SECRETS OF THE MOON, DØDHEIMSGARD, THULCANDRA

Schlachthof, Wiesbaden, 8.03.2016

Secrets of the MoonAls Freund von undergroundigem, atmosphärischen Metal mit den Vorsilben Black, Post, Death, blackened Death, Post Black, Suicidal oder Melodic Death kann man sich im Rhein/Main-Gebiet derzeit eigentlich recht wohl fühlen. Nachdem New Evil Music von Darmstadt gen Weinheim zog und in Frankfurt ab und an nur noch im Nachtleben oder im Elfer Fans dieser Geschmacksrichtungen bedient werden, probiert sich zunehmend auch „Das Bett“ an solchen Klängen aus – doch nirgendwo kann man augenblicklich häufiger solche Bands sehen wie im Schlachthof Wiesbaden. Das kann finanziell für die Betreiber durchaus mal in die Hose gehen – 30 Besucher bei TOMBS mit BLACK ANVIL 2015 spricht Bände – doch der Zuspruch wächst langsam, aber stetig.

Secrets of the MoonVielleicht liegt es daran, dass Black Metal den Kinderschuhen entwachsen ist und langsam Mainstream-tauglicher wird? So einige werden da sicher „Klar!“ brüllen und auf die bösen „Hipster-Metaller“ verweisen, die zum Beispiel schwarze Kunst in rosa Alben veröffentlichen, aber vielleicht sollte man da den Ball lieber etwas flacher halten. SECRETS OF THE MOON, der gestrige Headliner, ist auch schon knapp zwei Secrets of the MoonDekaden auf Achse und veröffentlicht seit einigen Jahren Alben, die aufgrund ihrer atmosphärischen Erhabenheit und ihren konsequent fehlenden Genrescheuklappen

Secrets of the Moon

die Kritikerpolls von Organen wie dem Rock Hard, dem Deaf Forever, Metal Hammer und dem Legacy anführen, und zwar verdient. Dass das Kesselhaus des Schlachthofs also, trotz reichlich Luft zum Bier holen, recht ansehnlich gefüllt war, ist folgerichtig und bedeutet eigentlich immer noch zu wenig Zuspruch. Vielleicht ändert sich das ja im Oktober, dann eröffnen SOTM für BEHEMOTH. Die gehören bereits zu den größten Satansbraten, kommerziell gesehen. Auch verdient.

Doch so weit sind wir noch nicht. Wie allgemein neuerdings auf Metaltouren üblich, wurden mal wieder vier Bands auf die gemeinsame Reise geschickt, von denen eine aber, die Salzburger OUR SURVIVAL DEPENDS ON US, den ThulcandraWiesbadener Gig wegen Grippe canceln mussten. Den Rest der Tour spielten sie aber mit. THULCANDRA-Sänger Steffen Kümmerer verwies auf die Maladie der geschätzten Kollegen und

Thulcandra

bat die Gäste während seines Auftritts um Unterstützung durch den Kauf von deren Tonträgern und Merchartikeln. Da war die Landeshauptstadt wohl in Geberlaune – OUR SURVIVAL DEPENDS ON US bedankten sich einen Tag später auf Facebook bei den Fans, bevor sie, der Grippe wohl entledigt, Paris bespaßten. Oder wie das sonst so heißt, wenn man Doom/Sludge oder Ähnliches spielt.

ThulcandraTHULCANDRA waren also die Opener am gestrigen Abend. Ein Quartett aus München, welches auch schon ein paar Jahre (seit 2003) herumwuselt. Die Beschreibungen ihrer Musik variieren zwischen Melodic Death Metal und Black Metal – meine Ohren hörten vor allem die Schule der Schweden wie DISSECTION oder WATAIN heraus. Nicht mit deren umwerfender Überzeugungskraft durch Songs mit der Kraft eines Waldbrandes, aber mit exzellentem, schnellem Spiel und druckvollen Arrangements.

Der Gitarrist zur Linken, anscheinend der Bruder des Bassisten zur Rechten, hat seine Armmuskulatur am Ende vielleicht doch nur durch sein Spiel erworben – Thulcandraso schnell und diffizil gezockt sah das nach konzentrierter Schwerstarbeit aus. Doch bei aller Melodie und Raffinesse: Mir haben die großen, eigenständigen Songs gefehlt, die ich auch nicht in den Tagen nach der Show auf ihren drei bei Streaming-Diensten vorhandenen Alben gefunden habe. Macht Spaß beim Hören, auf Platte wie live, fixt einen aber nicht dazu an, den Bandschriftzug in die Haut zu ritzen. Die Brüder Tobias und Sebastian Ludwig an Bass und Gitarre waren da mit ihrer Pagan-Metal-Band HELFAHRT schon mal weiter, finde ich, ganz subjektiv. Trotzdem, guter Opener, mit der Chance zum Warmwerden für den SOTM-Drummer Erebor, der in beiden Bands spielt. Der Trend im Black Metal geht ja bekanntlich zur Fünftband.

Anschließend wurde es schräg. Die Norweger DØDHEIMSGARD (auch: DHG), existent seit 1994, entwickelten sich von einer heftigen Frostriffmaschine zur spleenigen Avantgarde-Truppe, die völlig entspannt und sympathisch „untrve“ Dinge tut, die ich nicht verstehe. Die aber auch gestern durchaus auf DødheimsgardBegeisterung stießen: Bei DHG tobten andere Leute vor der Bühne als bei

Dødheimsgard

SOTM später – gleichermaßen Old School-Fans mit MAYHEM- Shirt (die eigentlich einen ähnlichen Weg vom Geprügel zu Avantgarde gegangen sind), sowie studentische Kurzhaarige, die böse Zungen vielleicht „Hipster“ nennen würden. Dementsprechend abwechslungsreich und skurril war das Programm der Truppe, der bis vor gar nicht allzu langer Zeit Kvohst von GRAVE PLEASURES/HEXVESSEL vorstand.

DødheimsgardDa wurde mal die Axt ausgepackt und dann mal wieder zappaesk gegroovt, mit einem Ausdruckstanz von Sänger Aldrahn, für den man ihn selbst auf einer Waldorfschule von der Bühne gejagt hätte. Was durchaus als Kompliment zu verstehen ist – so etwas muss man sich erst mal leisten können im oft bierernsten Black Metal. Ähnlich wie bei den Landsleuten von AURA NOIR, deren „Aggressor“ Carl-Michael Eide auch lange bei DHG spielte, scheint jeder hier alles bedienen Dødheimsgardzu können: Gitarrist und Bandgründer Vicotnik startete als Drummer, Aldrahn als Gitarrist. Machte durchaus Spaß und hatte was sehr Erfrischendes, aber wo bleibt heute das, was wir (ich) am Black Metal so lieben? Das fulminante Brett? Der pechschwarze Moder? Die verquaste Esoterik? Oder, wie im besten Fall: Die spirituell beseelte künstlerische Vision, die freigeistige Anbeter des Gehörnten eint mit ebensolchen Jesus- Jüngern à la David Eugene Edwards von WOVEN HAND? Stand dann mit dem Headliner auf der Bühne. Stilecht im Nebel und ein wenig Gegenlicht. Der Albtraum der Fotografen und der Klimax für alle, die „Rituale“ zu Konzerten sagen.

SECRETS OF THE MOON durfte ich 2009 schon mal als Opener für JARBOE im Nachtleben sehen – das war eines dieser genreübergreifenden Gipfeltreffen, die meist schlecht besucht werden und von denen Jahre später alle behaupten, dabei gewesen zu sein. Seitdem habe ich jede Veröffentlichung von ihnen Secrets of the Moonmusikalisch aufgesogen – jede Scheibe ein Monolith, der anders und doch

Secrets of the Moon

verwandt klingt zum Vorgänger. Große Tonkunst. Dark Wave und Post-Punk kann man in leichten Dosen heraushören, Progmetal kann man das im Wortsinne nennen – aber dabei sind SOTM immer auch Black Metal. Nicht so harsch wie die einen, nicht so sehr Neo-Folk wie die anderen. Aber einzigartig großartig. Fünf Stücke wurden vom Secrets of the Moonaktuellen Album „Sun“ gespielt, eines von 2004, zwei von 2006. Der AGRYPNIE-Boss Torsten „Der Unhold“ Hirsch, neulich noch mit ANOMALIE im Frankfurter Club „Das Bett“, gab unterstützend ein Stelldichein. Nichts wurde gespielt von den Kritikerlieblingen vor „Sun“. Gehört wohl zum Konzept. Dass es sich bestimmt zu Studieren lohnt. Klappt aber auch, wenn man das lässt und sich „nur“ in der Musik verliert. Kommt zeitig zu BEHEMOTH und Ihr werdet es erleben.

Links: http://www.thetruethulcandra.com/, https://www.facebook.com/ThulcandraMetal, https://soundcloud.com/Thulcandra, http://www.last.fm/de/music/Thulcandra, https://www.facebook.com/dodheimsgard, https://myspace.com/dodheimsgard, http://www.last.fm/de/music/Dodheimsgard, http://www.secretsofthemoon.de/, https://www.facebook.com/sotm777, https://secrets-of-the-moon.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Secrets+of+the+Moon

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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