Exzess, Frankfurt, 29.08.2016
Wenn die Frankfurter Konzert-Veranstalter Face Slap am Werke sind, dann bedeutet dies in der Regel, dass die Zuschauer ein brachiales Punkrock- Brett erwartet. Das war bereits im Fall der NIGHT BIRDS, PISS TEST, P.R.O.B.L.E.M.S. und der CHEMICALS so und setzte sich auch am gestrigen Abend fort, als im Exzess die aus Long Beach, Kalifornien, stammenden NEIGHBORHOOD BRATS gastierten. Und die haben mit den eingangs genannten Acts eines gemein, nämlich das Münchner Label Taken by Surprise, das bereits viele Alben der erwähnten Formationen hierzulande auf Vinyl veröffentlicht hat und somit für Freunde des dreckigen, schnörkellosen Punkrocks eine gute Adresse ist.
Die NEIGBORHOOD BRATS gibt es bereits seit einer knappen Dekade. Nach einer Fast-Auflösung besannen sich die Gründungsmitglieder Jenny Angelillo (Gesang) und George Rager (Gitarre) noch einmal und stellten ein neues Lineup zusammen, das nun stabil zu sein scheint. Mit von der Partie ist unter anderem auch der aktuelle Drummer der SWINGING UTTERS. Seit Gründung der Band erschienen bereits einige Singles und EPs, die besonders in der lokalen Punk-Szene Kaliforniens große Beachtung fanden und unter anderem die L.A. Times zu dem Kommentar „a female fronted BLACK FLAG“ veranlasste. Und dem ist tatsächlich so. Instrumental lieferten die Amerikaner krachenden SoCal-Oldschool-Punk im Stile der CIRCLE JERKS, D.I. oder der ADOLESCENTS, der dank Sängerin Jenny mit einer gehörigen Riot-Grrrl-Attitüde dargeboten wird.
Dabei dürften nicht zuletzt die Labelgenossen der NIGHT BIRDS einen gewissen Einfluss auf die NEIGHBORHOOD BRATS gehabt haben, denn der Hang zu treibenden Riffs und einprägsamen Melodien findet sich auch hier wieder. 2014 erschien schließlich das Debütalbum „Recovery“, das hinter der ruppigen Produktion eine erstaunliche Bandbreite von Songs offenbart. Von fast schon poppigen Nummern wie „Suburbia“ und „Painted and Gutted“, die an frühe BLONDIE-Outputs erinnern, über schnelle Surfsongs („Escape the City“) im NIGHT BIRDS-Stil bis hin zu brutalen Punk-Tracks wie „50 Shades of Fuck You“ hat „Recovery“ alles zu bieten, was das Punk-Herz begehrt, wobei besonders der Kontrast zwischen den rasanten Riffs und Jennys charismatischem Wave-Gesang zu gefallen weiß.
Die Europatour der Kalifornier bestand aus elf aufeinander folgenden Gigs, bei denen die BRATS immerhin achtmal Station in Deutschland machten. Bremen, Amsterdam, Hamburg und Berlin waren die Städte, in denen sie an den Vortagen gastierten und ob der langen Wege machte die Band vor dem Auftritt im Exzess einen dementsprechend abgekämpften Eindruck. Der verflog allerdings recht schnell, als das Konzert begann und Jenny wie ein atombetriebener Duracell-Hase vor dem Publikum agierte. Der Sound war mitreißend, aber leider – wie auf dem Album – viel zu leise abgemischt. In den hinteren Reihen war die Stimme gar nicht zu hören und ganz vorne nur sehr leise – was schade ist, denn die Dame hat ein wirklich angenehmes Organ.
Der Stimmung tat das aber keinen Abbruch, denn auch instrumental machten die NEIGHBORHOOD BRATS eine gute Figur. Dem manischen Gitarrensound konnte man sich kaum entziehen und besonders vor der Bühne ließen sich die Gäste vom zierlichen Fronttornado Jenny anstecken, der stark an Tibbie X von den GASH und REAGAN YOUTH erinnerte. Präsentiert wurden gut 20 Stücke der bisherigen Veröffentlichungen, von denen kaum eines länger als zwei Minuten war, 1-2-3-4-Punk at it‘s best. Nach knapp 40 Minuten war das Punkrock-Gewitter dann auch schon wieder vorüber, hinterließ aber ein zufriedenes Publikum, das im Anschluss den Merchandise-Stand stürmte und sich dort mit den Tonträgern versorgte. Fazit: Viel Old-School-Charme, mitreißende, treibende Songs und eine eindrucksvolle Frontfrau, die – zumindest am gestrigen Abend – leider nicht allzu gut zu hören war. Zweifelsohne eine Band, die man im Auge behalten sollte!
Links: https://de-de.facebook.com/neighborhoodbrats/, https://neighborhoodbrats.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Neighborhood+Brats
Text: Marcus / Fotos: Boris, http://www.borisschoeppner.de/
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