Au, 11.03.2013
GBH – das steht im Englischen für „Grievous Bodily Harm“, zu Deutsch „Schwere Körperverletzung“ und deutet damit bereits an, welchem Punk-Genre die 1978 in Birmingham gegründete Band zuzuordnen ist. Sie zählt zur zweiten britischen Punk-Generation und hat mit Combos wie THE EXPLOITED, CHAOS UK und DISCHARGE den frühen UK-Hardcore geprägt und dem Punk ein neues, böses Gesicht verliehen. Und ähnlich wie THE EXPLOITED gehören auch GBH zu jenen Bands, deren Fans sich aus unterschiedlichen Musik-Szenen rekrutieren. Ein Blick ins Publikum am gestrigen Abend in der Frankfurter Au offenbarte daher Punks und Metal-Heads gleichermaßen, Shirts von MOTÖRHEAD, METALLICA und SAINT VITUS waren ebenso präsent wie von DOOM, DISCHARGE und den VARUKERS.
Für mich waren GBH immer so etwas wie die MOTÖRHEAD des Punk, eine Truppe, die sich niemals verbogen oder aktuellen Trends angepasst hat. GBH sind eben GBH, und wenn deren ersten drei Scheiben ohne Zweifel die besten Songs ihres Schaffens enthalten, so waren auch die nachfolgenden Veröffentlichungen alles andere als schlecht. Ihre Klasse sollte die Band auch an diesem Abend unter Beweis stellen.
Los ging’s – für Au-Konzerte ungewöhnlich früh – bereits um 21:30 Uhr mit dem Support ESTRELLA NEGRA aus Bonn, die überwiegend melodischen Punkrock mit deutschen Texten darboten, angesiedelt irgendwo zwischen TERRORGRUPPE und WIZO. Das war musikalisch einigermaßen erträglich, wobei die ausgeprägt naiven Deutschpunk-Klischees der Jungs auf die Dauer doch etwas nervten. Sorry, aber muss man wirklich in einem Laden wie der Au immer wieder darauf hinweisen, dass sich die Songs gegen Nazis, Deutschland und die Grauzone richten? Ich denke, da wäre das Publikum auch ganz von selbst drauf gekommen…
Nach kurzer Umbaupause betraten schließlich GBH die Bühne. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die sich bereits in den Siebziger Jahren gegründet haben, sind bei GBH mit Sänger Colin Abrahall und Gitarrist Colin Blyth noch zwei Original-Mitglieder mit von der Partie, Basser Ross Lomas und Drummer Scott Preece stießen bereits 1982, bzw. 1996 dazu, so dass das Quartett in dieser Formation bereits seit mehr als 17 Jahren gemeinsam auf der Bühne steht und um die Welt tourt. Und das machte sich bemerkbar, die Band harmonierte perfekt und lieferte einen absolut soliden Gig ab, bei dem kein Klassiker fehlte.
Als Opener fungierte „Unique“ vom aktuellen Album „Perfume And Piss“, einer der wenigen neueren Songs des Abends, denn gleich im Anschluss folgte fast ausschließlich 80s-Material. So wurde beispielsweise die 81er-EP „Leather, Bristles, Studs & Acne“ komplett und in der gleichen Songreihenfolge wie auf dem Vinyl präsentiert. Nachfolgend kamen die Highlights der ersten beiden Scheiben „City Baby Attacked By Rats“ und „City Baby’s Revenge“. Ob „Sick Boy“, „No Survivors“, „Big Women“ (Clip dazu unten) oder „Give Me Fire“, jeder Song wurde von den Anwesenden begeistert gefeiert und mitgegrölt. Auch dass die Au nicht ganz gefüllt war, was wohl dem folgenden Werktag geschuldet war, tat der Stimmung keinen Abbruch.
Frontmann Colin rockte wie eh und je, so dass die Band ihrem Namen alle Ehre machte und den Zuschauerraum in ein tobendes Slamdance-Schlachtfeld verwandelte, auf dem als Auszeichnung blaue Flecken verliehen wurden. Ohne jegliche Ansagen feuerte der GBH-Panzer ein musikalisches Schrapnell nach dem nächsten ins Publikum. Ob „State Executioner“, „Alcohol“ oder „Self Destruct“, gespielt wurden Songs, die zumindest die Besucher älteren Semesters – und das waren nicht wenige – bereits seit ihrer Jugend begleitet haben dürften. Gegen Ende des Sets folgten mit „City Baby Attacked By Rats“, „City Baby’s Revenge“ und dem STOOGES- Cover „I Feel Alright“ noch mal drei Hymnen, bevor endgültig Schicht im Schacht war – zumindest auf der Bühne.
Alles in allem ein eindrucksvoller Gig der Engländer, bei dem lediglich verwunderte (mir war es recht), dass sie wirklich nur zwei Songs des aktuellen Albums im Gepäck hatten („Unique“, „Kids Get Down“) und ansonsten ausschließlich Lieder der Debüt-EP und der ersten beiden Longplayer darboten. Das würde man sich von MOTÖRHEAD auch mal wünschen, wobei es hier gerne die ersten vier Alben sein dürften.
In der Au ging die Party im Anschluss weiter, unter anderem mit leckerem Strongbow, einem englischen Cider-Gebräu, das die Band wohl von der Insel mitgebracht hatte und das nun an die Besucher ausgegeben wurde. Als ich schließlich gegen etwa drei Uhr die Location wie durch eine Drehtür verließ, erwartete mich draußen eine Überraschung: In den vergangenen Stunden waren gut zehn Zentimeter Schnee gefallen – und das Mitte März. Und während ich ausrutschte, filmreif durch die Luft segelte und im gefühlten Zeitlupentempo auf dem kalten Boden aufschlug, war mir klar, dass dies ein Abend war, an den ich noch lange zurückdenken werde. GBH forever!
Links: http://gbhuk.com/, http://www.myspace.com/gbh, http://www.reverbnation.com/gbhofficial, http://estrellanegra.de/, http://www.myspace.com/alleswasduhast
Text: Marcus / Fotos: Frank
Clip: am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator
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