JUDAS PRIEST & THE DEAD DAISIES

Jahrhunderthalle, Frankfurt, 18.11.2015

Judas PriestIch war fest entschlossen, sie schlecht zu finden: THE DEAD DAISIES, die Vorgruppe. So angepisst war ich, dass sie und nicht UFO im Vorprogramm von JUDAS PRIEST in der Frankfurter Jahrhunderthalle auftraten – bei den anderen Tourstopps war die britische Hardrock-Institution am Start. Frechheit. Überhaupt: Eine so called „Supergroup“ mit Leuten, die wir schon bei GUNS ‚N‘ ROSES in uninteressanten Zeiten gesehen haben oder bei der Reinkarnation von THIN LIZZY. Dazu mit dem Sänger, der von 1992 bis 1996 bei MÖTLEY CRÜE war – in meiner Welt eine der beschissensten Bands aller Zeiten. Wie man sich doch täuschen kann. Also nicht über CRÜE – aber das vorschnelle Urteil über die DEAD DAISIES hielt der Realität keine fünf Minuten lang stand.

The Dead DaisiesDie sich selbst als Kollektiv definierende Combo startete einst in Australien und wurde gegründet von Jon Stevens, der Michael Hutchence bei INXS ersetzte und den deswegen kaum jemand kennt. Ist so. Die DOORS-Platten ohne Jim Morrison interessieren ja auch keine Sau. Stevens stand aber nicht als Support von JUDAS PRIEST am Mikro, sondern John Corabi, der MÖTLEY CRÜE-Interims-Sänger. Wenn ich die Informationen aus dem Netz richtig deute, dann wäre es theoretisch möglich, nächste Woche eine völlig andere Besetzung der DEAD DAISIES live zu sehen.

The Dead DaisiesZugegeben, die absoluten Highlights der DAISIES waren Coverversionen; und zwar „Hush” in der Version von DEEP PURPLE und „Helter Skelter” von den BEATLES. Aber das eigene Songmaterial überzeugte ebenfalls – auch noch einen Tag später, als ich mir das aktuelle Album „Revolucion” anhörte. Musik, die einerseits knietief The Dead Daisieszwischen den Siebzigern und den Achtzigern und im Blues steckt, aber auf nicht tausend mal gehörten Arrangements fußt, sondern auch ein paar frische Ideen integriert. In irgendeiner Form wichtig oder besonders ist das trotzdem nicht, machte aber Spaß und wurde mehr als kompetent vorgetragen. UFO wären dennoch geiler gewesen.

Letztlich hätten auch die ZILLERTALER SCHÜRZENJÄGER spielen können, die FRITTIERTEN FEHLGEBURTEN oder sonstwer: JUDAS PRIEST hatten sich angesagt, wen juckt da die Vorband? Eben. Meint auch Kollege Marcus:

Rock’n’Roll scheint jung zu halten. Anders ist es nicht zu erklären, dass MOTÖRHEAD gerade ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum begehen, GIRLSCHOOL ihr 37., SAXON ihr 36. und SLAYER und ANTHRAX immerhin bereits ihr 34. Alle Genannten haben sich in diesen Tagen in diversen Konzertsälen im Rhein/Main-Gebiet die Klinke in die Hand gegeben, doch Judas Priestehrlich gesagt hat es mich in keinem Fall wirklich gereizt, den jeweiligen Act noch einmal live zu sehen. Ich habe alle Gruppen mehrfach in den Achtzigern erlebt, als sie ihre stärksten Alben veröffentlicht hatten und dann nochmal in den Neunzigern – und nicht unbedingt besser. Ich will auch gar nicht dabei sein, wenn Lemmy am Stock auf die Bühne kommt und nach jedem dritten Song ins Sauerstoffzelt Judas Priestmuss. Oder bei den Thrashern SLAYER, wenn sie ohne Jeff Hannemann und Dave Lombardo auftreten. Ich behalte Künstler lieber auf dem Höhepunkt ihres Schaffens in Erinnerung. Es gibt jedoch Ausnahmen. Formationen wie BLACK SABBATH, BLUE ÖYSTER CULT oder eben JUDAS PRIEST.

Die aus Birmingham stammenden Engländer sind noch länger als ihre Kollegen von MOTÖRHEAD unterwegs und feiern aktuell ihr 42- oder, um genau zu sein, sogar bereits ihr 46-jähriges Bestehen. Tatsächlich gründete sich die Band nämlich 1969, damals aber nicht als Heavy Metal-, sondern als Blues-Act und noch dazu in komplett anderer Besetzung. Judas PriestVon diesem ersten Lineup ist heute keiner mehr an Bord, bestenfalls Bassist Ian Hill, der 1970 zur Band stieß, dürfte sich noch an die Mitglieder der Ur-Formation erinnern. In den Jahren 1973/74 entstand schließlich das Lineup um die Herren Halford, Hill, Tipton und Downing, das bis heute als legendär gilt und mit Alben wie „Killing Machine“ (1978) und „British Steel“ (1980) die Blaupause für den Heavy Metal lieferte.

Judas Priest2015 sind immerhin noch drei der alten Recken dabei: Sänger Rob Halford (64), Basser Ian Hill (64) und Gitarrist Glenn Tipton (68). Die Band komplettieren Schlagzeuger Scott Travis (54) sowie der 35-jährige Gitarrist Richie Faulkner, der kurioserweise wie eine jüngere Version seines Vorgängers K. K. Downing wirkt. Den eingangs genannten Formationen haben JUDAS PRIEST gleich zwei entscheidende Punkte voraus: Zum einen haben sie in ihrer Karriere kein einziges schwaches Album abgeliefert, zum anderen sind sie live eine Macht und keinen Deut schlechter als in den Achtzigern. Davon konnte man sich auch am gestrigen Abend wieder überzeugen, an dem die Briten in der ausverkauften Jahrhunderthalle alle Register ihres Könnens zogen.

Geboten wurde ein Querschnitt aus alten und neuen Songs, bei denen mich zumindest „The Rage“ vom Klassiker „British Steel“ überraschte. Ansonsten gab es drei Stücke vom starken aktuellen Album „Redeemer of Souls“, „Hell Bent for Judas PriestLeather“ (Videoclip dazu weiter unten), zu dem Halford traditionell mit einer Harley auf die Bühne fährt, natürlich „Breaking the Law“, den wohl größten Hit, sowie den gewohnten Abschluss-Song „Living After Midnight“. Auch „Turbo Lover“ aus der umstrittenen Gitarren-Synthesizer-Phase wurde gespielt und klang wohl nie besser.

Judas PriestDarüber hinaus präsentierten sich die alten Herren agiler denn je. Halford, der aufgrund einer Rücken-OP bei der letzten Tour nahezu immer auf der gleichen Stelle verharrte, wanderte diesmal ständig umher und warf sich alle zwei bis drei Tracks in ein neues, metallisches Outfit. Und obgleich ich liebend gerne noch Lieder wie „The Ripper“, „Diamonds Judas Priestand Rust“,„Some Heads Are Gonna Roll“, „Judas Rising“ oder „The Sentinel“ gehört hätte, gilt es doch festzustellen, dass die Jungs ordentlich abgeliefert haben und auch 2015 noch immer eine Klasse für sich sind. Sieht übrigens auch Kollege Micha exakt so (bis auf den Einschub mit SLAYER und MOTÖRHEAD, da besteht für ihn ebenfalls Anwesenheitspflicht).

Setlist: Dragonaut / Metal Gods / Desert Plains / Victim of Changes / Halls of Valhalla / The Rage / Turbo Lover / Redeemer of Souls / Beyond the Realms of Death / Screaming for Vengeance / Breaking the Law / Hell Bent For Leather / The Hellion / Electric Eye / You’ve Got Another Thing Comin‘ / Painkiller / Living After Midnight

Links: http://thedeaddaisies.com/, https://www.facebook.com/TheDeadDaisies, https://soundcloud.com/thedeaddaisies, https://www.reverbnation.com/thedeaddaisies, http://www.last.fm/de/music/The+Dead+Daisies, http://www.judaspriest.com/, https://www.facebook.com/OfficialJudasPriest, https://instagram.com/judaspriest/, https://www.reverbnation.com/judaspriest, http://www.last.fm/music/Judas+Priest

Text (TDD), Fotos (24) & Clips: Micha / Text (JP) & Fotos (11): Marcus

Alle Bilder:

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