Frankfurt, September 2015 – Interview
Im Rhein/Main-Gebiet hat sich Johnny Torpedo mit seiner ROCKIN‘ SHANTY SHOW schon so etwas wie Kultstatus erarbeitet. Höchste Zeit also, ihm auch für diesen Blog auf den Zahn zu fühlen. Wir fotografierten den Mann mit der Kapitänsmütze am 1. August 2015 bei einem Gig im Waggon an der Mainküste von Offenbach und befragten ihn später zu allerlei Themen zwischen Shanty-Songs, Hai-Attacken und Freddy Quinn. Ob Johnny uns dabei Seemannsgarn erzählte, könnt Ihr in diesem Interview nachlesen.
Johnny, danke, dass Du uns für dieses Interview zur Verfügung stehst.
Danke Euch! Freut mich, wenn die Rockin‘ Shanty Show Wellengang verursacht! Hehe…
Deine Eltern haben bei Deiner Geburt sicher nicht „Es ist ein Shanty-Sänger!“ ausgerufen. Was ist Dein musikalischer Background und wann hast Du angefangen, Akkordeon zu spielen?
Hhmm… Das is ’ne lange Geschichte, ich versuch’s kurz zu machen! Mein leiblicher Vater – vermutlich ein Fischer aus Newquay – soll vor meiner Geburt im Atlantik ertrunken sein. Ich hab‘ ihn zumindest nie kennengelernt. In der Obhut einer Pflegemutter wuchs ich in äußerst primitiven Verhältnissen auf… Fenja – so ihr Name – hatte jedoch wenig Zeit für mich, da sie in rechtswidrige Machenschaften verwickelt war und nicht lange an einem Ort verweilen konnte. Um der Illegalität zu entfliehen, waren Seereisen mit ihr keine Seltenheit. Auf verschiedenen Schiffen führte die Fahrt oftmals ins Ungewisse und endete erst einmal in den Hafenstädten dieser Welt… Der Aufenthalt in solchen Regionen hat dabei natürlich auch entscheidenden Einfluss auf meine musikalische Sozialisation genommen! Hafenstädte gelten ja bei einigen Musikkritikern als ideale Orte für die Entstehung spezifischer Musikkulturen und Stilrichtungen. Logisch, dass man diesen Orten eine „traditionelle Weltoffenheit“ zuspricht, oder!? Hier kommen auffällig viele globale Einflüsse und Kulturen zusammen und vermischen sich. Guck‘ Dir nur mal den Jazz in New Orleans, den Rock’n’Roll in Memphis oder die Beat-Musik in Liverpool an! In jungen Jahren wurde ich jedenfalls schon mit vielen unterschiedlichen Musikstilen konfrontiert – sei es live oder aus der Konserve. Blues, Gospel, Folk, Gypsy, Country, Rock’n’Roll, Doo Wop, Swing, etc. Die musikalische Welt zog mich immer mehr in ihren Bann. Ich interessierte mich für verschiedene Instrumente und begann sehr bald, einige auszuprobieren und letztendlich spielen zu lernen. Das Akkordeon hatte ich zu diesem Zeitpunkt übrigens auch unter meine Fittiche genommen. Meine Spielfertigkeiten auf diesem Instrument führten allerdings nicht zum Erfolg, da ich aufgrund eines tragischen Vorfalls schnell wieder mein Interesse verlor. Eine Wiederbelebung des Akkordeons mit einer Liebeserklärung (hahaha) fand ungefähr vor neun Jahren statt… den Göttern der Meere sei Dank!
Auf der Bühne sehen wir Dich mit einer wunderschönen Hohner. Wie kamst Du an das Instrument, mit dem Du nun auftrittst?
Vor etlichen Jahren gab es eine Spelunke, in der ich mich regelmäßig aufhielt. Die damalige Besitzerin war auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger für ihr Akkordeon und so kam es, dass sie mir das Instrument verhökerte… Ein wirklich schönes Stück!
Kannst Du bitte für uns die Entstehungsgeschichte von JOHNNY TORPEDO’S ROCKIN‘ SHANTY SHOW kurz umreißen?
In manch düsteren Momenten hab‘ ich mir vorgestellt, meine Mutter sei eine Hafenhure gewesen – und Johnny Torpedo das tragische Resultat einer schnellen nächtlichen Nummer mit einem betrunkenen Matrosen. Tja, was soll ich sagen… So nahm die Entwicklung der Rockin‘ Shanty Show ihren Lauf!
Neben der „Uniform“ ist eines Deiner Markenzeichen die dunkle Sonnenbrille, die Du bei den Auftritten auch bei schummrigster Beleuchtung trägst. Siehst Du Dein Publikum überhaupt?
Je dichter das Publikum vor der Bühne, desto besser… Im doppelten Sinne des Wortes, hahaha. Übrigens ein Vorteil für diejenigen, die nah am Geschehen sind und schon immer mal ’nen Rum mit Johnny trinken wollten! Wir haben meistens ’ne Sorte aus Übersee dabei!
Genau wie Underground-Ikone DEAD ELVIS möchtest Du nicht ohne Bühnen-Outfit fotografiert werden. Du willst also unerkannt bleiben, wenn Du in der Schlange bei McDonalds Deinen Kopf nach hinten drehst?
Möwenschiss… Wer hat sich denn diese Frage ausgedacht? Jau… Dead Elvis gefällt mir… Und ganz klar: Mich wirst Du auch nicht zu ’ner Autogrammstunde bei McDonalds antreffen. Ich bevorzuge da eher die Nordsee… Ist Euch was aufgefallen? In der Frage wäre doch tatsächlich „Nordsee“ besser aufgehoben gewesen, oder? Haha!
Im Rhein/Main-Gebiet hast Du Dir schon einen kleinen Kultstatus erarbeitet. Die Leute, die Deine Gigs besuchen, wissen was sie erwartet. Wie reagieren die Gäste woanders, oder im Ausland, auf Dich?
Unterschiedlich… Aber durchaus positiv. Als ich mit dieser ganzen „Nummer“ schon eine Weile unterwegs gewesen bin, hab‘ ich festgestellt, dass die Reaktionen im Publikum an verschiedenen Orten oft ähnlich waren. Das ist aktuell auch noch so. Es gibt immer wieder Leute, die anfangs scheinbar überfordert sind mit dem, was sie sehen und zu Gehör bekommen. Ich hab‘ den
Illustration: Ingo Römling, 2009
Eindruck, dass diese Personen irgendetwas „Greifbares“ und „Klares“ brauchen – ich rede nicht von Schnaps… Etwas, das sie benennen und kategorisieren können. Die Fragezeichen über den Köpfen scheinen meistens dieselben zu sein und sich zu wiederholen: Was soll das mit der „Seemannskluft“? Eine Hommage an Hans Albers? Ist das Kunst? Comedy? Meint der das ernst? Ironie? Welcher Musikstil? usw. – am Ende die wichtigste Frage: Gefällt mir das? Vielleicht warten die Antworten auf diese Fragen irgendwo in „dunklen Tiefen“, hehe… Man weiß es nicht – und das ist gut so! Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die kritischen Zuschauer im Lauf der Show oft lockerer wurden und einige „Fragezeichen“ scheinbar verschwunden waren. Es gibt natürlich auch solche, die sich von Anfang an unbekümmert mitreißen lassen und nicht erst überlegen müssen, welchen Stempel sie dem Ganzen aufdrücken sollen. Ganz klar: Alle Geschmäcker triffst Du nie – die sind zum Glück verschieden!
Eine nette Anekdote von einer Show im Ausland bitte…
Auf der „International Tattoo-Convention“ in Bregenz 2007 gab es einen Konzertbesucher, der mich nach der Show enttäuscht fragte, wo denn überhaupt meine Trompete gewesen sei. Ich dachte nur: Soll das ein Witz sein? War der arme Kerl vielleicht auf der falschen Veranstaltung? Wie sich herausstellte, hatte der Bursche wohl tatsächlich bei der Ankündigung „Johnny Trompeto“ verstanden, hahahaha. Bei diesem Event in Österreich habe ich übrigens auch Ehrengast und Tattoo-Legende Herbert Hoffmann kennengelernt. Ihm durfte ich ein Shanty zum Besten geben… Kein Seemannsgarn!
Auf hoher See weht oftmals eine steife Brise. Welchen Drink empfiehlt Johnny Torpedo einsamen Matrosen, damit ihnen wieder warm ums Herz wird?
Einsamkeit… Ausgelöst durch die Frau in der Ferne, richtig!? Wie wär’s mit einem Songtitel anstelle eines Drinks!? „Keine Frau ist so schön wie die Freiheit“, ein Seemannslied von Walter Rothenburg aus dem Jahr 1954… Ich hoffe nur, dass die weiblichen Leser bei unseren Shows jetzt erst recht in Erscheinung treten… In den vorderen Reihen, wohlgemerkt! Hehe – darauf einen Rum!
Kommen wir nun mal zu Deinen Mitstreitern. Der FISKECORE besteht ja aus finsteren Gesellen. An welcher düsteren Straßenecke hast Du die denn aufgelesen?
Nun… Die kommen ja eigentlich aus Ristinge in Dänemark. Straßenecke, nee… Ich sag‘ nur „Hafenbecken“. Die Jungs sind mir vor zwei Jahren an einem Schiffsanleger begegnet. Ich war mit einer Gruppe von Leuten unterwegs zu einem Event im Ausland. Neben der Busfahrt stand uns eine dreitägige Schiffstour bevor. Für die Verpflegung mussten wir selbst aufkommen und so hatten wir unter anderem ein paar Fässer Bier dabei – je 50 Liter. Per Sackkarre sollten die nun von unserem Bus zum Schiff befördert werden, was sich aber als großes Problem herausstellte, hahaha. Niemand war mehr in der Lage, aufrecht und gerade zu laufen. Wir hatten es uns bereits während der Busfahrt mit diversen Spirituosen so heftig besorgt, dass keiner mehr nüchtern war. Schlangenlinienartig und wankend schob man nun die Sackkarren mit den Fässern vor sich her. Es passierte, was passieren musste: Zwei von uns verloren die Kontrolle über ihr Transportgerät und wir mussten zugucken, wie 100 Liter Bier eine leicht abschüssige Strecke in Richtung Hafenbecken rollten – wo sie schließlich verschwanden. Dann tauchten auf einmal drei unbekannte Typen auf, die laut grölend zur „Unglücksstelle“ liefen, sich ihre Klamotten vom Leib rissen und zu unserem Erstaunen ins Hafenbecken sprangen. Es machte den Eindruck, als ob sie jetzt nach unseren Fässern suchen würden… Zum Teufel mit „Baywatch“… Ich sag‘ nur „Beerwatch“ aus Ristinge! Hahaha… Die fischten doch tatsächlich nach unserem Bier und hatten die Fässer nach einer Weile sogar geborgen. Man muss dazu sagen, dass wir großes Glück hatten, denn die Wassertiefe war in diesem Bereich der Hafenanlage nur sehr gering. Jedenfalls sahen die Burschen jetzt aus, als ob sie vom Schlammcatchen kommen würden… Unbekleidet und schön eingesaut standen die nun vor uns. Hahaha… Das große Finale sollte aber noch kommen: Die Gesellen reihten sich plötzlich nebeneinander auf und stimmten ein Lied an! Eine Mischung aus „Ace of Spades“ von Motörhead und „In der Haifischbar“, ein Polka-Fox von 1961. Die drei grölten sich die Kehle aus dem Hals und schlugen währenddessen irgendwie gegenseitig auf sich ein… Wir waren sprachlos. Hellauf begeistert von diesem verrückten Schauspiel, dachte ich mir: Die perfekte Truppe für Johnny… „Shantycore at its best“ sozusagen!… Die Rettungsaktion im Hafenbecken bescherte den Jungs schließlich 50 Liter Fassbier und später einige Gastauftritte in der Rockin‘ Shanty Show…
Auch Mr. „Skip“ Jack Tuna an der Gitarre und sein hyperaktives Bühnenverhalten lassen die Konzertbesucher schmunzeln. Wie stieß Skip zur Truppe und wer hat sich die Geschichte mit seinem Power-Solo ausgedacht?
„Skip“ Jack habe ich über eine Rundfunksendung kennengelernt. In dieser gastierte er gelegentlich und berichtete eindrucksvoll über die Whakairo-Kunst. Da mich einige Reisen nach Neuseeland geführt hatten, interessierte ich mich für die Kultur dieses Inselstaats. Ich war fasziniert von den traditionellen Handwerkskünsten der Māori und ihrer Geschichte. „Skip“ brachte auf diesem Gebiet offenbar großes Wissen hervor und so begann ich eines Tages – über den Sender – Kontakt mit ihm aufzunehmen… Er war begeistert, dass seine Sachkenntnisse auf Interesse gestoßen waren und lud mich zu sich ein. Dieser Bursche besaß tatsächlich eine umfangreiche Sammlung seltener Holz- und Pounamu-Schnitzereien der Māori. Oft saßen wir nächtelang zusammen, plauderten und „Skip“ präsentierte mir stolz die Kunstobjekte seiner Sammlung. Irgendwann brach unser Kontakt jedoch ab und wir hatten uns aus den Augen verloren… Für lange Zeit! Vor etwa vier Jahren fuhr ich mit meinem Wagen von Bremen nach Hamburg und musste unterwegs an einer Tankstelle halten. Auf dem Rastplatz bemerkte ich zwei Gestalten, die sich offensichtlich in einem arg verwahrlosten und elenden Zustand befanden. Umgeben von Flaschen und Müll lag einer auf dem Boden und lallte irgendein wirres Zeugs. Der andere – stark schwankend – war über ihn gebeugt und versuchte, den armen Kerl im Dreck irgendwie auf die Beine zu bekommen… Ein jämmerlich‘ und trauriges Bild! Zu diesem Zeitpunkt sollte ich noch nicht wissen, dass einer der beiden Kerle „Skip“ Jack war… Hhmm, wie kann ich’s erklären? Lange Geschichte… Es war vielleicht vorherbestimmt, dass sich unsere Wege auf diese Art und Weise nochmal kreuzten… Die Begegnung auf dem Rastplatz hatte letzten Endes nämlich zur Folge, dass ich „Skip“ nach einer Zeit „von der Straße“ holte und ihm einen Job in der Rockin‘ Shanty Show in Aussicht stellte! Als „Mietmatrose“, wie er jetzt sagen würde! Und zum Thema „Power-Solo“: Was für ein Power-Solo meinst Du? Dieser Mann bietet doch ununterbrochen eine High-Speed-Performance der Extraklasse… Könnte ruhig aber mal ein paar Kilo runterfahren!… Hahaha.
Du bist bisher alleine, als Duo und auch mit Band aufgetreten. Worin liegen die Vor-, worin die Nachteile der jeweiligen Formationen?
Moment mal! Apropos Mitstreiter… Stiggy Hoo-La am Upright Bass wurde hier noch gar nicht erwähnt!? Habt Ihr den vergessen? Hhmm.… Er war diesmal nicht mit an Bord, vielleicht is‘ er Euch deswegen entgangen!? Dieser Mann sollte der Leserschaft jedenfalls nicht vorenthalten bleiben… Ein treuer Kompagnon und wichtiger Bestandteil der Rockin‘ Shanty Show! Rum auf Stiggy… Cheerz! Soo… ähh… wie war die Frage noch? Ach ja: Das Line-up… Die Vorteile liegen ganz klar darin, dass du dich mit den jeweiligen Formationen unterschiedlichen
Links: Stiggy Hoo-La,
Foto: Corinna Kaiser, 2014
Gegebenheiten hervorragend anpassen kannst. Der Veranstaltungsort, bzw. die Rahmenbedingungen eines Events sind hierbei natürlich maßgebend. Als Solo-Act zum Beispiel kannst Du auf engstem Raum auftreten, was mit kompletter Combo eher schwierig werden dürfte. Logisch, oder!? Ein hyperaktives Gitarren-Solo (hahaha) oder einen Basslauf wird das Publikum bei einer One-Man-Show mit Johnny nicht zu Gehör bekommen. Auch logisch, oder!? Du siehst also, wo es hinführt…
JOHNNY TORPEDO’S ROCKIN‘ SHANTY SHOW ist ein recht einzigartiger Act, der sich nicht leicht mit anderen Bands vergleichen oder für einen Konzertabend kombinieren lässt. Mit Bands welches Genres trittst Du am häufigsten auf oder zu welchen Events wirst Du gebucht?
Das gestaltet sich gar nicht so schwierig, wie es vielleicht zunächst scheint. Die Auswahl der Musik und des Acts, bzw. das Booking obliegt ja dem jeweiligen Veranstalter. Und wenn der Dich haben will, stellt er Dir ’ne Anfrage! Natürlich gibt es zahlreiche Konzertveranstalter, die sich auf Bands eines bestimmten Genres spezialisiert haben, wo ein Act wie Johnny Torpedo nicht ins Programm passt – aber das ist doch auch einleuchtend… Die Events, zu denen die Rockin‘ Shanty Show gebucht wird, sind unterschiedlicher Art: Einerseits Veranstaltungen in Live-Clubs und öffentliche Kultur-Events, zum anderen private Veranstaltungen in jeglicher Form. 2009 war selbst ’ne Fahrt auf einem Segelschiff im Ausland dabei… Die Bands und Musiker, mit denen wir die Bühne teilen, würdest Du sicher nicht auf einem kommerziellen Radiosender zu Gehör bekommen. 2008 bin ich zum Beispiel auf Reverend Beat-Man gestoßen, den ich bei einer „Voodoo Rhythm“-Veranstaltung supporten durfte… Oder Acts wie Sir Psyko & His Monsters, Urban Jr., The Fabulous Penetrators, Steve Hooker, Reverend Shine Snake Oil Co., Puta Madre Brothers – um ein paar zu nennen, mit denen die Rockin‘ Shanty Show zusammengewirkt hat. Ach ja, beinah hätte ich’s vergessen: Auch Rettungsschwimmerin Pamela Anderson war dabei, hahaha… Aber leider nur privat und abseits des Mainstreams, haha!
Du schreibst die meisten Songs und Texte für die ROCKIN‘ SHANTY SHOW selbst. Was inspiriert Dich dabei?
Dunkelheit, schwere See, Schiffbrüche… Davy Jones‘ Locker, Rum, Leuchtfeuer… Noch mehr Rum!
Tragen Deine Liedtexte autobiografische Züge oder verarbeitest Du darin persönliche Traumata? Zum Beispiel bei „Shark Attack“? 😉
Hhmm… Ja, genau! A shark has one thing on his mind… Und um es klar zu stellen: Bei „Shark Attack“ dürfte wohl eher der Hai ein Trauma verarbeiten, da er von einer tapferen Seemannsbraut in die Flucht geschlagen wird! Awhooo…
„Ghosttorpedo“, Foto: Gerd Bächler, 2014
Shanty-Songs sind ja in Deutschland eher im Norden der Republik beheimatet. Hast Du eine Affinität zur Küste und was hältst Du von den konventionellen Shantys?
Affinität… Definitiv ja! Küstennebel ist hervorragend… Bei Küstennebel: Küstenmädel! Hahahaha… Oder Helbing – Hamburgs feiner Kümmel… Ist auch nicht ohne! Hehe… Wenn Du aber einmal Küstennebel kennengelernt hast, weißt Du, wohin die Reise geht… Zu 21,8 Prozent… Hahaha… Nun aber genug Klabautermann. Kommen wir mal zum Thema „Shanty-Songs“: Dieses Liedgut hat ja eine sehr lange Geschichte – und wenn Du mich fragst, hat jede Form des Seemannsliedes auch ihre Berechtigung. Viele wissen nicht, dass ein Shanty schlicht und ergreifend ein Arbeitslied der Matrosen ist. Seinem Ursprung nach sollte es nämlich die gemeinschaftlichen harten Arbeiten auf dem Schiff unterstützen und koordinieren – beim Anker hieven, Segel setzen, beim Be- und Entladen der Schiffe, etc. Heutzutage haben Shantys allerdings ihren praktischen Nutzen für die Seefahrt verloren und sollen uns meistens nur noch zurückerinnern an die „gute alte Zeit“ der Segelschiffromantik. Sie offenbaren aber nicht die wahren Begebenheiten und das Leid der damaligen Zeit…
Bekommst Du bei Freddy Quinn’s Schlager „Junge, komm bald wieder“ leuchtende Augen oder Fußpilz?
Ich bekomme eher tränende Augen bei dem Gedanken, dass Hans Albers überhaupt kein Akkordeon spielen konnte und den größten Teil seines Lebens auch nicht in Hamburg verbracht hat. Das wissen scheinbar die Wenigsten! In Deutschland war ja das diatonische Knopfakkordeon das klassische Instrument der arbeitenden Bevölkerung und der blonde Hans hob es auf die Filmbühne. Bedauerlich ist, dass dieser Mann in Wahrheit nicht nur ein erhebliches Alkoholproblem
Zeichnung: Hank Ockmonic, 2013
hatte, sondern schlicht alkoholkrank war. Mit dem Erfolgsmodell „Singender Seefahrer“ war er jedenfalls nur eine Metapher von Hamburg geworden. Bei Johnny Torpedo könnte es im ungünstigsten Fall ähnlich sein – mit dem Unterschied, dass dieser Bursche sein Instrument wirklich spielt und unter seiner Mütze noch kein Toupet tragen muss. Hahaha, Prost!
Welche Musik hörst Du privat gerne? Gibt es aktuelle Acts, die Du cool findest und unseren Lesern empfehlen kannst?
Da gibt es unzählig viele Musiker und Gruppen, die ich favorisiere und der Kategorie „Lieder aus dem Untergrund“ zuschreiben würde. Outsidermusik mit Ecken und Kanten könnte man sagen – nenn‘ es wie Du willst: Blues, Punk, Garage, Trash, Rock’n’Roll, etc. … Sicherlich kein hochglanzpolierter, massentauglicher Firlefanz. Musik der Subkulturen und von unangepassten Charakteren eben! Meine Empfehlung für die Leserschaft ist folgende: Unterstützt und würdigt diejenigen Bands, Musiker oder Künstler, die
Foto rechts: Gregor Böttcher, 2014
nicht auf den „großen Bühnen“ stehen – dennoch viel Herzblut und Schweiß in ihre Projekte investieren! Es gibt viele Probleme im Bereich der Darstellenden Künste und der Musik: Die meist fehlende Unternehmensethik in den Kulturbetrieben, die oftmals unterirdischen Gagen der Künstler oder leider auch die fehlenden Verhaltens- und Anstandsregeln. Viele wissen scheinbar nicht, was künstlerische Arbeit beinhaltet. Das Produkt sieht nämlich oft so aus, als ob es ganz einfach von der Hand ginge… Veranstalter, die sich als Wohltäter rühmen, aber nicht in der Lage sind, künstlerische Arbeit angemessen zu honorieren, braucht die Musikkultur nicht… „Szene-Statisten“ genauso wenig! Leider gibt es auf Seiten der Künstler etliche, die zu erbärmlichen Bedingungen engagiert werden – die Problematik der mangelnden Wertschätzung jedoch selbst nicht bemerken. Wir sollten also kapieren, dass wir uns an diesem Punkt in Not befinden und dass die Arbeitsleistung in der Kunst, bzw. Musik angemessen honoriert werden muss!
Wie wir wissen, gehst Du abseits der Musik einem ehrbaren Beruf nach. Wieviel Freizeit investierst Du in Seemannskluft und JOHNNY TORPEDO?
„Hobeln wir den Käse mal schnell runter“, wie Mr „Skip“ Jack Tuna zu sagen pflegt… So viel, dass die Rockin‘ Shanty Show – und all das, was mit ihr in Verbindung steht – gut vorbereitet ist! Bereit zum Torpedieren! Hehe.
Zum Abschluss die wichtigste Frage für Deine Fangemeinde. Die wartet schon Hufe scharrend auf einen Tonträger, um sich die Songs auch mal zuhause anhören zu können. Wann ist es soweit?
Ich war bereits 2009 auf dem hauseigenen Label „Shanty Saloon Records“ aktiv. Es gab einen Tonträger in streng
Rechts: Record Release Freak-Out in Reykjavik
limitierter Auflage, der einem kleinen Personenkreis zugänglich gemacht wurde… Eine Art „Shipwreck Crew – Fan Edition“, die bei Live-Events aus dem Koffer geholt wurde! Es folgten eine Handvoll weiterer Aufnahmen, die allerdings noch unter Verschluss gehalten werden… Demnächst möchte ich im Studio einige aktuelle Songs in Angriff nehmen und mit dem bereits vorhandenen Material auf ’nem Album veröffentlichen! Zu diesem Tonträger kann Johnny Euch schon mal sagen: File under „Rum-Soaked Shanties for Rockin‘ Sailors“… Ahoi!
Wir wünschen Dir stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Danke für das Gespräch!
Links: http://www.johnny-torpedo.com/home.html, https://myspace.com/johnnytorpedo1
Interview: Stefan, Marcus
Alle Konzertfotos: Stefan
Alle weiteren Fotos ohne Urhebernennung: Johnny Torpedo
Clips: 2014 in Mainz aufgenommen von RockinShanty06
Alle Konzertbilder: