Das Bett, Frankfurt, 25.10.2016
Kennt Ihr das auch? Man ist verabredet jemanden zu treffen, den man seit Urzeiten nicht gesehen hat und fragt sich „Habe ich dem überhaupt noch etwas zu sagen?“ und „Kann ich den überhaupt noch leiden?“. Solche Überlegungen gingen mir durch den Kopf, als ich mich gestern ins Frankfurter Gallusviertel aufmachte, um im dort angesiedelten Club „Das Bett“ die Rockabilly-Band RUMBLE ON THE BEACH zu sehen. Vor fast 28 Jahren, im Januar 1989, wohnte ich letztmals einem Auftritt der Combo bei. Im Cooky’s war das, dem ältesten heute noch existierenden Nachtclub der Mainmetropole. Der Laden war, wie meistens bei den berühmt-berüchtigten, zur besten Ausgehzeit von 1 Uhr morgens stattfindenden Konzerten, proppenvoll. Ich war Anfang Zwanzig und erinnere mich, dass es ein denkwürdiger Abend war, es gab ordentlich Schubserei, blaue Flecken inklusive.
Und nun, fast drei Dekaden später? Wie würde sich das Trio aus Bremen präsentieren? War eine Tattergreis-Veranstaltung zu erwarten oder eine energiegeladene Show wie einst in den späten Achtzigern? Auf jeden Fall mal zuhause die Stiefel mit den Stahlkappen aus dem Schrank geholt und angezogen. Man weiß ja nie, sicher ist sicher und Vorsicht bekanntermaßen die Mutter der Porzellankiste.
In „Das Bett“ angekommen galt es immerhin schon mal zu konstatieren, das sich doch einige Leute auf den Weg gemacht hatten, um die Truppe zu sehen, den Autokennzeichen nach zu urteilen waren manche sogar aus Mannheim und Karlsruhe angereist. Anfangs, als der Support namens ABERRATIONS (gepflegter Alternative-Rock, der zwar nicht das Rad neu erfand, aber dennoch zu gefallen wusste) auf der Bühne stand, drückten sich nur etwa drei Dutzend Menschen am hinteren Rand des Saals herum, zum Haupt-Act mögen es rund 120 Besucher gewesen sein.
Dass RUMBLE ON THE BEACH auf der aktuellen „Revenge“-Tour wohl mehr Zuschauer gewohnt sind, offenbarte sich dann sofort nach deren Ankunft auf dem Podest. Das verließen die Musiker nämlich sogleich wieder, um jedem Einzelnen im Raum persönlich die Hand zu schütteln. „Hallo, ich bin der Marc“ wurde Schlagzeuger Marc Mittelacher bei mir vorstellig, Sänger Michael „Ohlly“ Ohlhoff hatte sich schon zuvor über mein „Gude“ beim Handschlag amüsiert und Bassist Andy Merck folgte postwendend.
Nach dieser sympathischen Einlage ging es dann aber mit der Show los und ich war basserstaunt, welches Hit-Feuerwerk mich und den Rest der Anwesenden schon vom Start weg erwartete: Innerhalb der ersten fünf Songs feuerten die Jungs mit dem finsteren Psychobilly-Kracher „Don’t Hang Around“ und „Lonesome Train“ vom wunderbaren Debüt-Album „Rumble Rat“ von 1987 gleich zwei meiner absoluten Lieblingsstücke raus. Wenig später folgten „Rumble River“ und die ROTB-Interpretation des PLASTIC BERTRAND-Millionsellers „Ca Plane Pour Moi“, der 1988 das zweite Album „Rumble“ veredelte. Weitere ausgewählte Cover wie der „Time Warp“ aus der Rocky Horror Picture Show oder der Bluegrass-Klassiker „Blue Moon of Kentucky“ sorgten, eingebettet in das eigene Material des Trios, ebenso für gute Laune wie die ein oder andere Ansage oder Anekdote in norddeutschem Slang.
Dabei ging es – natürlich – immer wieder um das Alter. Wer aus dem Publikum hatte die Band zu welchem Zeitpunkt in welchem Club erlebt („Gibt’s den überhaupt noch?“). Und wer wurde nach 1994, dem Jahr, als RUMBLE ON THE BEACH in die „Babypause“ (O-Ton Ohlhoff) gingen (die dann 20 Jahre andauerte) geboren? Immerhin eine Person aus der Gästeschar meldete sich. Einer der Besucher, der sich an der launigen Konversation mit den Musikern über das Alter lautstark beteiligte, wurde dann von Ohlhoff zu einem kleinen Tänzchen aufgefordert: Es war Thomas Schmucker, der Bassist der lokalen Country-Combo HANK CASH, der schließlich mit dem ROTB-Frontmann vor dem Podest das Tanzbein schwang. Grandios.
Und damit komme ich zu etwas, das mir gestern Abend besonders gefiel: Ich hatte bei der Combo jede Sekunde das Gefühl, dass sie angetreten war, um das Publikum bestens zu unterhalten. Und das nicht gezwungenermaßen, auf Kraft, sondern getrieben vom eigenen Spaß und dem Willen, für einen gelungenen Gig das Maximum aus sich herauszuholen. „Wir geben alles für Frankfurt!“ rief denn auch Sänger „Ohlly“ zwischen zwei Stücken. Und ja, das nehme ich der Truppe ohne jeden Zweifel ab. Als letztes Lied vor den vehement geforderten Zugaben folgte dann – und durfte natürlich im Set keinesfalls fehlen – das PRINCE-Cover „Purple Rain“, das den Bekanntheitsgrad der Band seinerzeit exponentiell hochschnellen ließ und fortan für Jahre auf jeder guten Pogo-Party aufgelegt werden musste. Nochmal Vollgas für das Auditorium. Danach klang der Gig u. a. mit dem Mitsing-Song „Rumble on the Beach“ furios aus.
Auf die Reunion angesprochen, erzählte mir Bassist Andy am Merchtisch noch, dass die Band dieses Wagnis nicht eingegangen wäre, wenn sie nicht zu 100 Prozent davon überzeugt gewesen wäre, dass sie es wieder auf die Bühne bringen könne. Das unterschreibe ich voll und ganz. Sie können. Schaut es Euch an und überzeugt Euch bei einer der kommenden Shows selbst. Ein paar Auftritte, nachzulesen auf der äußerst informativen und liebevoll gestalteten Homepage des Trios, stehen in diesem Jahr noch aus, auch für 2017 sind schon einige Termine angekündigt.
Links: http://rumbleonthebeach.com/, https://www.facebook.com/rumbleonthebeach/, https://myspace.com/rumbleonthebeach, https://www.reverbnation.com/rumbleonthebeach, http://www.last.fm/de/music/Rumble+On+The+Beach
Text & Fotos: Stefan
Alle Bilder:
Schade, dass an diesem Abend die Eintracht gespielt hat, die Rückschau klingt ausgesprochen gut. Alte Helden …