NOCTURNAL, PROCESSION, BEYOND, DEGIAL, KHAOS AEON

Das Rind, Rüsselsheim, 7.03.2014

Thrash Metal, Death Metal, Doom Metal, Black Metal: Nur vom Allerfeinsten war die (sub)genre-übergreifende Bandauswahl anlässlich NOCTURNAL’s Releaseparty im Rüsselsheimer Rind. Gefeiert wurde das Erscheinen des dritten, „Storming Evil“ betitelten Longplayers von NOCTURNAL. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis vor kurzem von der Mainzer Combo gar nichts wusste, obwohl sie bereits seit 2000 existiert und vor der Veröffentlichung ihrer ersten LP 2004 bereits mehrere Demos und Split-EPs herausgebracht hat. Allerdings habe ich bis 2005 auch SODOM verschlafen im Sinne von ignoriert – sehr viel peinlicher, in der Tat, und inzwischen eine meiner Lieblingsbands. Zum Mitfeiern eingeladen waren vier Acts, die sich je nach Lesart schwerpunktmäßig sehr voneinander unterschieden und die trotzdem viel gemein hatten.

Die Nachbarn aus Worms KHAOS AEON, die um 19.30 Uhr das Spektakel eröffneten, spielen eine Art epischen, doomigen Black Metal. Nach einem Album auf einem Label mit zumindest zweifelhaftem Renommee veröffentlichte das

unlängst zum Trio geschrumpfte Quartett sein neuestes Werk „Koenigreich“ in kompletter Eigenregie. Diversen Göttern der Antike wird hier gehuldigt, bedeutungsschwanger esoterisch ins Mikro geächzt und dabei, im Gegensatz zu anderen, die ähnliches Terrain beackern, eine nihilistische Lebensfreude gepriesen („Life“) oder sowas wie ein okkulter Sozialismus gepredigt („Koenigreich“ – „The servant isn’t less worth than the king, the servant will be the true creator“).

Wie auch immer, live versteht eh keiner die Texte und musikalisch überzeugte das Trio nicht nur mich auf ganzer Linie. Während G am Bass und Phosphorus am Schlagzeug stilecht verhalten-evil den Soundteppich verwalteten, managte der Frontschrank Izethos (oben) die Doppelbelastung Gitarre und Gesang konzentriert und bar jeder Posen. Ein überzeugender, etwa 45-minütiger Auftritt, der Lust auf mehr machte und mich die ersten Tonträger besorgen ließ. Dass es noch etwas fieser geht, bewies die nächste Band, die Schweden DEGIAL.

Zum zweiten Mal war ich auf einem Metal-Konzert im Rind mit mehreren Acts – und eine Sache habe ich bisher nur dort erlebt und finde ich extrem sympathisch: Die Soundchecks zwischen den Auftritten. Gemacht von den

Musikern, die gleich auf der Bühne stehen, allerdings ohne die später zu addierende „Kriegsbemalung“. Man kriegt teilweise sehr ausführliche Fragmente der Songs um die Ohren (die dritten im Bunde gestern, BEYOND, ließen das Volk schon im Soundcheck steil gehen), die Musikanten scheuen sich aber nicht, das in mehr oder weniger Alltagskluft zu tun. Das war bei DEGIAL besonders auffällig.

Beim Soundcheck noch die blonden Langhaardackel mit denen man sich im „Easy“ gerne ein Bier teilt, beim Auftritt eine Horde reißwütiger, unnahbarer Wölfe, die kein Wort und keinen Ton zuviel von sich gaben. DEGIAL’s Auftritt war kürzer als der von KHAOS AEON, beide spielen sowas wie Black Metal; der der Schweden ist aber rasender und entscheidender von (okkultem) Death Metal wie dem der frühen MORBID ANGEL geprägt (deren Einflüsse man an diesem Abend häufiger bemerkte).

Das an eine Rocker- Gang gemahnende Rückenpatch (Foto unten) weist die Jungs von DEGIAL als Mitglieder des Metal Of Death–Clans Uppsala aus – einer Zusammenrottung künstlerischer und individueller Gestalten, zu denen auch die von mir extrem verehrten Musiker von IN SOLITUDE und WATAIN, aber auch Folkmusiker

und andere Kreative gehören. Warum Metal Of Death und nicht Death Metal? Darüber kann ich nur spekulieren – wenn man aber davon ausgeht, dass schwedischer Death Metal in der Regel mit den klinischer und weit kommerzielleren Bands aus Göteborg (wie IN FLAMES, SOILWORK, etc.) assoziiert wird, dann tut eine Abgrenzung ja wohl mehr als not. „True Metal“, wenn man so will. „True“ aber im Sinne von ernsthaft und originär und durchaus auch für andersartige Einflüsse offen und nicht im Sinne einer egozentrischen Sicht von „Trve“ wie zum Beispiel bei MANOWAR. So gesehen, und das war das Verbindende bei allen gestern auftretenden Bands, war die Rüsselsheimer Release-Party ein „True“-Metal-Abend mit diversen authentischen Facetten.

DEGIAL hinterließen erstmal verbrannte Erde und können in ein paar Tagen (23. März) nochmal als Opener für ihre Buddies WATAIN im Steinbruch-Theater Darmstadt-Mühltal bestaunt werden.

Die nächste Band waren die mir unbekannten BEYOND, ebenfalls aus Mainz. Personenkult und Stargehabe kann man den Herren auch nicht vorwerfen, die da R., R., A. und X. heißen. 2010 gegründet, haben die Jungs einen Longplayer am Start („Fatal Power Of Death“, 2013), der überall ziemlich gute Kritiken absahnte. Wie schon erwähnt knallten uns BEYOND bereits

während des Soundchecks ein paar sehr geile, thrashige DM- Salven ans Toupet, doch der Schritt zum Bühnenoutfit war diesmal ein eher kleiner: Ein paar Streifen dunkle Kriegsbemalung in das Gesicht reichten hier völlig aus. Nach dem Auftritt von BEYOND fühlte ich mich weniger zermalmt als nach DEGIAL, sondern mehr zerschreddert, das war aber auch ein tolles Gefühl.

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Musikalisch am ehesten aus dem Gesamtrahmen fielen die folgenden PROCESSION, eine Doomband, die live das Tempo aber genug anzog um dem Kopf beim Bangen zwar eine Pause zu können, ihn aber nicht zu unterfordern.

Frontmann Felipe Plaza gründete die Band zusammen mit Daniel Perez 2006 in Chile, mittlerweile residieren Plaza und seine Kollegen aber in Schweden. Plaza ist einer der zugezogenen Metal Of Death-Mitglieder, IN SOLITUDE-Drummer Uno Bruniusson sitzt, trotz parallel stattfindender Supporttour seiner Stammband mit BEHEMOTH, auch am Schlagzeug der Doomtruppe; und der Gitarrengurt Plazas weist ebenfalls darauf hin, dass er sich in der Uppsala-Szene recht wohl zu fühlen scheint.

Der Auftritt von PROCESSION war der Einzige, bei dem ein Großteil des Publikums ausgetauscht schien – neben ein paar fröhlichen, zu Recht alles abfeiernden Kutten direkt an der Bühne waren mehr

Kombinationen aus Lederjacken, langen Haaren und Bärten im Saal als bei den Bands vorher.

Mehr noch als beim Hammer Of Doom vor knapp fünf Monaten in Würzburg trug das Rüsselsheimer Publikum die Band auf Händen, sang lautstark alles mit und rang den Musikern auch die erste Zugabe des Abends ab. Sehr schön. Live demnächst nochmal zu erleben als Support von ESOTERIC am 13.April im Steinbruch-Theater in Darmstadt-Mühltal.

Und dann endlich der Headliner, die Gastgeber: NOCTURNAL beschwören den Thrash der 80er, den deutschen sowie den amerikanischen, und retten ihn ins gegenwärtige Jahrzehnt, inklusive DESTRUCTION-Gedächtnis-Outfit.

Sehr, sehr geil würde der Edeka-Mann dazu sagen, ebenso wie die Atmosphäre, die bei aller Härte im Gegensatz zu den ersten drei Bands auch Herzlichkeit und Spaß verströmte. Ist das etwa die weibliche Note, personifiziert durch Kreisch-und Growlmeisterin Tyrannizer? Nein, das ist das tolle am (in diesem Fall stark angeschwärzten) Thrash-Metal: Nimmt sich selbst nicht zu ernst und goutiert durchaus Artverwandtes wie BM, DM und Punkrock, weswegen ich mit meinem Exploited-Shirt auch nicht unangenehm auffiel.

Nach einem langen Arbeitstag und viereinhalb Stunden Metal im Saal verließ ich Das Rind entkräftet leider vor dem Ende der Show. Es sei mir verziehen, meine Heimreise dauerte ja auch noch eine Weile. Als Fast-Nachbarn von uns werden NOCTURNAL hoffentlich noch häufiger in der Gegend zu erleben sein, wir sehen uns dort.

Links: http://www.khaos-aeon.de/, https://myspace.com/khaosaeon, http://www.lastfm.de/music/Khaos+Aeon, http://www.degialofficial.com, https://myspace.com/degialdeathmetal, http://www.lastfm.de/music/Degial, http://www.lastfm.de/music/Beyond, https://myspace.com/processionburn, http://www.lastfm.de/music/Procession, https://myspace.com/nocturnalthrash, http://www.lastfm.de/music/Nocturnal, http://www.reverbnation.com/nocturnalunholythrash

Text, Fotos & Clips: Micha

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