SCHEISSE MINNELLI

Gute Stute, 21.10.2010 – Interview

SCHEISSE MINNELLI treten der Punk-Szene derzeit gehörig in den Arsch. Und das nicht nur, weil sie ihrem Publikum einen wütenden Sound-Orkan aus Hardcore, Skate-Punk und Thrash-Metal entgegenprügeln. Sondern hauptsächlich deshalb, weil die Frankfurter über eben jene Einstellung, jene Attitude verfügen, die auch die Bands an den Tag legten, die einst das Punk-Genre definierten. Bands wie FEAR, THE GERMS, die DEADBOYS, die PLASMATICS oder die DICTATORS. Jedes Konzert der Gruppe ist ein intensives Erlebnis, bei dem nichts unmöglich, aber alles möglich scheint. Ich traf Sam, den Sänger der Chaos-Combo, in der Guten Stute und unterhielt mich mit ihm über die Band und deren neues Album „The Fight Against Reality“. Die Fotos entstanden beim Plattenrelease-Konzert am 11. Dezember 2010 in der Au.

Hey Sam, Scheisse Minnelli – ein ungewöhnlicher Name, eine ungewöhnliche Band. Erzähl doch zunächst mal etwas zu eurer Geschichte und dazu, was ihr musikalisch vorhattet.

Scheisse MinnelliOkay, das Ganze hat sich eigentlich mehr oder weniger zufällig ergeben. Ich bin Amerikaner und habe 2003 während einer Rucksack-Tour durch Europa einen lustigen Typen kennengelernt, der mich nach Aschaffenburg (bei Frankfurt) eingeladen hat. Dort habe ich dann einige trinkfeste Jungs getroffen und im Alkoholrausch ist schließlich die Idee entstanden, eine Band ins Leben zu rufen. Da uns noch ein Gitarrist fehlte, hab ich kurzerhand einen meiner besten Kumpels in den USA angerufen, der schon immer mal nach Deutschland wollte, und schon war das erste Lineup der Band komplett. Kurz darauf haben wir dann auch schon unseren ersten Gig in einem Abrisshaus gespielt.

Was den Stil oder die Einstellung betrifft, so wollte ich einfach wieder den gewissen Gefahrenmoment in den Punk zurückholen. Als ich so durch Europa getourt bin, hab ich einige Bands gesehen, aber alle waren total lahm. Daher

wollte ich allen zeigen, worum es im Punk geht. Früher war es so, dass Punk etwas Gefährliches, Unberechenbares war, wo man Angst hatte hinzugehen. Heute gehen die Leute mit der ganzen Familie zu GREEN DAY, um sich zu amüsieren und zu tanzen, aber das hat nichts mit Punk zu tun. Daher versuchen wir, zu den Ursprüngen zurückzukehren und Punk wieder gefährlich zu machen.

Ich habe euch schon einige Male live gesehen und kann Deine Aussage nur bestätigen. Bei eurem Konzerten weiß man nie, was geschehen wird: So hast Du Dich zum Beispiel schon auf der Bühne angezündet, Dir selbst eine Flasche über die Birne gehauen, bist nach einer Klettertour besoffen auf die Bühne geknallt oder hast das Publikum mit Scheiße beworfen. Gehört diese Unberechenbarkeit für Dich zum Punk dazu oder bist Du einfach nur ein unkontrollierbarer Psychopath?

Flyer aus MexikoIch kann da nur für mich sprechen. Klar gibt es Bands, die auch ohne Chaos und Action auskommen, das ist okay, und ich schaue sie mir auch gerne an, aber ich bin nun mal in Kalifornien aufgewachsen und habe bereits in sehr jungen Jahren Bands gesehen, die mich sehr geprägt haben. Ich war beispielsweise zehn, als ich das erste Mal die FUCK-UPS gesehen habe, die noch heute zu meinen Lieblingsbands zählen. Und wenn die aufgetreten sind, dann hat der Basser dem Publikum sein Instrument in die Fresse gehauen und den am Boden Liegenden dann angepinkelt. Das war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Ich dachte in dem Moment: „Fuck, was geht hier ab, das ist ja total krass!“ Kurz danach war mir klar, dass Punk meine Musik war und dass ich selbst einmal in einer Band spielen wollte.

Ich kenne Dich ja nun schon etwas länger und die Geschichten, die Du zu erzählen hast, sind einfach sensationell und würden vermutlich ein ganzes Buch füllen. Erzähl doch kurz eine der witzigsten.

Einmal hab ich mir eine Flasche über die Birne gehauen und mich dabei schwer verletzt. Das war bei einem Festival nahe Kiel, wir haben mit ANNIHILATION

TIME gespielt, die Stimmung war super und ich war wie immer total besoffen. Ich hatte zuvor schon oft versucht, eine Flasche auf meinem Kopf zu zertrümmern, aber es hat nie geklappt, es gab immer nur Beulen. Daher dachte ich, ich probier’s mal mit der Wodka-Flasche, die ich mit auf die Bühne gebracht habe. Ich hab aber nicht gesehen, dass der Boden der Flasche schon einen Sprung hatte. Ich hau mir also die Flasche gegen den Kopf und in dem Moment zersplittert sie und schneidet mir die Stirn auf. Das hat dann wie Sau geblutet, aber die anderen Jungs dachten, dass sei Kunstblut und haben nur gelacht. Schließlich hat jemand einen Notarzt gerufen, der mich dann von der Bühne geholt hat.

Ich könnte noch viel mehr Geschichten erzählen, aber das würde den Rahmen sprengen. Unsere neue Scheibe erscheint gemeinsam mit einem Buch und da sind noch mehr witzige Geschichten drin.

Lass uns mal über eure Texte reden, Stichwort Serienmörder. Auf eurer ersten Scheibe gibt es einen Song, der sich „Umbringen“ nennt, auf der Neuen hast Du einen Song dem deutschen Serienmörder Fritz Haarmann gewidmet. Was fasziniert Dich an dem Thema?

Das Thema hat mich bereits in jungen Jahren fasziniert, keine Ahnung warum. Ich denke, es hat mit dem Film „Helter Skelter“ angefangen, der die Manson-Morde zum Inhalt hat. Das ist einer von zwei Filmen – der andere war der „Exorzist“ –

die ich nicht zu Ende schauen konnte, weil sie einfach zu krass waren, zumindest für mich als damals Zehnjährigen. Jedenfalls hat mich das Thema Zeit meines Lebens begleitet und so habe ich begonnen, mich auch für andere Serienmörder zu interessieren, für Richard Ramirez, oder den Son of Sam. Und für die neue Scheibe wollte ich etwas Besonders machen und habe mich daher für einen deutschen Killer entschieden.

Um was drehen sich eure Texte sonst noch so?

Um alles Mögliche, wobei ich irgendwie eine sehr pessimistische Sicht auf die Welt habe. Ich meine, ich bin damals in Oakland in einem Ghetto aufgewachsen, war auch schon im Knast und habe ziemlich viel Scheiße erlebt. Und auch wenn mein Leben jetzt okay ist, vergisst man das nicht so leicht. Daher spiegelt sich all das Übel und Elend noch immer in meinen Texten wider.

Aber es geht auch viel ums Saufen und manchmal sogar um Filme, wie in dem Song „Don’t Drink The Viper“, der ja dem Film „Street Trash“ huldigt. Wie kam die Idee zu dem Stück zustande?

Ein alter Kumpel von mir ist der totale Horror-Film-Fan und hat mir den Film mal empfohlen. Als ich ihn gesehen habe, fand ich ihn total genial und musste einfach einen Song dazu machen. Einige Straight-Edger denken komischerweise es sei ein Song gegen Alkohol, was ich sehr witzig finde.

Ab wann ist euer neues Album „The Fight Against Reality“ zu haben?

The Fight Against RealityAb 1. Dezember! Die CD wird bei Destiny Records erscheinen und das Vinyl über Dirty Faces. Die CD kommt gemeinsam mit einem Buch über mein Leben, in dem es viele witzige Geschichten zu lesen gibt. Die Scheibe enthält Songs über Drogen, Paranoia, Tod und allen möglichen Scheiß. Anfang Dezember gibt’s dann auch eine Mini-Tour, wir spielen am 1. Dezember in Bochum im Wageni, am 2. Dezember in der Schaubude in Kiel, am 4. Dezember im Cortina Bob in Berlin und am 11. Dezember in Frankfurt in der Au!

Danke für das Interview, jetzt lass uns einen trinken!

Zu Alkohol sage ich nie Nein…

Links: http://scheisseminnelli.com/www.myspace.com/scheisseminnelli

Interview & Fotos: Marcus

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