Burgwiesenhalle, Oberursel, 12.04.2014
Das Rhein-Main-Gebiet ist mit Festivals – besonders für Freunde härterer Klänge – nicht gerade gesegnet. Okay, es gibt das wunderbare Au-Fest in Frankfurt, das Traffic Jam in Dieburg und das Kalkwerk Festival bei Limburg, vielleicht noch das WutzDog in Riedstadt, aber dann kommt man auch schon ins Grübeln. Vom Taunus Metal Festival in Oberursel hatte ich zwar schon gehört, war aber selbst noch nie vor Ort. Das Event wird seit 2009 vom Taunus Metal e.V. veranstaltet und hat seither eine wirklich erstaunliche Entwicklung genommen, die man im Detail auf der Website www.taunus-metal.de verfolgen kann.
Los ging’s vor fünf Jahren mit lediglich fünf Metal-Acts unter freiem Himmel auf dem Oberurseler Rathausplatz, inzwischen spielen an zwei Tagen 20 Bands in der im Stadtteil Bommersheim gelegenen Burgwiesenhalle. Ein Ticket, wohl gemerkt für beide Tage, gab’s für lediglich 17 Euro im Vorverkauf, Park- und Camping-Möglichkeiten waren reichlich vorhanden und für das leibliche Wohl sorgte eine vor der Halle postierte Imbissbude und einige Damen, vermutlich die Mütter und Großmütter der Veranstalter, die im Foyer der Halle ein reichhaltiges Kuchen- und Brötchen-Büfett aufgefahren hatten. Diverse Merchandise-Stände, an denen der geneigte Metal-Fan Shirts, Aufnäher, Vinyl und CDs erstehen konnte, rundeten das Angebot ab. Die Atmosphäre war entspannt, die Besucher freundlich und man traf auf viele bekannte Gesichter aus der Frankfurter Metal-Szene, obwohl sich in der etwa 1000 Leute fassenden Halle gerade mal 200 Besucher eingefunden hatten, was aber der Stimmung nicht schadete.
Das Billing präsentierte sich bunt gemischt, wobei der Schwerpunkt auf klassischen Metal-Bands und Thrash-Combos lag. Mit von der Partie waren unter anderem die deutschen Shooting-Stars MASTERS OF DISGUISE (Bericht hier), die Rock- und Hardrock-Legende Jutta Weinhold, die bereits mit AMON DÜÜL und Udo Lindenberg musiziert hat, die 80s-Metal-Heroes BACKWATER, die spanischen Satanisten OMISSION sowie Thrash-Bands wie HATCHERY, ELIMINATOR, ABANDONED und STEELPREACHER. Da wir nicht über alle Acts berichten können, haben wir stellvertretend zwei eindrucksvolle Vertreter herausgepickt, auf die wir uns nachfolgend beschränken wollen.
Den Anfang macht die Formation IRON THOR aus Gelsenkirchen, die sich vor geraumer Zeit aus den Bands IRON KOBRA und SEX GEPARD (kein Witz, die gab es wirklich!) rekrutierte. Letztere machte besonders durch Songs wie „Free Willy, Free Pussy“, „Summercamp Gangbang“, „Tanks and Tangas“ und „Bitch
Hunter“ von sich reden. IRON THOR-Sänger Ikon firmierte damals noch unter dem Namen Didi Savanni. Didis neue Truppe IRON THOR ist eine Cover-Band, die einem Künstler huldigt, den vermutlich nur Fans des 80s-Metals und vielleicht auch einige Punkfans kennen. Die Rede ist von Jon Mikl Thor, einem kanadischen Bodybuilder, der in den frühen Siebziger Jahren weltweit 40 Titel in seiner Sportart errang und ab 1973 auch als Musiker in Aktion trat. Und als blonder, langhaariger und mit Muskeln bepackter Hardrock-Fan musste der Mann nicht lange überlegen, wie seine Formation heißen sollte: THOR.Im Jahr 1977 erschien seine erste Platte „Keep the Dogs Away“ (das Album-Cover muss man gesehen haben, um es zu glauben) beim Major-Label RCA. Bis heute sind über 20 weitere von ihm erschienen (2003 entstand sogar ein Split-Album mit den kanadischen Punks D.O.A.) und der Mann ist auch heute, mit knapp 60, noch immer aktiv. Musikalisch ist THOR dem Comic- oder Trash Metal (geschrieben ohne h) oder dem von ihm selbst kreierten Muscle-Rock-Genre
zuzuordnen. Soll heißen, der Mann mimt zwar auf der Bühne den nordischen Gott des Donners, nimmt sich dabei aber selbst nicht sonderlich ernst. Herrliche Lyrics wie „Thunder on the Tundra“ oder „Let the Blood Run Red“, die jedes nur erdenkliche Metal-Klischee noch übertreffen, wechseln sich bei Live-Shows des Kanadiers mit Einlagen wie dem Verbiegen eines Stahlrohres oder dem zum Platzen bringen einer Wärmflasche ab.THOR ist Kult, aber – wie so oft bei der Vergabe dieses Attributes – bedeutet dies nicht, dass der Mann riesige Konzerthallen füllt und Millionen von Scheiben
verkauft. Eine Tour durch Europa würde sich für ihn somit kaum rentieren. Damit auch deutsche Fans einen Eindruck einer THOR-Show bekommen, hat der Kanadier seinen Hammer offiziell an seinen „Sohn“ Ikon weitergegeben, der nun mit IRON THOR als „Messenger of Thor“ durch die Lande tourt. Da ich selbst großer Fan von THOR bin (der Mann wurde sogar in den Hitlisten der Redakteure des New Yorker „Punk“-Magazins stets ganz weit oben geführt), aber nie die Gelegenheit hatte, ihn live zu sehen konnte, freute ich mich umso mehr, dass IRON THOR praktisch vor meiner Haustür gastierten. Und, um es vorweg zu nehmen, der Auftritt war grandios.Sänger Ikon ist zwar nicht ganz so extrem muskelbepackt und durchtrainiert wie der ehemalige Bodybuilding-Champion aus Kanada, sieht seinem Vorbild (aus den Achtziger Jahren) aber ansonsten verblüffend ähnlich. Auch showtechnisch wurde einiges geboten. IRON THOR präsentierte nicht nur (fast) alle Klassiker des Originals, es gab natürlich auch diverse Einlagen. Angefangen beim Outfit – Spandex-Hosen waren Pflicht – bis hin zum martialischen Posing, teilweise mit schwerem Stahl-Hammer, tanzenden Girls in Barbaren-Kluft und einer Wrestling-Einlage, bei der Ikon von dem maskierten Barbaren Gladius attackiert wurde (Videoclip dazu unter diesem Absatz), war alles vertreten.
Damit nicht genug, wurden von den Amazonen aus Anlass des Geburtstages von Drummer Thunderhead auch noch zwei Fässchen Bier an die Zuschauer
verteilt. Musikalisch bestand der Set neben den beiden oben genannten Tracks aus weiteren Songs der 85er-Kult-Scheibe „Only the Strong“, vom Debüt wurde zudem „Keep the Dogs Away“ gespielt. Etwas schade war, dass die 83er-EP „Unchained“ songtechnisch komplett ignoriert wurde und dass auch keinerlei neuere THOR-Songs gespielt wurden. Allerdings standen den Jungs lediglich 45 Minuten zur Verfügung, sodass vermutlich nur ein Teil des eigentlichen Repertoires zum Einsatz kam. Doch auch so machte der Gig großen Spaß und entfachte im Publikum feucht-fröhliche Partystimmung.Im Anschluss sorgten die Thrasher von ELIMINATOR mit an DESTRUCTION erinnernden Geboller von der Straße für ein Kontrastprogramm, bevor es mit TULSADOOM wieder zurück ins Reich der Barbaren ging. Der Name geht natürlich auf den von Robert E. Howard geschaffenen Bösewicht und Zauberer Thulsa Doom zurück, der in vielen Pulp Magazines des frühen 20. Jahrhunderts in Erscheinung trat und später auch als Gegenspieler von Arnold
Schwarzenegger im Film „Conan der Barbar“ diente. Gemäß der gewählten Vorgabe präsentierte sich die musizierende Horde als wilder Barbarenhaufen, der noch detailverliebter gewandet war als die Jungs von IRON THOR.Musikalisch boten die Österreicher eine homogene Mischung aus klassischem Heavy Metal und Thrash, die sie selbst als Barbaric Thrash bezeichnen. Und die wusste zu gefallen, glänzte mit markanten Riffs und wurde ob dem Wirbelwind, den die Jungs auf der Bühne entfachten, zu keiner Zeit langweilig. Dass die Jungs sich selbst und ihre Lyrics nicht bierernst nehmen, wurde spätestens durch Songs wie „Barbarian Beer Attack“, „Virgin Penetrator“ und „Barbarian Bitchfuck“
deutlich. Gespielt wurden Songs des 2012 erschienenen Debüts „Barbarian Steel“, ob auch neue Tracks dargeboten wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.Die Attacke von TULSADOOM kam beim Publikum ebenfalls gut an und zwang die meisten Banger in der ersten Reihe nach dem Gig zu einer kleinen Verschnaufpause. Die war problemlos möglich, denn zwischen den jeweiligen Acts gab es stets eine etwa 20-minütige Unterbrechung, die die meisten Gäste aufgrund des guten Wetters draußen, vor der Halle oder auf der angrenzenden Camping-Wiese verbrachten. Weiter ging’s an diesem Samstagabend mit der JUTTA WEINHOLD BAND, ABANDONED, BACKFIRE, STEELPREACHER und zu guter Letzt BLIZZARD.
Unterm Strich ist zu sagen, dass das Festival großen Spaß gemacht hat, alles war perfekt organisiert, die Bandauswahl war gut – für meinen Geschmack hätten noch ein paar Occult- und Retro-Rocker dabei sein können – und es hat Laune gemacht, alte Bands wiederzusehen und neue zu entdecken. Ich werde auf jeden Fall im kommenden Jahr wieder mit von der Partie sein. Und wer weiß, vielleicht findet der Taunus Metal e.V. ja im Frankfurter Raum auch wieder einen Club, um dort regelmäßig Konzerte zu veranstalten. Bis 2010 tat das der Verein nämlich in Die Halle, die seither schmerzlich vermisst wird. Wer sich den Jungs anschließen oder sie als Sponsor unterstützen möchte, der findet auf der Website http://www.taunus-metal.de alle nötigen Infos dazu.
Links: https://www.facebook.com/messengersofthor, https://www.facebook.com/Tulsadoom, https://myspace.com/tulsathrash, http://www.reverbnation.com/tulsadoomofficial, http://www.lastfm.de/music/Tulsadoom
Text & Fotos: Marcus
Clips: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
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