LITTLE STEVEN AND THE DISCIPLES OF SOUL

Batschkapp, Frankfurt, 16.06.2017

Little Steven & The Disciples of SoulGespanntes Warten vor dem Fotograben der Frankfurter Batschkapp. Es ist der Abend des 16. Juni, kurz vor 20 Uhr. Ein bisschen Plaudern mit den Kollegen, da kommt eine Gestalt vom Seiteneingang der Bühne, deren Verdienst für die Rockmusik in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Peter Rüchel, inzwischen stolze 80 Jahre alt, ließ es sich nicht nehmen, seinen Kumpel Little Steven (aka Miami Steve aka Steven Van Zandt) vor dessen Show persönlich zu beehren. In Rüchels „Rockpalast“-Sendungen konnte man Little Steven mit seinen DISCIPLES OF SOUL zweimal erleben: 1982 (ihr zweites Konzert zusammen überhaupt) sowie 1984 auf dem Loreley-Open Air. Damals stand mit Stevie Ray Vaughan noch ein grandioser Stevie auf dem Podest, und der Verfasser dieser Zeilen begeistert davor.

In den Jahren danach konnte man Steven Van Zandt nicht nur etliche Male in der Band seines besten Freundes Bruce Springsteen auf den Bühnen der Welt begutachten, sondern zunehmend auch in der Flimmerkiste: Seine Nebenrolle in den „Sopranos“ war preisgekrönt, seine Darbietung in „Lilyhammer“ sehr witzig. Trotz mimischem Nihilismus, der es einigen schwer machte, der Serie länger zu folgen.

Mit dem ersten Album unter seinem Namen seit 18 Jahren huldigt Van Zandt den Ursprüngen des Rock’n’Roll und des Soul, vor allem der Synthese daraus, wie sie im Raum New Jersey verstanden wird (und die damit gleichzeitig ähnlich Little Steven & The Disciples of Soulwie auch anders klingt als die Musik der auch diese Woche in der Batschkapp aufgetretenen AFGHAN WHIGS, deren Sound sich aus den gleichen Einflüssen speist).

Van Zandt’s aktuelles Album „Soulfire“ beherbergt in gewisser Weise viele Coverversionen – in gewisser Weise auch nicht, da Little Steven fast alle Songs selbst geschrieben hat. Allerdings schon vor vielen Jahren und für Formationen, Little Steven & The Disciples of Soulan denen er selbst beteiligt war. So zum Beispiel für SOUTHSIDE JOHNNY AND THE ASBURY JUKES, deren erste drei Scheiben er produzierte und bei denen er auch Springsteen kennenlernte, dessen Band er seitdem, mit kurzen Unterbrechungen, bis heute unterstützt. Oder für Gary U.S. Bonds, dem er und Springsteen künstlerisch in den Achtzigern unter die Arme griffen. Covers von Etta James und James Brown runden den Dreher ab. Die Platte klingt viel organischer als Van Zandts Alben der 80er, die heute vor allem unter dem grauenhaften Drumsound, der zu dieser Zeit so hip war, leiden. Aber das tun die Platten des Bosses ja auch ein wenig.

Little Steven & The Disciples of SoulAuf der Bühne der Batschkapp standen am gestrigen Abend insgesamt 15 Musikanten, was den Eintrittspreis von knapp 60 Euro durchaus rechtfertigen kann. Ein glänzend eingespieltes Ensemble mit Background-Sängerinnen und fettem Bläsersatz, welches trotzdem meistens vom Gitarrenspiel Marc Riblers und dem von Van Zandt dominiert wurde. Der Meister selber musste einen Teil seiner Texte vom Little Steven & The Disciples of SoulTeleprompter ablesen, was man jemandem, der den vollständigen Backkatalog Springsteens auf Zuruf spielen kann, aber nicht vorwerfen sollte.

Die erste Hälfte des Sets wurde dominiert von den „Eigencovers“ des aktuellen Albums. Van Zandt war es auch wichtig, zu einigen Songs Geschichten zur Entstehung zu erzählen: Welchen Einfluss Gary U.S. Bonds zum Beispiel auf ihn und Springsteen hatte. Oder wie, lange vor Hip Hop, die Kids an den Straßenecken New Yorks mit A-Capella-Gesang „battleten“: „And in the beginning… the very beginning… there was Doo-Wop“ (Van Zandt). Mit „St. Valentine’s Day“ coverte das Ensemble ein Stück, das Little Steven für die Little Steven & The Disciples of Soulnorwegische Garagenband COCKTAIL SLIPPERS schrieb, die auch einen Auftritt in „Lilyhammer“ hatte. Den Eröffnungssong des Blaxploitation-Klassikers „Black Caesar“, „Down and Out in New York City“ von James Brown, spielte die Formation mit dem fast gleichen Arrangement wie das Original – nur die Gitarre klang eher wie von Curtis Mayfield oder einem Isaac Hayes-Track mit funky-psychedelischem Wahwah.

Little Steven & The Disciples of SoulIn den Achtzigern war Steven Van Zandt auch eine hochpolitische Stimme: Im Zuge der nach Live Aid gefühlt halbjährlichen Benefiz-Aktionen initiierte er 1985 das Projekt Artists United Against Apartheid, um politischen Gefangenen zu helfen und mit dem Song „I Ain’t Gonna Play Sun City“ klar zu machen, dass man nicht das weiße Regime im damals noch unter Rassentrennung leidenden Südafrika zu unterstützen hat. Little Steven & The Disciples of SoulEtwas, was BLACK SABBATH damals übrigens anders sahen, um mal einen weniger schönen Aspekt ihrer Karriere aus der Mottenkiste zu holen…

Heutzutage hält sich Little Steven diesbezüglich mehr zurück und konzentriert sich durch seine Radiosendungen und seine „Rock’n’Roll Forever“-Stiftung mehr auf die Bewahrung des klassischen Rocks. Trotzdem fanden seine politischsten Songs aus den 80ern im letzten Drittel des Sets ihren Platz – in diesem präsentierte das Ensemble exzessiv Reggae, was einen diesbezüglichen Banausen wie mich zum Bierholen zwang. Ansonsten gab es für mich aber nichts zu meckern, für andere erst recht nicht: Was hier zelebriert wurde, war etwas, was man nur Little Steven & The Disciples of Soulselten erleben darf und jeden Cent Eintritt wert ist. Nach zwei Stunden der Abgang, es folgte ein kurzes Wiederhören mit „Bye Bye Johnny“ des unlängst verschiedenen Chuck Berry. Dann Feierabend – obwohl es diesmal am Freitag keine Disco in der Batschkapp gab. Schade. Da kann sich Little Steven, bei aller Klasse, doch ein Scheibchen von unser aller Boss Springsteen abschneiden, der sich nach so einer Zeit gerade warmgespielt hat. Aber das steht (hoffentlich bald) auf einem anderen Blatt.

Links: http://littlesteven.com/, https://www.facebook.com/LittleStevenVanZandt/, https://www.last.fm/de/music/Little+Steven

Text & Fotos: Micha
Clip: aufgenommen am Konzertabend von Ernie’s Moments

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