METAL CHURCH

Colos-Saal, Aschaffenburg, 12.06.2017

Metal ChurchMit den Erwartungen ist das ja immer so eine Sache. Kennt man von einer Band nur die legendären Anfangswerke, eingespielt in fast komplett anderer Besetzung als das, was über mehrere Dekaden später eingezimmert wurde, kann es den Blick auf das, was bei so einem Live-Event kommen möge, schon leicht verzerren. Beispiel gefällig? METAL CHURCH. Die Band aus San Francisco lieferte mit dem gleichnamigen Debüt 1984 einen Klassiker ab, der einschlug wie die sprichwörtliche Bombe. Beeinflusst gleichermaßen von der NWOBHM wie dem amerikanischen Schmelztiegel der Bay Area, steht „Metal Church“ mit seiner dunklen Atmosphäre (heute würde man es hip „okkult“ nennen) als Solitär da, der höchstens mit den Scheiben von MERCIFUL FATE verwandt ist.

METALLICA waren Fans und nahmen die Formation auf ihre „Damage Inc.“-Tour mit, die durch den dramatischen Busunfall METALLICAs mit Todesfolge für ihren Bassisten Cliff Burton traurige Berühmtheit erlangte. Nach Veröffentlichung des nicht-ganz-so-tollen Nachfolgers „The Dark“, der aber Metal Churchimmer noch Klasse hatte, hätte es für METAL CHURCH steil nach oben gehen müssen, aber personelle Querelen bremsten die Combo aus. So extrem, dass ich die Band komplett vom Schirm verlor. „Metal Church“, das Album, lief aber immer mal wieder. Und wieder. Und wieder.

Immerhin nahm ich oberflächlich zur Kenntnis, dass es die Band trotz mehrerer Pausen und Besetzungswechsel noch gab und sie fleißig weiter veröffentlichte. Und dass die späteren Alben durchaus ihre Freunde fanden. So wurde in der Vorankündigung zum gestrigen Abend freudig von der „Wiedervereinigung von Mike und METAL Metal ChurchCHURCH“ geschwärmt. Mike? Nachdem der großartige, aber drogenbedingt wohl ziemlich unzuverlässige (und inzwischen verstorbene) erste Sänger David Wayne nach „The Dark“ seinen Hut nehmen musste, übernahm Mike Howe (rechts) das Mikro. Bis 1995. Dann kam ein Herr namens Ronny Munroe. Als der ging, überlegte Bandboss Kurdt Vanderhoof (git.) laut Interview im Deaf Forever durchaus eine Umbenennung der Kultgruppe, sollte ein vierter Sänger eingearbeitet werden müssen. Dazu kam es nicht, Mike Howe sicherte durch seinen Wiedereintritt die Marke, die zwar gestern den Aschaffenburger Colos-Saal nicht ausverkaufte, aber gut genug füllte um eine ordentliche Party zu feiern.

Trotz Bleifußes auf der Autobahn bekamen wir von dem Schweizer Support COMANIAC (Foto unten, weitere in der Slideshow) nur noch zwei Songs mit. Die wurden von den älteren Kuttenträgern im Saal so abgefeiert, dass ComaniacSänger und Gitarrist Jonas Schmid das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekam. COMANIAC steht für „Company Of Maniacs“, das Quartett zelebriert seit 2012 Thrashmetal und macht das so erfrischend, dass sie live nicht hinter ihren großen Vorbildern, denen sie auch durch die Wahl der Shirts Tribut zollten, zurückstehen müssen. Hätte ich gerne mehr von gesehen, aber das war bestimmt nicht das letzte Mal. Respekt.

Eben diesen muss man auch der aktuellen Besetzung von METAL CHURCH zollen, egal, was man über die Setlist denken mag. Laut meinem Begleiter, der die Band ernsthaft für „nicht existent“ hielt nach der Tour mit METALLICA 1987 und der folgerichtig einen Mix der ersten beiden Alben für den Abend erwartete, spielten METAL CHURCH eigentlich „nur zwei Songs“ – nämlich „Beyond the Black“ vom Debüt kurz vor der Zugabe, sowie zwei von „The Dark“, mit denen er Metal Churchaber so wenig einverstanden war, dass er sie zu einem Lied zusammenzog. Tja, kann man machen – ist man halt ein wenig ignorant, dann.

Songs wie „Reset“, „Killing Your Time“, „No Tomorrow“ oder „Needle and Suture“ vom aktuellen Longplayer „XI“ und die Mike Howe-„Klassiker“ „Date with Poverty“ (mit der Wahnsinnsline „I’m so broke I can’t even pay attention“ – unfassbarer Brüller) oder „Fake Healer“ von Metal Churchseinem Debüt „Blessing in Disguise“ kamen bei den Herren (und Damen) im Pit extrem gut an. Es wurde fleißig mitgegrölt und, der Zeitgeist macht eben auch vor Metal-Senioren nicht halt, mit den Smartphones mitgeschnitten. Die Stimme und die Performance Howes waren aber auch über jeden Zweifel erhaben. Vanderhoof zur Linken und Bassist Steve Unger zur Rechten kamen stimmungstechnisch im Lauf der Metal ChurchShow immer mehr in Fahrt, ebenso wie Neu-Schlagzeuger Stet Howland (Ex-W.A.S.P.). Nur Gitarrist Nummer Zwei, Rick Van Zandt (nicht verwandt mit Little Steven), hielt sich etwas zurück, was an seiner kürzlich durchgeführten Augen-OP gelegen haben mag.

Überhaupt waren „witzig“ und „Spaß“ die Attribute des Abends (etwa wenn Howe Hoffnungen weckte mit „Now we go waaaayyyy back…..to 2016“) – und das ist für einen Fan des ersten Albums fast schon schwer zu ertragen. Treffen diese Begriffe doch auf „Metal Church“, das Album, höchstens im übertragenen Sinne zu. Trotzdem war das ein hochklassiger Konzertabend, der nach 90 Metal ChurchMinuten und der Zugabe mit „Badlands“ und „The Human Factor“ zu Ende ging. Tja. Wären wir doch etwas früher wieder auf die Jungs aufmerksam geworden: 2014, da sang noch Ronny Munroe, standen noch drei bis vier Songs von der Scheibe „Metal Church“ auf der Setlist. Aber wer weiß, vielleicht kommt es mit dem ja auch noch zu einer Reunion. Nächstes Mal.

Links: http://comaniac.ch/, https://www.facebook.com/ComaniacOfficial, https://comaniac.bandcamp.com/album/instruction-for-destruction, https://www.reverbnation.com/comaniac, https://www.last.fm/music/Comaniac, https://metalchurchofficial.com/, https://www.facebook.com/OfficialMetalChurch, https://soundcloud.com/metalchurch, https://www.reverbnation.com/metalchurch, https://www.last.fm/music/Metal+Church

Text, Fotos & Clips: Micha

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1 Comment

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One Response to METAL CHURCH

  1. vadim novikov

    Hallo, liebe Leser!

    Ich war ebenfalls bei „Metal Church“ und nehme nun zu dem Artikel des allseits hoch geschätzten Autors hiermit Stellung wie folgt:

    Zitat aus dem besagten Artikel: – „Tja, kann man machen – ist man halt ein wenig ignorant, dann.“

    So wertet der Autor die Aussage seines Begleiters. Ich halte diese jedoch für eine objektive Beurteilung des Ganzen.

    Zitat: – „Überhaupt waren „witzig“ und „Spaß“ die Attribute des Abends (etwa wenn Howe Hoffnungen weckte mit „Now we go waaaayyyy back.. to 2016″)“

    Der mehrfach vom Sänger wiederholte Spruch war weder witzig, noch spaßig, sondern eine dreiste Verhöhnung der Fans! Passte leider zum Gesamtbild.

    Zitat: – „Die Stimme und die Performance Howes waren aber auch über jeden Zweifel erhaben.“

    Meine Wahrnehmung war gleichwohl eine völlig andere: Gekleidet wie ein Poser, agierte der Kerl auch noch so. Sämtliche Gesten und Bewegungen
    waren viel zu theatralisch und wirkten aufgesetzt, poserhaft eben. Viel zu oft und viel zu lange stand der Typ mit ausgebreiteten Armen da, die eitel
    gefärbte Rübe nach hinten gekippt. Mit der Pose provozierte er den gerechten Zorn Gottes, welcher leider ausblieb. Erschwerend kam auch noch hinzu, dass Howe sehr häufig das Publikum mit Fingerbewegungen zu mehr Applaus aufforderte, mit denen man üblicherweise Hunde und kleine Kinder zu sich lockt. Das hatte schon sehr viel von Fips Asmussen, der nach jedem weiteren Rohrkrepierer auf der Bühne mit der gleichen Fingerbewegung um Applaus bettelte.

    Zitat: – „Respekt. Eben diesen muss man auch der aktuellen Besetzung von METAL CHURCH zollen, egal, was man über die Setlist denken mag.“

    Tja, wie soll man einer Band Respekt zollen, die weder die eigene Musik, noch die eigenen Fans respektiert ?!

    Fazit: Der Auftritt war insgesamt gesehen eine Unverschämtheit. Selten fühlte ich mich nach einer Konzertveranstaltung derart verarscht.
    Es war quasi „Metal Church“ ohne „Metal Church“! Die Songauswahl lässt Übles vermuten, erdreiste sich die Band doch glatt, den titelgebenden
    Klassiker nicht zu präsentieren.

    Bewertung: Eine schallende Ohrfeige für das zahlende Publikum. Selbst verliebtes, arrogantes Posergehabe. Ein schlimmer, erschreckender
    Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten, als uns allen die bunt gekleideten und geschminkten Bands mir ihrer gräßlichen Fahrstuhl / Kaugummi – „Musik“ tierisch auf den Sack gingen!

    Bevor fälschlicherweise der Eindruck entsteht, ich sei ein notorischer Miesmacher: Die Band „Sepultura“ zeigte 16 Tage später an gleicher
    Stelle eindrucksvoll, wie es sein sollte: Man spielt neue Songs UND alte Kracher! Das Ergebnis war ein herausragendes Konzert!

    Alles Gute, liebe Leser!

    Euer E.H.