Nachtleben, Frankfurt, 21.10.2016
Freitag, early show mit den drei norwegischen Bands KAMPFAR (links), VREID und DREAMARCHER im Frankfurter Nachtleben. Wenn um 22 Uhr im Laden an der Konstablerwache Konzertende sein muss, dann wird meist im Anschluss eine Disco-Veranstaltung angeboten, die mit der Livemusik, die vorher das Etablissement beschallte, nicht viel zu tun hat. Eine Disco gab es gestern aber nicht, trotzdem musste um 22 Uhr Schicht im Schacht sein. Eine private Veranstaltung? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass frühes Ende auch zwangsläufig frühes Anfangen bedeutet, und das ging sehr zu Lasten des Openers DREAMARCHER.
Schon gegen 18:15 Uhr begab ich mich in den Keller des Clubs, denn als Beginn der ersten Show war 18:30 Uhr vorgesehen. DREAMARCHER erklommen bereits fünf Minuten vor dem offiziellen Beginn die Bühne. Die Band kommt von der Westküste Norwegens, wurde erst im Februar 2016 gegründet, und konnte in der Heimat relativ schnell die Aufmerksamkeit einiger Radiostationen auf sich ziehen. Ihr am 2. Oktober diesen Jahres
Dreamarcher
veröffentlichtes Debüt- Album wurde von Ashley Stubbert (SLOTFACE, PURIFIED IN BLOOD) produziert, als Einflüsse gelten DEAFHEAVEN, CONVERGE, MASTODON, THE MARS VOLTA, A PLACE TO BURY STRANGERS, BARONESS und SUNN O))). So kam es nicht nur mir während des halbstündigen Auftritts von DREAMARCHER vor, als wollten die vier Jungs, die eher wie Absolventen der Frankfurt Business School als wie Mitglieder einer Stromgitarren- Combo aussahen, möglichst viele Stile für ihren eigenen Sound regelrecht verhackstücken. In der heutigen Zeit, die von einer erheblichen Veröffentlichungsflut mit allerhand Monotonie gekennzeichnet ist, wohl kein schlechtes Unterfangen.
Habt Ihr schon mal gesehen, dass der Shouter einer Band einen Song lang die (noch kaum anwesende) Menge vom Bühnenrand aus anbrüllt und nach dem ersten Stück auf dem Drumhocker Platz nimmt, um von dort weiter zu keifen, während er die Felle verdrischt? So geschehen bei DREAMARCHER. Drei Stimmen illustrierten das Sound-Gewitter, welches deutlich moderner rüberkam als der Sound der nachfolgenden Veteranen. Neben den oben genannten drängten sich mir Assoziationen zu den Norwegern LEPROUS oder IHSAN und SHINING auf. Insgesamt eine halbe Stunde einer Formation, die mehr Publikum verdient gehabt hätte.
Der Gegensatz dazu konnte mit den folgenden VREID, deren letztes Album „Sólverv“ bereits im Herbst des vergangenen Jahres erschienen ist, nicht extremer sein. Die 2004 aus der Band WINDIR hervorgegangene Combo sieht sich selbst nicht als Teil irgendeiner Szene, auch nicht der Black Metal-Szene. Sie spielte
Vreid
während ihres 70-minütigen Auftritts sehr puristischen Schwarzmetall mit Pagan-Einschlag. Beim Sänger und Gitarristen Sture Dingsøyr hatte man allerdings zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass seine sechs Saiten überhaupt eingestöpselt waren.
Trotzdem war das musikalisch ein schöner, äußerst spartanischer Kontrastpunkt zu der doch sehr kopflastigen Performance von DREAMARCHER. Und im Vergleich zum letzten Gig von VREID 2013 an gleicher Stelle (Bericht hier) kochte der Kessel, fast jeder im mittlerweile zahlreich erschienenen Publikum (ich weiß gar nicht, bei welchem von mir besuchten Konzert in diesem Club es zuletzt ähnlich voll war) ging steil, sehr zur Freude der dankbaren Musikanten.
KAMPFAR, deren letztes Album „Profan“ ebenfalls im Herbst 2015 erschienen ist, bestritten das dritte und letzte Set des Abends. Ihnen konnte man den Stempel „beliebig“ aufdrücken – beliebig deshalb, weil eine Mischung zwischen Durchschnitts-Black und Pagan Metal geboten wurde. Das ist wohl auch der Grund, warum der bereits vor 22 Jahren in Fredikstad (Norwegen) gegründeten Band bisher nie der ganz große Wurf gelungen ist,
Kampfar
auch wenn viele ihrer Veröffentlichungen in der Black Metal-Szene als essentiell abgefeiert werden. Doch wenn man in einem Genre unterwegs ist, das sich durch Extreme auszeichnet, muss man auch einige dieser Extreme ausfüllen. KAMPFAR wirken für mich in der riesigen Schwemme an Black Metal-Combos, die es auf diesem Planeten gibt, wie der kleine Fisch, der mit dem Strom mitschwimmt. Das ist meiner bescheidenen, subjektiven Meinung nach leider viel zu wenig.
Vielleicht lag es aber auch an dem großen musikalischen Unterschied, der sich zwischen den ersten beiden Bands DREAMARCHER und VREID aufgetan hatte, dass ich während des 85-minütigen Auftritts (inkl. 15 Minuten Zugabe) von KAMPFAR mit einem ähnlich großen Überraschungs- Moment gerechnet, bzw. ihn erhofft hatte. Die Reaktionen der anderen Zuschauer waren nämlich mehr als nur wohlwollend – immerhin gab es einen Überblick über die gesamte Schaffensphase der Gruppe mit Bezugnahme auf jedes veröffentlichte Album. Aber so ist das nun mal im Extrem Metal-Bereich: Man muss ja nicht immer die gleiche Meinung wie die Anderen haben. Wie auch überall sonst.
Links: http://www.dreamarcher.net/, https://www.facebook.com/dreamarcherofficial, https://soundcloud.com/dreamarcher, http://www.last.fm/music/Dreamarcher, http://www.vreid.no/, https://www.facebook.com/vreidofficial, https://www.reverbnation.com/vreid, http://www.last.fm/de/music/Vreid, http://www.kampfar.com/, https://www.facebook.com/kampfarofficial, https://www.reverbnation.com/kampfar, http://www.last.fm/de/music/Kampfar
Text: Guido & Micha / Fotos & Clips: Micha
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