KIKAGAKU MOYO & WOODEN SHJIPS

Zoom, Frankfurt, 28.05.2019

Kikagaku MoyoKonkurrenz war an diesem Tag durchaus gegeben – der in Wiesbaden auftretende KING DUDE begeisterte in der Vergangenheit bereits mehrmals die Mitglieder des Rockstage-Riot-Teams. Ausschlaggebend für die Entscheidung, doch lieber ins Frankfurter Zoom zu pilgern, waren neben der Bequemlichkeit jedoch die Aussicht auf „etwas Neues“ sowie der ausgezeichnete Ruf, der den Japanern KIKAGAKU MOYO nach dem diesjährigen Desertfest in Berlin vorauseilte. Wobei die Formulierung „etwas Neues“ bei Formationen, die man mehr oder weniger anerkennend als- „Retro-“, „Neo-Psychedelic-“ oder schnöde „Kifferband“ bezeichnen kann, schon ein wenig irreführend erscheinen mag. Neu war hier kaum etwas. Eher schon wieder so gestrig, dass Unbedarften dies als eigenständiger, heißer Scheiß verkauft werden kann.

Zwei Bands von zwei Kontinenten hatten sich angesagt, die nicht die ganze Tour zusammen fahren werden: Neben den Tokiotern KIKAGAKU MOYO noch die WOODEN SHJIPS aus San Francisco, also dem Place To Be in den Wooden Shjipsspäten Sechzigern. Dort, wo CROSBY, STILLS & NASH dudelten und JEFFERSON AIRPLANE herkamen, deren Paul Kantner zusammen mit Crosby & Stills das Stück „Wooden Ships“ verfasste. SHJIPS-Mastermind Erik „Ripley“ Johnson (Gitarre & Gesang), auch beim MOON DUO psychedelisch tätig, definiert Rockgruppen per se als „Retro“ (mehr dazu hier) und nimmt potentiellen Kritikern (davon gibt es so Wooden Shjipseinige) damit schon mal ordentlich Wind aus den Segeln.

Wer Headliner sein würde an diesem Abend war zumindest mir vorher nicht klar, ebenso wenig, wie außerordentlich gut gefüllt der Club an der Konstablerwache letztendlich sein würde. Die US-Amerikaner waren es dann, die pünktlich um 21 Uhr aus dem Nebenraum die niedrige Bühne betraten, dessen kurz geöffnete Tür noch massenhaft rauchige Reste des wohl gerade zu sich genommenen Vorverstärkers offenbarte. Eng wars auf der Tanzfläche, die weniger für exaltierte Bewegungen genutzt wurde sondern eher für leichtes Mitgrooven sowie Betrachten der an die Wand geworfenen Lichtinstallationen, Wooden Shjipswelche sich auf den weißen Shirts der vier Akteure in bunte Farbspiele wandelten und wenig Blicke zuließen auf individuelle Eigenheiten. So läuft das unter bewusstseinserweiternden Kollektiven – wenn das mal nicht schon Punk ist, irgendwie.

Musikalisch natürlich nicht – die mal mehr, doch meist weniger anschwellenden Melodiebögen, durchaus mit spieltechnischer Finesse gesegnet doch eben auch mit einer vokalen Performance, die maximal als eigene Instrumentierung durchgeht (jedoch keinesfalls als dominierender Vortrag) schafften einen plätschernden Sog, den man repetetiv nennen kann oder eingängig (Ox), monoton oder entspannt (Visions). Oder lahmarschig (Kumpel). Falsch ist das alles nicht, aber eben nicht die ganze Wooden ShjipsWahrheit. Hier geht es nicht um exzessives Ausleben nach Feierabend oder Botschaften zum Mitschreiben. Sondern, und das wurde im Ox untoppbar von Henrik Becke formuliert, um „einzutauchen in einen entspannten Trancezustand, sich immersiv hineinziehen zu lassen in den sanftmütigen, alles überdauernden Strudel, den WOODEN SHJIPS meisterhaft entfachen“. Schön und treffend. Der Knaller sollte aber noch kommen.

Auch KIKAGAKU MOYO nahmen sich nicht allzu wichtig und betraten das Podest erst zum Aufbau wie dann zum Gig ganz lapidar. Statt Projektionen von vorne gab es jetzt mal wieder Gegenlicht wie es gegenwärtig so Sitte ist – auch dies ein Ausdruck dafür, dass die Akteure auf der Bühne sich nicht wertiger Kikagaku Moyoerachten als die Hörer davor. Das Quintett, welches sich 2012 um den Schlagzeuger Go Kurosawa sowie den Gitarristen, Sänger und Percussionisten Tomo Katsurada scharte und mit Gos Bruder Ryu Kurosawa einen studierten Sitar-Spieler im Line-Up hat, wurde freudig begrüßt und schien allgemein vertrauter zu sein als ich es erwartet hatte. Vielleicht waren auch einige Gäste vorher auf dem Desertfest.

Kikagaku MoyoRepetetiv wie entspannt wirkte auch die nun folgende Stunde, obwohl es hier weit exzessiver zuging. Kein Widerspruch. Mit größtenteils drei dominierenden Saiten-Instrumenten (zwei Gitarren und Sitar, manchmal drei Gitarren, Bass ist hier nicht gemeint) wurde sich in einen Rausch gespielt, der gleichermaßen mitreißend wie eskapistisch anmutete und bei allem Schönklang Raum ließ für Virtuosentum Kikagaku Moyosowie folgende, wilde Stürme der Begeisterung, zu denen auch WOODEN SHJIPS-Bassist Dusty Jermier im Publikum beitrug. KIKAGAKU MOYO brachten Songs von drei ihrer vier Alben, von denen die letzten beiden auf ihrem eigenen Label mit dem ehrfürchtigen Namen Guruguru Brain veröffentlicht wurden, auf welchem Musik aus Fernost ein Forum geboten wird.

Kikagaku MoyoIm Entstehungsland des Krautrock trifft sowas auf offene Ohren, die Schallplatten am Merchstand wurden en gros abgegeben. Anscheinend hatten KIKAGAKU MOYO auch gar nicht vor, länger aufzutreten als ihre Mitstreiter WOODEN SHJIPS vorher (also durchaus eine „Double Headline Show“), aber Pustekuchen: Der Saal kochte, die „We want more!“-Rufe nahmen nach knapp 45 Minuten Kikagaku MoyoSpiel sowie dem ersten Abgang kakophonische Ausmaße an. Wie bei Rockstars eben. 15 Minuten Zugabe und von sedierter Entspannung war nichts mehr übrig. Euphorisch und aufgedreht verließen wir das Zoom, nicht fähig sofort das heimatliche Bett anzusteuern. Ob uns das nach KING DUDE auch so ergangen wäre? Interessierte hier gerade niemanden.

Links: http://www.woodenshjips.com/, https://www.facebook.com/woodenshjips/, https://woodenshjips.bandcamp.com/, https://www.reverbnation.com/woodenshjips, https://www.last.fm/music/Wooden+Shjips, https://www.kikagakumoyo.com/, https://www.facebook.com/kikagakumoyo, https://kikagakumoyo.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Kikagaku+Moyo

Text, Fotos & Clip: Micha

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