Schlachthof, Wiesbaden, 15.05.2017
Im Oktober 2012 war ich auf meinem ersten „Sky High“-Festival im Frankfurter Club „Das Bett“ – und ich bin immer noch ganz verzückt, wenn ich daran denke. KADAVAR spielten da, glaube ich, ihren zweiten Auftritt in Frankfurt. BABY WOODROSE waren ganz famos, wie immer. Den Vogel schossen aber die vier Berliner ab, die erst auf die Bühne kamen, als die letzten Bahnen schon weg waren: SAMSARA BLUES EXPERIMENT. Sie tragen in ihrem Namen schon zwei Referenzen. Die an den Blues natürlich, sowie eine an die indische Mystik: Samsara, der „immerwährende Zyklus des Seins“ (Wikipedia). Ich habe vom Blues nicht so viel gehört an jenem Abend (auch sonst selten, wenn ich die CDs zuhause abspielte) und was verstehe ich schon von indischer Mystik? Die Stücke fließen jedoch weiter und weiter, Anfang und Ende erscheinen willkürlich, und ja, eine Sitar ertönt, ab und an. Zusätzlich zu den Gitarren. Allerdings nicht live, wenn ich mich recht erinnere. Das waren die von SIENA ROOT.
Bei all meiner Liebe zu dem Meisten, was in den letzten zehn Jahren unter den Begriffen Stoner-, Psych- oder Retro-Rock veröffentlich wurde: SAMSARA BLUES EXPERIMENT spielen in einer ganz eigenen Liga, ihr jamhafter Psych-Rock ist mit keinem anderen vergleichbar. Verwandt vielleicht mit den ausufernden Kollegen von COLOUR HAZE, aber absolut autark im Klang. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug – trotzdem alles anders. Ein wenig Gesang, auf den ich nie besonders geachtet habe. Und diese ungeheure Dynamik zwischen wuchtigen Soundbrocken und relaxtem Rhythmus. Ja, ich stehe extrem auf SBE und war froh, sie nach fünf Jahren und nunmehr sechs Veröffentlichungen mal wieder live sehen zu können.
Bevor SBE jedoch die Bühne des Kesselhauses im Wiesbadener Schlachthof enterten, traten einem KALEIDOBOLT erstmal kräftig eine vor den Latz. Finnisches Powertrio, gegründet 2014 und mit jeder Menge Energie, trat von Sekunde Eins gleich derbst aufs Gaspedal und überzeugte allein schon durch Einsatz und Attitüde. Da der Hauptdrummer Valtteri berufsbedingt verhindert war, wurde er durch einen anderen Valtteri zeitweise ersetzt, den von der befreundeten Band JUPITER. Schlagzeug-Solo durfte der auch, war schon fast etwas zuviel Retro, selbst für meinen Geschmack. Allerdings klang das Solo ganz okay und war nicht so eine abgeschmackte Animiersause vor teurem Gerät, wie man es vor allem von Stadion-Metal-Bands kennt. Also von fast allen. Was Gitarrist und Sänger Sampo Kurki (links) an Kilometern zurücklegte, würde ich schon gerne wissen– ebenso, wie viele Gehirnzellen er beim Bangen von einer Hirnwindung in die nächste katapultierte. War nicht so einfach zu fotografieren, der Mann. Auf Platte wirken KALEIDOBOLT ein wenig filigraner, live war das ein heftiger Arschtritt-Stoner-Rock vom Feinsten. Machte Spaß, war aber nicht mit der Verzückung vergleichbar, die ich als nächstes erwartete.
Für manche (zum Beispiel mich) stand dann überraschenderweise ein Trio auf der Bühne, zudem ein weit weniger behaartes als in „Das Bett“ vor fünf Jahren. Richard Behrens, der ehemalige Bassist von SBE und darüber hinaus Tontechniker von u. a. KADAVAR konzentriert sich nunmehr wohl auf letztere Tätigkeit – Hans Eiselt, früher an der zweiten Gitarre, spielt nun den Bass. Thomas Vedder sitzt noch auf dem Drumstuhl und Bandgründer Christian Peters spielt die Gitarre, den Synthesizer und singt. Unter dem Namen Surya Kris Peters veröffentlicht er auch grandiose Solowerke, die deutlich elektronischer sind und einen starken Ambient-Charakter haben (zu hören hier).
Mit „Vipassana“ vom aktuellen Album „One With the Universe“ fing der Auftritt (meine ich) an, ein bisschen Noir-Gitarrensound schlängelte sich da in die fordernden Riffs, Peters sang dazu, aber ehrlich: Was er da singt hat mich, vielleicht entgeht mir da ja was, nie wirklich interessiert. Peters hat eine stimmliche Klangfarbe, die eine interessante Note zum Sound addiert, aber (meines Erachtens) diese Formation bestimmt nicht gegründet, um als Gesangs-Star zu brillieren. Alles zusammen klingt absolut töfte, und die elektronischen Sounds aus dem kleinen Synthesizer machen ihn schon fast zur Ein-Mann-Band. Unglaublich, was da alles passiert: Wie Bassist und manchmal Doch-noch-Gitarrist Eiselt so fett spielt wie er groß ist, und wie Vedder kein Solo braucht, um ständig alles zusammen und im Fluss zu halten.
Der Konzertbesucher, der uns schon vor der Veröffentlichung dieses Berichts einen Kommentar schrieb (danke dafür, steht weiter unten) hat das wohl anders wahrgenommen als ich – direkt vor Peters stehend war der Sound absolut okay für mich, und „verstehen“ muss ich den Gesang sowieso nicht unbedingt. Ein wenig länger hätte es für mich als Fan gerne dauern können als die knapp 80 Minuten, aber das Trio verbrannte auf der Bühne ja weitaus mehr Kalorien als ich. So kann ich nur hoffen, dass es nicht wieder eine halbe Dekade dauert, bis sich die Wege der Band mit meinen kreuzen und beschließe diesen Bericht mit der Empfehlung, mehr SAMSARA BLUES EXPERIMENT zu hören.
Links: https://www.facebook.com/kaleidobolt, https://kaleidobolt.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Kaleidobolt, http://sbe-official.tumblr.com/, https://www.facebook.com/samsarabluesexperiment/, https://soundcloud.com/samsarabluesexperiment, https://samsarabluesexperiment.bandcamp.com/, https://www.reverbnation.com/samsarabluesexperiment, https://www.last.fm/de/music/Samsara+Blues+Experiment
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder:
Was ich beim gestrigen Konzert (Samsara Bleus Experiment) allerdings jammerschade fand ist dass der Sound ganz übel war, der Gesang war gar nicht zu hören.