MANTAR & HESSAJA

Schlachthof, Wiesbaden, 19.02.2015

HessajaAdieu, Räucherkammer. Wenn sich der (Um)Bau des neuen Kesselhauses nicht abermals verzögert, dann war das nun mein allerletzter Besuch in dem kleinen Keller unter dem alten Wiesbadener Schlachthof. Ein Raum, in dem die (nach meinem Gusto) kultigsten Konzerte überhaupt im Rhein/Main-Gebiet in den letzten Jahren stattfanden und der, im Gegensatz zum ebenfalls kultigen Darmstädter Steinbruch-Theater, für mich als Frankfurter autolos gut erreich- und verlassbar war und in dem ich immer problemlos fotografieren durfte. Punkacts wie die SPERMBIRDS oder PROPAGANDHI entzückten hier vor randvollem Haus ebenso wie schräge Düsteracts wie JEX THOTH oder WOLVES IN THE THRONE ROOM vor weniger Conaisseuren, um nur ein paar HessajaHighlights rauszupicken. In Hinsicht auf das Programm wird das Kesselhaus diese Tradition einfach nahtlos übernehmen; ob es atmosphärisch der arrivierten Räucherkammer das Wasser reichen kann werden wir sehen. Mit EYEHATEGOD, UFOMAMMUT und TOMBS sind aber allein schon im April drei Shows angekündigt, die den Besuch unverzichtbar machen.

MantarMit MANTAR (links) aus Hamburg, bzw. Bremen stand gestern abend ein Act auf dem Programm, der live zum Beispiel beim letztjährigen „Hell Over Hammaburg“- Festival für offene Münder sorgte und dessen Silberling „Death By Burning“ euphorische Reviews einsammelte. Kollege Marcus widmet sich weiter unten deren Wiesbadener Live- Präsenz; ich nutze meinen Platz hier um auf den nicht minder überzeugenden Support HESSAJA aus Limburg und dem Westerwald hinzuweisen.

Hessaja

Als diese Band im Schlachthof-Programm angekündigt wurde klingelte bei mir nichts – ein befreundeter Blogger aus Darmstadt jedoch, der HESSAJA kürzlich in der Oetinger Villa vor FALLEN TYRANT erlebte, beehrte ihretwegen erst- und wohl auch letztmals die Räucherkammer und schwärmte im Vorfeld vom atmosphärischen Auftritt des Quintetts. Und er versprach nicht zuviel.


Etwa eine Dreiviertelstunde lang bauten die fünf Musiker einen Spannungsbogen auf, der geprägt war von Verzweiflung, Hingabe und Euphorie. Auch wenn Sänger Tom, als einziger einigermaßen illuminiert, ein wenig durch Hessajaseine mimische und gestische Leidensfähigkeit dominierte, so lohnte doch auch der Blick auf die anderen Akteure, soweit möglich. Hochgradig beeindruckt war ich von den diversen Zupf- und Anschlagtechniken des Gitarristen zur Linken, Jo S., und vom fulminanten Rumms des Schlagzeugers Jo D.. Bassist Thomas Jay frönte beim Spiel headbangernderweise am meisten dem Metal, der zweite Gitarrist Christopher B. ging optisch hinter Jo S. etwas unter.

HessajaDie morbide Suppe, die hier gekocht wurde, erinnerte mich teils an Suicidal-Black Metal-Formationen wie LIFELOVER in doomy, aber auch an düstere Postrock- Bands und durch Toms Leiden bei den kroatisch gesungenen Songs auch ein wenig an die Rumänen NEGURA BUNGET (minus der Tröten), was aber wohl eher an meinen ungeübten Ohren liegt, osteuropäische Sprachen betreffend. Die Lieder der später für fünf Euro verkauften Debüt-CD wurden gegeben plus ein weiterer, wenn ich das richtig gehört habe; live kamen diese aber noch weitaus überzeugender als auf der durchaus empfehlenswerten Scheibe. Ganz großes Kino und headlinerwürdig, aber das war ja erst die Hälfte des Abends. Kollege Marcus, übernehmen Sie.

Here we go. Auf MANTAR wurde ich erstmals vor etwa einem Jahr aufmerksam. Dabei stolperte ich zunächst über das ungewöhnliche Cover der Erstlingswerks „Death by Burning“, das wie ein klassisches Gemälde aus der Zeit des großes Hieronymus Bosch anmutet und eine junge Frau mit einer Kerzenkrone auf dem MantarHaupt zeigt. Das Bildnis vor schwarzem Hintergrund nötigt den Betrachter förmlich, sich die Frage zu stellen, was wohl geschieht, wenn die Kerzen heruntergebrannt sind. Vermutlich werden die Haare der holden Maid Feuer fangen und sie einen qualvollen Tod sterben. Ebenso originär wie das Element Feuer bietet sich auch die Musik der Bremer MANTAR dar, die Musik abseits jeglicher Schubladen machen. Eigentlich lässt sich nur sagen, dass der Sound hart und finster ist. Ob man das Ganze nun als Black Metal, Hardcore, Noise-Rock, Horror-Punk oder Doom verortet, bleibt der Fantasie des Hörers überlassen. MANTARs eigene Definition des Sounds bringt es auf den Punkt: „No gimmicks, no image, pure rage.“


Als Album-Rezensent eines Magazins flattern mir täglich Dutzende neue Scheiben auf den Tisch, in die ich sicherlich nicht alle reinhöre, wohl aber in viele, doch in der Regel bleibt nur wenig dabei hängen. „Death by Burning“ ist definitiv ein MantarAlbum, das hängenblieb. Dieser pechschwarze Bastard aus Noise-Punk, Black Metal und Doom hallte so finster und doch so lebendig, so hart und doch so atmosphärisch aus den Boxen, dass mich interessierte, welche Köpfe sich hinter dem Namen MANTAR verbergen. Ich staunte schließlich nicht schlecht, als ich realisierte, dass mit Hanno (Gitarre und Gesang) und Erinc (Schlagzeug) lediglich zwei Musiker für das dargebotene Inferno verantwortlich zeichnen. Umso gespannter war ich, wie sich die Formation live präsentieren würde. Der eingangs erwähnte Fakt, dass sich die Band nicht leicht kategorisieren lässt, sorgte in der Räucherkammer Mantarimmerhin schon mal dafür, dass eine ungewöhnliche Publikumsmischung zusammenkam. Ich traf Leute, denen ich zuletzt bei den VIBRATORS und bei MONSTER MAGNET begegnet war und andere, die sich auf den anstehenden Gig von BLACK LABEL SOCIETY freuten, zudem war ein bekannter Doom-Forscher vor Ort – und alle kamen, um MANTAR zu sehen. Bereits dies beweist, dass eine gewisse Faszination von dem Duo ausgeht, das sich jenseits von Genres bewegt.

Bevor es nach keiner allzu langen Umbau-Pause losging, wurde die Bühne erstmal ordentlich eingenebelt und – dies war zumindest mein Eindruck – das Licht noch weiter heruntergedimmt. Das Bühnenbild wirkte stimmig: MantarBodennebel, im Hintergrund ein – leider zu kurzes – Banner, auf dem ein finsterer Wald zu sehen war, das hatte fast schon etwas von einer Horrorfilm-Kulisse zu Zeiten der dämonischen Leinwand. Beim Erscheinen der Bremer musste ich an Danzig, beziehungsweise dessen erste Band MISFITS denken, denn die Jungs präsentierten sich ebenfalls in klassischem Schwarz und mit freien Oberkörpern. Gefehlt haben lediglich Motorradstiefel und Devilocks.

MantarDie Positionierung der Musiker war ebenfalls ungewöhnlich, denn das Duo stand nicht Seite an Seite und mit dem Blick zum Publikum gerichtet auf dem Podest, sondern seitlich der Menge gegenüber, so als ob es des steten Blickkontaktes bedarf, um die Magie auf der Bühne zu entfachen. Und dann brach die Hölle los. Erinc, der Hüne hinter den Drums bearbeitete in bester Chuck Biscuits-Manier die Felle und Hanno, der schlaksige Sänger und Gitarrist, explodierte förmlich, fegte wie ein ADHS-Jünger mit Raketen-, Verzeihung, Schwefelantrieb über die Bühne und erinnerte ob seiner unorthodoxen Bewegungen oftmals an eine Comicfigur, die noch erfunden werden muss. Eine Mischung aus Jack Skelington und dem HB-Männchen käme der Figur vermutlich sehr nahe.

MantarDer Sound wirkte auf mich hypnotisierend: Langsame, schwere Metal-Riffs („Cult Witness“), die auch von Vertretern der NWOBHM hätten stammen können, wechselten sich mit eingängigen Black-Metal-Passagen der Marke VENOM oder MIDNIGHT ab, zudem nahm ich Noise-Rock- Elemente wahr, die mich an Acts wie SURGERY, UNSANE oder frühe MELVINS erinnerten. Dies sind wohl bemerkt meine ganz eigenen Assoziationen, Musikfans mit anderem Genre-Background werden dies vermutlich anders erlebt haben. Auf jeden Fall weckt die Band in mir Erinnerungen an viele unterschiedliche Acts, die ich allesamt sehr verehre, ohne die jeweiligen Originale bewusst zu kopieren, geschweige denn – so vermute ich mal – zu kennen.

Noch konsequenter wäre der Auftritt meines Erachtens gewesen, wenn die Band keine Ansagen gemacht hätte, dann hätte die geballte Wucht der Finsternis das Publikum noch härter getroffen. Die sympathisch wirkenden Ansagen Mantarstörten die düstere Atmosphäre empfindlich. Dennoch, der Gig war ein echtes Erlebnis: Kurzweilig, frisch, mitreißend und für mich jetzt schon ein heißer Anwärter auf mein Konzert des Jahres. Bleibt zu hoffen, dass die Jungs uns bald wieder beehren. Im Sommer, so gab Hanno Auskunft, geht’s ins Studio, um eine neue Scheibe einzuspielen und im Herbst/Winter vielleicht auf Tour. MANTAR sind definitiv ein Tipp für alle, die harten Klängen nicht abgeneigt sind und sich live gerne überraschen lassen.

Links: https://de-de.facebook.com/hessaja, http://hessaja.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Hessaja, http://mantarband.blogspot.de/, http://mantar.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/MantarBand, http://www.lastfm.de/music/Mantar

Text (HE), Fotos (15) & Clips: Micha
Text (MA) & Fotos (5): Marcus

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