PERTURBATOR

Elfer Music Club, Frankfurt, 10.08.2016

PerturbatorÄltere Semester und besonders die Filmfreunde unter Euch dürften sich noch an Siebziger- und Achtziger-Jahre-Streifen wie „Die Klapperschlange“ und „Halloween“ (beide von Regisseur John Carpenter) oder Werke wie „Tenebre“ und „Phenomena“ des italienischen Regisseurs Dario Argento erinnern. Sie alle hatten eines gemein: Einen sphärisch-finsteren Synthie-Soundtrack, der nicht wenige Fans dazu verleitete, sich die jeweilige Filmmusik auch auf Tonträger zuzulegen. Der Soundtrack der erstgenannten Filme stammt aus der Feder von Carpenter selbst, der übrigens ebenfalls gerade mit seiner Musik auf Tour ist, der der italienischen wurde von GOBLIN um Mastermind Claudio Simonetti komponiert.

Vor einigen Jahren entstand nun eine Bewegung, die sich von ebendiesen Soundtracks und darüber hinaus von Synthie-Acts wie TANGERINE DREAM inspirieren ließ, eigene Musik zu imaginären Filmen zu schaffen. Die Bands tragen illustre Namen wie LAZERHAWK, NIGHT SATAN, GOST, DANCE WITH THE DEAD, VHS GLITCH und NOIR DECO, um nur einige zu nennen. PerturbatorSie stammen überwiegend aus den USA, aber auch aus Japan, Finnland und Frankreich. Der Stil, den die Projekte, die zumeist aus nur einem oder zwei Musikern bestehen, geschaffen haben, hört auf die Namen Retro Wave, Cyber Doom oder Synthiecore.

Der Franzose James Kent gilt mit seinem Projekt PERTURBATOR als einer der – wie man es sehen möchte – Wiederentdecker oder Initiatoren des neuen (alten) Genres und blickt, obgleich der Start von PERTURBATOR erst 2012 erfolgte, schon auf vier Alben, sechs EPs und ein Merchandise-Portfolio zurück, das manch alteingesessene Punk- oder Metal-Band neidisch machen dürfte. Ich wurde ursprünglich als Soundtrack-interessierter Horrorfan auf Kent Perturbatoraufmerksam und war überrascht, wie gut Tracks wie „Neo Tokyo“ oder „Satanic Rites“ funktionieren, zumindest wenn man diese laut im Auto hört, dabei durchs nächtliche Frankfurt fährt und sich einbildet, man sei am Set von „Die Klapperschlange“. Ob das Ganze als Live-Performance eine ähnliche Stimmung verbreitet, wollte ich am gestrigen Abend im Elfer herausfinden.

Das Publikum war bunt gemischt, wobei recht viele Metalheads, teilweise mit Kutten, unter den Besuchern auszumachen waren. Der Rest setzte sich aus Elektro-Fans, Sparkassen-Angestellten und einigen vollbärtigen, bebrillten Hipstern mit Baseballmützen zusammen. Auf der Bühne bot sich indes ein ungewohntes Bild: Dort war eine Art futuristischer Geschützturm errichtet worden, hinter dem sich Kent alsbald positionierte. Was genau der 24-Jährige da hinter dem Pult trieb, war nicht ganz ersichtlich, zu erkennen war ein Macbook, aber ob der junge Mann einfach eine CD eingelegt und auf „Play“ gedrückt hatte, blieb sein Geheimnis.

Der Sound wusste aber ähnlich wie bei der nächtlichen Autofahrt zu gefallen und erinnerte stets an die eingangs genannten Vorbilder, wobei die atmosphärische Lightshow ihren Teil zur finster-futuristischen Stimmung der einzelnen Tracks Perturbatorbeitrug. In den ersten 15 Minuten zog mich dieses stimmungsvolle Licht-Sound-Gewitter in seinen Bann und generierte den Eindruck, dass man sich am Set eines fiktiven Films befände. Doch je länger der „Gig“ andauerte, desto mehr kam ich mir doch wie bei einer Disco-Veranstaltung (siehe Videoclip weiter unten) vor, was natürlich auch der Tatsache geschuldet sein mochte, dass ich es gewohnt bin, Musiker mit Instrumenten auf der Bühne zu sehen.

Tatsächlich hätte man das Ganze auch einfach als Retro-Wave-Disco deklarieren können, denn ob da nun jemand auf dem Podest stand war eher unerheblich, zudem sich Kent ohnehin kaum bewegte, nichts sagte und mit seiner Motorradjacke und der Kapuze im Lightshow-Gewitter nur selten gut zu erkennen war. Hatte ich also 20 Euro für eine Synthie-Disco ausgegeben? Ja und Perturbatornein. Der Sound von Kent wusste durchaus zu gefallen, zumal er für seinen Auftritt fast ausnahmslos recht flotte, dynamische Tracks wählte und in Verbindung mit der Lightshow hatte das Ganze schon etwas. 20 Hühner dafür zu verlangen, war dennoch etwas überzogen, denn letztlich handelt es sich um einen Solo-Künstler aus unserem Nachbarland. Am nächsten Tag sollten im Elfer zwei amerikanische Bands für knapp die Hälfte des Eintrittspreises spielen.

Ob PERTURBATOR wirklich sehenswert war, wird sich weisen, wenn sich einige vergleichbare Genre-Vertreter in Frankfurt die Ehre gegeben haben. Zum Beispiel das ebenfalls aus Frankreich stammende Trio CARPENTER BRUT, das am 15. Oktober an gleicher Stelle gastiert und zumindest noch Gitarre und Schlagzeug im Gepäck hat. Den Anwesenden gefiel der gestrige Gig jedenfalls, denn Kent wurde mit großem Applaus verabschiedet und stand später – ohne Kapuze und wie ein 17-jähriger Schuljunge wirkend – strahlend hinter seinem Merch-Stand, wo er diverse Vinyl-Scheiben und T-Shirts über die Theke reichte.

Noch ein Wort zum frühen Konzertbeginn im Elfer: Der Gig begann um 20 Uhr, kurz vor neun war der Spuk bereits wieder vorbei. Es mag den Verantwortlichen ja wichtig sein, dass sie sich um Zehn ins Bett legen können, für das hiesige Nachtleben ist dies allerdings ein Armutszeugnis – willkommen in der Provinz, gute Nacht Frankfurt.


Links: http://www.perturbator.com/, https://www.facebook.com/Perturbator/, https://myspace.com/perturbator6, https://perturbator.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Perturbator

Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von KittyKat90

Alle Bilder:

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