MDC & SIBERIAN MEAT GRINDER

Au, Frankfurt, 19.07.2015

MDCOb D.O.A., SFA, SNFU oder MDC – Bandnamen, die aus Abkürzungen bestehen, erfreuen sich besonders im Hardcore- und Punk-Genre großer Beliebtheit. MDC ist dabei ein Kürzel, hinter dem sich nicht nur eine, sondern gleich mehrere Bedeutungen verbergen, und mit jeder weiteren Album-Veröffentlichung kommt eine hinzu. So stand die Abkürzung bereits für Millions of Dead Cops, Multi-Death Corporation, Millions of Damn Christians, Missile Destroyed Civilization, Metal Devil Cokes, Male Dominated Culture, Millions of Dead Congressmen, Marine Death Corps, Millions of Dead Children oder etwa Magnus Dominus Corpus – um nur einige zu nennen. Bereits dies macht deutlich, dass die 1979 in Texas gegründete Band einen Hang zu politischen Botschaften hegt, der sich im gesamten Schaffen der MDCAmerikaner widerspiegelt. Die zynischen und oft bösartigen Lyrics von MDC stammen aus der Feder von Shouter Dave Dictor (rechts), der als sexuell offener und linkspolitisch eingestellter junger Mensch in einem konservativen Umfeld aufwuchs und daraus die Inspiration für viele Texte bezog. Nach 36 Jahren Bandgeschichte steht Dave noch immer auf der Bühne, seit 2005 sogar wieder mit Original-Gitarrist Ron Posner. Für Punk- und Hardcore-Fans war der gestrige Abend in der Frankfurter Au daher ein Pflicht-Termin.

Doch bevor dem Punk-Dino die Bühne gehörte, präsentierte sich mit SIBERIAN MEAT GRINDER, kurz SMG, eine ungewöhnliche Gruppe aus Moskau im Kellerclub. Das Sextett besteht seit 2011 und rekrutiert sich aus Musikern der Siberian Meat GrinderFormationen WHAT WE FEEL, RAZOR BOIS und MOSCOW DEATH BRIGADE, die sich – in der genannten Reihenfolge – den Genres Hardcore, Oi und Hiphop widmen. Unter dem Signet SMG liefern die Jungs allerdings eine Mischung aus Crossover und Thrash, angesiedelt irgendwo zwischen D.R.I. (noch ne Abkürzung), ANTHRAX und SUICIDAL TENDENCIES.

Siberian Meat GrinderUngewöhnlich an der Formation ist, dass sie mit zwei Frontmännern agiert, die regelmäßigen Besuchern der Au noch vom Gig des Rap-Acts MOSCOW DEATH BRIGADE bekannt sein dürfte, der im Mai 2014 am gleichen Ort gastierte. Die Maskierung der Sänger hat dabei nicht nur showtechnische Gründe, sondern dient auch dem Selbstschutz. SMG sind in ihren Liedern zwar weniger politisch als bei ihrem Rap- Projekt, lassen aber dennoch keine Möglichkeit aus, gegen Nazis, Polizeigewalt und staatliche Unterdrückung in ihrem Land zu wettern. Damit macht man sich bei den Schergen Putins nicht unbedingt beliebt und musste bereits viele Übergriffe erdulden. Dass die Musiker dennoch unbeirrt ihren Weg gehen, ist bewundernswert.


Live wurden die Songs der bisherigen zwei EPs dargeboten, die just auf einer neu veröffentlichten LP mit schickem Cover-Artwork zusammengefasst wurden. Siberian Meat GrinderMusikalisch lieferten die Jungs eine Mischung aus extrem partytauglichen Thrash/Crossover und Hardcore, der durch eigene Stücke wie „Chainsaw in the Dark“ und „Slay the Dragon“, aber auch durch Cover-Songs von SUICIDAL TENDENCIES („Suicidal Maniac“) oder der Titelmelodie des „Teenage Mutant Ninja Turtles“- Cartoons bestach. Das Ganze rangierte vom Songwriting zwar nicht unbedingt auf dem Niveau der eingangs erwähnten oder aktuellen Acts wie MUNICIPAL WASTE oder TOXIC HOLOCAUST, erfüllte als Opener aber durchaus seinen Zweck.

Nach einer längeren Umbau-Pause, die die Besucher wegen der tropischen Temperaturen im Biergarten verbrachten, legten MDC schließlich los. Ob der Polit-Texte und des Engagements gegen Polizeigewalt, Kapitalismus, Rassismus MDCund Homophobie war es nicht der erste Gig der Texaner in der Au. Tatsächlich habe ich die US-Boys, die inzwischen in Portland eine neue Heimat gefunden haben, bereits des Öfteren hier erlebt, zuletzt im August 2011. MDC sind eine Band, die ihre Aussagen nicht hinter Metaphern verbirgt, sondern stets in deutlichen Worten formuliert. Dies hat der Formation unter anderem eine Indizierung ihrer (noch) MDCaktuellen Scheibe „Magnus Dominus Corpus“ eingebracht, da der Song „Let’s Kill all the Cops“ als „verrohend und zu Gewalttätigkeit anreizend“ eingestuft wurde. Tatsächlich sind MDC aufgrund ihrer Lyrics auch schon mit Musikern der eigenen Szenen, zum Beispiel den Engländern CRASS, aneinander geraten.

Auf der anderen Seite scheuen sich Dictor und seine Mannen auch nicht, anderen Acts den gestreckten Mittelfinger ins Gesicht zu halten. So geschehen mit den bekennend schwulenfeindlichen BAD BRAINS, mit denen es einst während einer gemeinsamen Tour zum Eklat kam, weil Sänger H.R. sich weigerte, mit den BIG BOYS und deren schwulen Sänger Randy „Biscuit“ Turner MDCdie Bühne zu teilen. Kurzum, MDC hatten schon immer ihre ganz eigenen Ansichten und waren bereit, dafür zu streiten. Am gestrigen Abend wurden diese Ansichten in nicht weniger als 34 Songs kundgetan, deren Gros vom Magnum Opus „Millions of Dead Cops“ aus dem Jahr 1982 stammte.

Highlights waren unter anderem „John Wayne Was a Nazi“, „Chicken Squak“, die MDC-Interpretation des Country-Klassikers „Deep in the Heart of Texas“, die selbstredend mit ganz anderem Text als das Original aufwartet, „Nazis Shouldn’t Drive“, „Shades of Brown“ und natürlich „I Remember“ und „Dead Cops“. Ob man nun auf die MDCpolitischen Botschaften steht oder nicht, MDC machten live Laune und sorgten für Stimmung im gut gefüllten kleinen Club. Der 58-jährige Frontmann bot dabei eine Show, wie ich sie mir eigentlich von Jerry A. und POISON IDEA, die vor einigen Monaten an gleicher Stätte gastierten, gewünscht hätte. Dictor war agil, hatte sichtlich Spaß und hielt sich mit Statements zu seinen Songs stark zurück, sodass stets die Musik und der Spaß im Mittelpunkt des Geschehens standen.

Es war einmal mehr eine feucht-fröhliche Sommer-Party in der Au, die mir am nächsten Tag wieder mal einen fetten Schädel bescherte. Etwas verwundert war MDCich indes über die Tatsache, dass der große Kapitalismus- und Konsum-Kritiker Dave Dictor nach dem Konzert mit dem neuesten XL-Modell des iPhones umher sprang und Erinnerungsfotos schoss. Wenn man in die Jahre kommt, verschieben sich offensichtlich die Prioritäten und die Bequemlichkeit setzt sich gegenüber der jugendlichen Wut im Bauch durch…

Links: https://www.facebook.com/siberianmeatgrinder, http://siberianmeatgrinder.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Siberian+Meat+Grinder, http://www.mdc-punk.com.html, https://myspace.com/mdc, http://www.lastfm.de/music/MDC

Text: Marcus / Fotos (20) & Clips: Kai
Fotos (5): Matthias, http://www.cxc.info/

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