Yachtklub, Frankfurt, 29.07.2017
Ein Hauch von Südamerika wehte über die Holzbohlen des am Frankfurter Mainufer gelegenen Yachtklubs. Das Musikerkollektiv LA FANFARRIA DEL CAPITAN aus Argentinien hatte sich angesagt, dem Publikum seine explosive Mischung aus Balkan-Beat, Cumbia, Rock, Tango und Ska zu kredenzen. Angeführt von Frontfrau Victoria Cornejo (rechts) am Akkordeon betrat die am gestrigen Abend sechsköpfige Combo den etwa zur Hälfte gefüllten Innenraum des Schiffs, um eine schwül-heiße Latino-Party zu feiern.
Doch anders als in ihrem Heimatland, wo wahrscheinlich ab dem ersten Takt der Truppe der Baum brennt, mussten die deutschen Clubbesucher erst einmal ihre vornehme Zurückhaltung ablegen, die Bewegungslegasthenie überwinden, ehe Musiker und Publikum eine Einheit bildeten und die Show richtig in Schwung kam. Dies wird für LA FANFARRIA DEL CAPITAN (zu deutsch: „Die Angeberei des Kapitäns“) allerdings nichts Neues gewesen sein. Die Band absolviert bereits ihre siebte Europa-Tour, die sie neben zahlreichen Stationen in Deutschland auch nach Tschechien, Polen, die Slowakei, Österreich und die Niederlande führt. Und sowohl auf ihren bisherigen Konzertreisen als auch auf den 28 Stopps der aktuellen, „La Giravida“ (der Name des aktuellen Albums) betitelten Tour haben sie sich einige Kniffe angeeignet, wie man ein nicht unbedingt für sein Heißblut bekanntes Publikum in Schweiß bringen und für sich gewinnen kann.
So war Sängerin Victoria zeitweise mehr innerhalb der Gästeschar zu finden als vor ihr und griff sich gezielt Personen aus dem Pulk heraus, um mit ihnen das Tanzbein zu schwingen, was diese dann natürlich nicht ablehnen konnten. Auch stand sie mitunter mitten im Publikum, sang, klatschte und feuerte sowohl die Konzertbesucher als auch ihre Mitstreiter auf der wie immer ebenerdigen, diesmal aber noch durch eine auf dem Boden liegende Lichterkette abgegrenzte Bühne an. Das alles lockerte die Atmosphäre zunehmend auf, sodass nach und nach auch immer mehr männliche Spezies (die weiblichen haben mit dem Tanzen zu dieser Art von Musik ja gemeinhin eh weniger ein Problem) in Bewegung kamen. Und so wurde, unterstützt durch das tolle, abwechslungsreiche Spiel der Südamerikaner, aus dem Abend doch noch eine glühende Fiesta Latina, gefühlte Luftfeuchtigkeit um 80 Grad inklusive.
Als einer von vielen weiteren Aktivposten bei LA FANFARRIA DEL CAPITAN kristallisierte sich im Lauf der Show der einarmige Trompeter heraus, der sein Instrument auf dem rechten Armstumpf ablegte und es mit der linken Hand bediente. Er hopste in seinen Spielpausen gerne mal zwischen den Gästen herum, klammerte sich an die Pfosten und markierte einmal, gemeinsam mit seinem Kollegen an Bass und Tuba, auf den Planken liegend den sterbenden Schwan. Letzterer improvisierte wiederum mit dem Gitarristen mitten in einem Song, Stirnglatze an Stirnglatze, ein Ringkämpfchen, während der Geiger (teilweise auch am Bass) seine Weisen auf den Knien zum Besten gab. Kurzum: Egal ob man sich nun zu den vielfältigen Rhythmen der Truppe geschmeidig bewegen wollte (oder konnte), man hatte vor sich auch immer was zu gucken. Klasse!
Die Combo aus Buenos Aires existiert seit 2005 (andere Quellen nennen 2004 als Gründungsdatum, vermutlich bezieht sich dies auf die Vorgängerband CAPITAN TIFUS, aus denen LA FANFARRIA DEL CAPITAN hervorging). Sie hat bisher vier Tonträger herausgebracht, beginnend 2007 mit „Flores del Bosque de Bolonia“, über „E Viva!“ (2012) und „Te Quiero Capitan!“ von 2014 bis hin zum oben erwähnten, aus dem vergangenen Jahr stammenden Album „La Giravida.“ Darüber hinaus ist die Gruppe wohl das, was man einen „Vieltourer“ nennen würde: Bereits 2011 kam sie auf – und gezählt werden hier nur die internationalen Shows – 40 Auftritte, was im Jahr darauf mit 87 (binnen sieben Monaten) schon locker verdoppelt wurde. 2013 waren es dann immer noch 60 Gigs, usw.
Doch eines gab es während all dieser musikalischen Rundreisen durch die ganze Welt 2017 wohl zum ersten Mal: Gegen Ende der Show (nach einer wunderschönen Coverversion des italienischen Partisanensongs „Bella Ciao“) berichtete Frontfrau Victoria noch schmunzelnd, dass die diesjährige Tour auf einem Boot begonnen habe, denn der zweite Auftritt fand in „Frau Hedi’s Tanzkaffee aufm Wasser“ in Hamburg-St. Pauli statt (davor gabs noch einen Gig in Bremerhaven) und nun in Frankfurt wieder auf einem Schiff ende. Der Gedanke schien ihr zu gefallen, was wenig verwunderlich ist, da ihre Heimat- auch eine Hafenstadt ist. Und ich bin ziemlich sicher, sollten die umtriebigen LA FANFARRIA DEL CAPITAN wieder die Mainmetropole beehren, dann ist der Yachtklub bestimmt ihre Wunschadresse.
Links: https://www.lafanfarriadelcapitan.com/, https://de-de.facebook.com/lafanfarriadelcapitan/, https://soundcloud.com/lafanfarriadelcapitan
Text & Fotos: Stefan
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