Frankfurt, November 2018
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich bei vielen Auftritten von Johnny Torpedo (rechts) und seiner ROCKIN‘ SHANTY SHOW stets in Bühnennähe stand und ekstatisch die Texte mitsang – Tatsache ist aber, dass ich nach einigen Gigs von anderen Konzertbesuchern angesprochen wurde, wo man denn eine Platte oder eine CD der Band erwerben könne. Bisher musste ich den Fragenden antworten, dass es leider (noch) keine Tonträger gibt. Doch damit wird bald Schluss sein, denn Johnny Torpedo und seine Mitstreiter „Skip“ Jack Tuna (Gitarre) und Stiggy Hoo-La (Kontrabaß) haben ihr Debütalbum eingespielt. Ich bat die Truppe, sie dabei einen Tag lang im Studio fotografisch begleiten zu dürfen. Die entstandenen Bilder illustrieren die nun folgende Geschichte über die Erlebnisse des Trios, aufgeschrieben von Mr. Johnny Torpedo himself!
Es ist mir ein Rätsel, warum man in Hamburg ein Tonstudio klarmacht, dann aber 270 Seemeilen vom Heimathafen entfernt in einem Aufnahmestudio im hessischen Mekka der Apfelwein-Junkies landet. Mit dem Straßenkreuzer sind das immerhin 500 Kilometer Wegstrecke südwärts. Anscheinend hatte ich bei der Planung ganz gewaltig einen im Tee, und zur Empörung aller war unsere Crew nun nach Offenbach am Main gespült worden.
Oliver Rüger vom Tonstudio Bieber empfing uns mit einem freundlich, dennoch arg befremdlich klingenden „Ei, guude, de Fischkopp mit sei Quetschkommod un sei ferschderlisch Bagasch sinn do!“ Tja… was soll man sagen: Südlich der Elbe ist auch die Sprache nicht dieselbe! Wir guckten den Studio-Impresario entgeistert an und waren uns nicht sicher, ob sich rauer Nordschnack und südhessisches Kauderwelsch überhaupt vertragen würden. Nu man bloß nich in‘ Tüdel geraten!
Mister Rüger führte uns durch seine Räumlichkeiten und „Skip“ Jack Tuna legte es gleich darauf an, sich am hiesigen Ort unbeliebt zu machen. Mit seemännischen Spitzfindigkeiten bekleckerte er sich nicht gerade mit Ru(h)m. „Wann is’n die Wattführung hier endlich vorbei?“ und „Schnöde Einrichtung – gar nicht maritim… die einzigen Fische, die der Typ hier hat, sind wahrscheinlich Silberfische“, kommentierte „Skip“ in seinen Bart.
Stiggy Hoo-La stimmte mit ein und drohte, dass er in den Hummerstreik gehen würde, solange er im stickigen Süden festsäße. Jetzt half der Mannschaft nur noch die Flucht ins Flüssige, um die Wogen zu glätten. Die Pulle Rum machte also die Runde… und auch mein tropischer Zierfisch, den ich ungewollt eingeschleust hatte, brauchte definitiv erstmal ein bisschen Ruhe.
Mir wurde klar, dass es in dieser südhessischen Einöde keinen einzigen verdammten Fischhändler gab, der unserer Mannschaft in der Misere zumindest als kleiner Seelentrost hätte dienen können. Wo – zum Teufel – waren wir nur gelandet?
Nich lang snacken, Kopp in’n Nacken! Mit steigendem Alkoholpegel wurde die Stimmung an Bord wider Erwarten ausgelassener und wir machten uns schließlich an die Aufnahmen.
Im Vergleich zu unserer Truppe war Oliver Rüger wohl mit Abstand der nüchternste Geselle, der unser Shanty-Schiff nicht nur fachmännisch, sondern auch konsequent ohne einen Tropfen Alkohol auf Kurs hielt.
Inmitten der Arbeit und in die Seemannskunst vertieft, erreichte uns in diesem Kaff dann völlig unerwartet Fanpost aus Südosteuropa. Diese trug ungemein zur Belustigung aller Anwesenden bei. Die Liebesbotschaft dreier verlorener Seemannsbräute aus Rumänien hatte es in sich!
Jene Verehrerinnen – man höre und staune – gaben uns eindringlich zu verstehen, dass eine Samenspende unserer Crew das Einzige sei, womit ihnen in ihrer ausweglosen Lage jetzt noch geholfen werden könne – koste es, was es wolle…
„Mmhh, eine neue Ausprägung von Fankultur jenseits der klassischen Merchandising-Produkte oder Ohnmachtsanfälle“, dachte ich. Warum nicht? Trotz aller Widrigkeiten konnte die Stimmung an Deck somit nochmals um Leuchtturmlängen aufgehellt werden. Selbst Studio-Praktikant Marvin – stets gesittet und ruhig wie ein Wattwurm – kam unüberhörbar einer Lachmöwe gleich. Offensichtlich hatte die gute Laune ihren Höhepunkt erreicht…
Die Aufnahmen waren schnell in Vergessenheit geraten, denn die Mannschaft diskutierte nun darüber, wie man diesen jungfräulich-rumänischen Seevögeln charmant entgegenkommen könne. Die Zeit im Tonstudio Bieber verging wie auf einem Torpedo…
Es floss noch mehr Rum und ich muss gestehen, dass ich bis zum heutigen Tage nicht weiß, wie wir wieder in den Heimathafen zurückgefunden haben – geschweige denn, was sich während unseres mehrtägigen Aufenthalts im Offenbacher Tonstudio noch alles zugetragen hat.
Mit heftigstem Brummschädel – noch treffender: Rumschädel – wachte ich letztendlich in meiner Koje im vertrauten Umfeld Hamburgs wieder auf… Eines ist erfreulicherweise sicher: Die Songs sind im Kasten, auch wenn uns hierbei der Klabautermann ordentlich zugesetzt hat und wir unter abenteuerlichsten Umständen zur Tat geschritten sind.
Seid gespannt, was es demnächst auf die (Ohr-)Muscheln gibt, wenn JOHNNY TORPEDOS Debütalbum fangfrisch auf eure Teller kommt! Meine Empfehlung für Landratten: Beim Hören solltet ihr auf’m Radar haben, derartiges Liedgut mit ’nem kräftigen Schluck aus der Pulle abzurunden.
Übrigens, Mister Rüger: Neptun sei mit Dir – Rum und Meerjungfrauen nach Offenbach! Respekt und Anerkennung gebührt ebenso allen Mitwirkenden, die das Shanty-Schiff ordentlich zum Schaukeln gebracht haben! Und um mit den Worten eines alten Freundes und bedeutenden Dichters abzuschließen: „All’s well that ends well“ oder besser noch: Ende gut, Shanty gut!
In diesem Sinne: Ahoi!
Links: http://www.johnny-torpedo.com/, https://www.facebook.com/JohnnyTorpedoShow/, https://myspace.com/johnnytorpedo1
Einleitung, Fotos & Clip: Stefan