ROBERT PLANT AND THE SENSATIONAL SPACE SHIFTERS

Jahrhunderthalle, Frankfurt, 29.7.2015

Robert Plant & the Sensational Space Shifters

Wer in den Siebziger und Achtziger Jahren aufwuchs und ein Faible für harte Musik jenseits des Pub- oder Glamrock entwickelte (und nicht auf alles schiss, was es vorher gab und ergo nur Punkrock hörte), der kam um die großen Drei des britischen Hardrock nicht herum, egal ob in bewundernder oder ablehnender Art: BLACK SABBATH, DEEP PURPLE und LED ZEPPELIN. Auch wenn man nicht alle drei auf dieselbe Art hörte und schätzte, war die popmusikalische Errungenschaft jeder dieser Formationen nie zweifelhaft – obwohl die beiden Erstgenannten durchaus mit semiguten Alben an der eigenen Legende sägten. Ein Umstand, um den LED ZEPPELIN durch den Tod ihres Schlagzeugers John Bonham 1980 und die daraus folgende Bandauflösung herumkamen.

In meiner Welt als Kind der NWOBHM (New Wave Of British Heavy Metal) waren sowieso SABBATH und PURPLE sowie deren Nachzügler und Sideprojekte die einzig Wahren, auch wenn ZEPPELINs Gitarrenvirtuose Jimmy Page mit seinem Geigenbogengewichse auf der doppelhalsigen Axt im Film „The Robert Plant & the Sensational Space ShiftersSong Remains the Same“ einen Mördereindruck auf den damals juvenilen Verfasser dieser Zeilen machte. Ich habe den Streifen mehrmals im Jahr im „Känguru – Abendstudio“ oder im Programmkino mangels Livepräsenz Page’s genossen. Robert Plant – Ausnahmesänger der Band und hedonistischer Pfau – verschwand danach von meinem Schirm. Kritiken über seine Aktivitäten wie die HONEYDRIPPERS (mit Page, Jeff Beck und Nile Rodgers), diverse Page & Plant-Aufnahmen sowie Soloscheiben, in denen er mit New Wave sowie nordafrikanischer und Robert Plant & the Sensational Space Shiftersasiatischer Roots-Musik flirtete, überlas ich meist. Page & Plant waren auch mal in Frankfurt, Dagewesene bekommen heute noch feuchte Augen. Mir war das ziemlich wurscht, ich hatte WHITESNAKE und DIO. Ich litt höchstens darunter, mich mit 15 noch nicht in die Festhalle getraut zu haben, als LED ZEPPELIN dort am 30. Juni 1980 letztmalig gastierten. Drei Monate vor Bonhams Tod. Tu ich wohl immer noch.

Mittlerweile alt, gebrechlich und auch anderen Klängen zugetan als in den Achtzigern, kam Plant erst 2007 wieder in mein Bewusstsein, als er mit der von mir sehr geschätzten Bluegrass-Künstlerin Alison Krauss das Album „Raising Sand“ veröffentlichte. Eine Kollaboration, die gar nicht so ungewöhnlich war – arbeitete sich Plant ja schon eine Weile an Folk und Blues ab. Und dass Frau Robert Plant & the Sensational Space ShiftersKrauss Robert Plant auf das Innigste verehrt trifft ja auf sehr viele Künstlerinnen zu – und das hat nicht nur etwas mit seinem musikalischen Schaffen zu tun. Im Gegensatz z. B. zu seinem männlichen Verehrer, Bewunderer und zum Teil auch Nachahmer David Coverdale (für den der Gipfel seines Fandoms erreicht wurde, als er mit Jimmy Page 1991 „Coverdale/Page“ veröffentlichte) war Plant immer ein Sexgott, der diesen Umstand nicht in jedem zweiten Song erwähnen musste. Dass seine Stimme zudem besser alterte als die Coverdales schadete seinem Ruf dabei genauso wenig wie seine fehlende Rückwärtsgewandtheit. Und gerade diese ist es, die Plant im Vergleich zu Jimmy Page, der noch von einer (nach 2007) weiteren LED ZEPPELIN-Reunion träumt und bis dahin die alten Aufnahmen zum wiederholten Mal remastered und verkauft, zum Gewinner macht. Künstlerisch gesehen, nicht monetär. Wobei man sich um Plants Kontostand wohl auch keine Sorgen zu machen braucht.

Die Frankfurter Jahrhunderthalle kriegt er jedenfalls voll, der Gute. Sehr viele Menschen mit LED ZEPPELIN-Leibchen waren da, einige sogar noch älter als ich. Mehrere Generationen kunterbunter Hippies und solche, die diese angeekelt betrachteten. Hardrockfans. Beamte und Büroangestellte. Und begeisterte Verehrer jeden Alters mit strahlendem Gesicht, die aus Berlin kamen, aus Polen und von noch weiter östlich.

Definitiv niemand war jedoch wegen der Vorband gekommen. Würde mich zumindest sehr überraschen. Ein Indie-Folkduo ins Vorprogramm zu nehmen, wenn auch unangekündigt, ist per se ja gar keine so miese Idee, aber eins aus Stuttgart? Obwohl das vielleicht auch kein Hinderungsgrund sein sollte… War es Kids of Adelaideaber, definitiv, zumindest in meiner Welt. Ich hatte von den KIDS OF ADELAIDE (links) vorher noch nie was gehört/gelesen – auch nicht im „Folker“ oder im „Rolling Stone“. Das könnte daran liegen, dass deren Folk mehr nach ZDF-Fernsehgarten klang als nach Honky-Tonk, steril, sauber und aseptisch. Handwerklich auf hohem Niveau. Und todsterbenslangweilig. Vor dieser Menge zu stehen und gut gelaunt seinen Stiefel durchzuziehen, obwohl einige ihre Abscheu sehr lautstark zum Kids of AdelaideAusdruck brachten, nötigte mir zwar eine Menge Respekt ab, aber nicht genug, um das in irgendeiner Form musikalisch goutieren zu können. Fairerweise muss ich aber zugeben, dass die überwiegende Anzahl der Leute, die nicht zum Bierstand flüchtete, um sich da knapp 20 Minuten für ein Getränk anzustellen, dem Auftritt eine Menge Sympathie entgegenbrachte, zumindest zum flotteren Ende hin. Oder es war auch hier der Respekt. Oder Senilität.

Als in der Pause gegen 20.45 Uhr das Album „Goo“ von Sonic Youth ertönte, hoffte ich zumindest auf ein Omen und bewegte mich im Rahmen meiner Möglichkeiten ein wenig. Ich und eine Sabine aus Berlin, die so begeistert war von Plants letztjährigem Auftritt in der Zitadelle Spandau, dass sie für 19 Euro den Fernbus nahm um sich das Ganze hier nochmal zu geben. Sie versprach ein paar ZEPPELIN-Klassiker, die auch kamen, als Plant mit den Robert Plant & the Sensational Space ShiftersSENSATIONAL SPACE SHIFTERS um kurz vor halb Zehn die Bühne betrat. Eine Band, die eine Menge Renommee beinhaltet: Gitarrist Justin Adams zum Beispiel, der TINARIWEN produzierte und mit Jah Wobble spielte. Juldeh Camara aus Gambia, der eine einsaitige Fiddle betätigte (und damit einen netten Kontrast zu Jimmy Page’s Doppelhalsklampfe bot). Billy Fuller am Bass, der „Heligoland“ von MASSIVE ATTACK mit einspielte; Gitarrist Liam Tyson von CAST; Drummer Dave Smith sowie John Baggott an den Tasten, der neben MASSIVE ATTACK auch schon bei PORTISHEAD eine wichtige Rolle spielt(e).

Viel Bristol-Sound also auf der Bühne, und das bei einem Auftritt, der zwar in erster Linie dem Blues frönte, aber auch vor exzessivem Rock’n’Roll nicht Halt machte, nicht vor Folk und nicht vor Club-Sounds. Das aber in einer hinreißenden Melange, die Erwartungen gleichermaßen erfüllte und trotzdem Robert Plant & the Sensational Space Shiftersalles anders als erwartet präsentierte. Ja, es wurden Klassiker von LED ZEPPELIN gespielt – doch meist im Verbund mit Oldies wie „Spoonful“ von Willie Dixon, das die meisten in der Version von CREAM kennen. Wenn Plant einen Country-Song ansagte wurde danach losgerockt oder die elektronischen Bässe pumpten; heizte er das Publikum auf, präsentierte er die Folkweise „Satan Your Kingdom Must Come Down“ vom „Band Of Joy“-Album. Idealer kann man den Spagat zwischen Robert Plant & the Sensational Space Shifterseigener und fremder Tradition mit einer Innovation, die trotzdem niemanden vergrätzt, kaum hinbekommen. Mit der neuesten Single „Rainbow“ fing die Zugabe an und erinnerte nochmal an den Crooner von „Sea Of Love“, der Plant angeblich nie sein wollte. Diese Stimme… einfach zum Niederknien. Und dann zum Abschluss „Rock and Roll“. Ganz wie es sein soll. Ohne Experimente.

Nach dem Konzert sah niemand unglücklich aus – „Stairway To Heaven“ hatte wohl auch niemand ernsthaft erwartet. Nicht die Hippies aus Polen. Nicht Sabine aus Berlin. Nicht die reinen LED ZEPPELIN-Fans. Noch nicht mal die, die vorher nur am Stänkern waren. Vielleicht sollte ich mir auch nochmal den Fernbus gönnen…

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Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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