahrt auf. Und mal ehrlich, wer sein Set mit Krachern wie „Nazi Fun“ und „American Town“ beginnt, der kann eigentlich nur gewinnen. Als drei Songs später mit „Sacrifice not Suicide“ der erste Klassiker vom alten „Boston, not L.A.“-Sampler aus den Boxen ballerte, war klar, dass es ein Festtag für jeden Fan des US-Hardcores werden würde.

Obwohl von der Gründungsformation der Band, die bereits 1978 südlich von Boston in der Gegend um Cape Cod zusammenfand, inzwischen nur noch Clif Hanger übrig geblieben ist, kam das, was für mich THE FREEZE ausmacht, ganz deutlich zum The FreezeTragen: nämlich die exzellente, melodiöse Gitarrenarbeit und die charismatische Stimme des Sängers. Mit dieser Meinung stand ich offensichtlich nicht allein; um mich herum wurde fleißig getanzt, die Fäuste gereckt und die Refrains von „Bloodlights“, „Warped Confessional“ und „No One’s Coming Home“ textsicher mitgegrölt.

The FreezeSchon einige Male gastierte die Band in Frankfurt (einen weiteren Bericht findet Ihr hier) und obwohl ich sie auf ihren Touren bislang immer verpasst habe, war es wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten: Klasse Musik, tolle Stimmung und ein überaus freundliches Miteinander. Das Stück „No Idiots at Happy Hour“ gehörte gestern zwar nicht zum Repertoire, aber es charakterisiert ganz gut, warum die Au zu einer der besten Konzert-Locations im Lande zählt: Keine Bollos die meinen Pogo wäre die Tanzversion eines Freefights, sondern ein erwachseneres, reifes Publikum, das schon so manches Gastspiel in eine Party verwandelt hat. Dass dies an einem Sonntagabend nicht der Fall war, war einzig der Tatsache geschuldet, dass der Saal nur etwas mehr als zur Hälfte gefüllt war.

The FreezeDie Band hatte trotzdem Bock, sich mit einem guten Auftritt von Europa zu verabschieden. Sänger Clif suchte den Kontakt zu den Gästen, kletterte mehrfach von der Bühne, tanzte während der Songs durch den Raum und erzählte ein paar Anekdoten von früheren Besuchen. Fit an den Instrumenten und perfekt eingespielt rockte sich das Quintett durch Nummern wie „Criminal Inside“ und „Time Bomb“ und obwohl auch neuere Stücke gespielt wurden, lag der Schwerpunkt eindeutig auf den Klassikern aus der Blütephase des Ami-Hardcores Anfang/Mitte der Achtziger Jahre. Natürlich durfte „Boston, not L.A.“ zum Ende des Sets nicht fehlen – dargeboten in einer knappen 30 The FreezeSekunden-Version. Als Zugabe gab es die meiner Meinung nach besten FREEZE-Songs zu hören: „Violent Arrest“ und „Halloween Night“. Wie passend zur Jahreszeit.

Einen ganz anderen Ansatz von Punk boten ROOM FULL OF STRANGERS aus Florida, die den Abend mit trashigem Garagen-Punk eröffnet hatten. Die vier Herren aus Orlando müssen sich tatsächlich etwas fremd im Raum gefühlt Room full of Strangershaben, denn ihre vertrackteren Stücke trafen den Nerv von nur wenigen Konzertbesuchern. Dabei war vor allem ihre brazzige Version von Kim Wildes „Kids in America“ alleine den Besuch wert. Wo Bands wie THE FREEZE geradeaus Punkrock spielen, streuen ROOM FULL OF STRANGERS Surf und Sixties-Soul-Sprengsel ein und geben Querverweise auf THE STOOGES und PERE UBU. Schon interessant, welche Sounds manche Musiker aus ihren Instrumenten herausholen, im Falle der RFOS war es vor allem der Bassist, der seinem Rickenbacker-Viersaiter ganz eigenwillige Töne entlockte. Ein 20-minütiger Kurzauftritt, der Appetit auf mehr machte.


Links: https://www.facebook.com/rabid.reaction, https://myspace.com/thefreeze, https://myspace.com/rabidreaction, https://thefreeze1.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/The+Freeze, http://www.room-full-of-strangers.com/, https://www.facebook.com/roomfullofstrangers, https://roomfullofstrangers.bandcamp.com/

Text & Fotos: Todde Sindel, https://www.flickr.com/photos/

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