THEE SILVER MT. ZION MEMORIAL ORCHESTRA

Zoom, Frankfurt, 12.02.2014

Auf meiner imaginären Liste der „10 beeindruckendsten Konzerte aller Zeiten“ steht das von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR 1999 im KOZ an der Frankfurter Uni ziemlich weit vorne. Oder waren es GODSPEED! YOU BLACK EMPEROR? Schwierig. Die Schreibweise dieser Band (oder diesen Kollektivs) änderte sich bei jedem Wechsel von Mitgliedern, und bei mindestens sieben Menschen kam das gar nicht so selten vor. Auch THEE SILVER MT. ZION MEMORIAL ORCHESTRA, wie die als Sideprojekt von GY!BE gestartete, gestern im Zoom aufspielende Band aktuell heißt, gab es schon als A SILVER MT. ZION oder als A SILVER MT. ZION & TRA-LA-LA- BAND, unter anderem. Ein Horror für Plattensammler, die ihre Alben alphabetisch sortieren. Aber ich schweife ab.

Als ich an besagtem Mittwoch im Juli 1999 im KOZ aufschlug, hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukam. Die Konzerte im ‚Kommunikationszentrum‘ waren zu dieser Zeit eigentlich immer gut, meist Punkrock von dieser oder jener Sorte

(z. B. THE OFFSPRING spielten dort, als sie anfingen, kommerziell durchzustarten), oft aber auch Musik jenseits aller gängigen Konventionen. Punk in der Attitüde. Freigeister. Aus solchen Leuten bestand dieses Kollektiv und fabrizierte einen alles zermalmenden Rausch mit Violinen zur Rockbandbasis. Gesungen wurde nicht, musikalisch aber dermaßen viel erzählt. Hinreißend.

Weil es in der Welt der Kanadier aber eben doch mehr zu erzählen gibt, entwickelte sich aus dem Kern von GY!BE 1999 SMZ, wie THEE SILVER MT. ZION oft abgekürzt wird. Gitarrist und Sänger Efrim Menuck, der die Band

mit Sophie Trudeau (Violine) und Thierry Amar (Bass) gründete, entwickelte sich im Laufe der Zeit aus dem Kollektiv als Sprecher der Band und vielleicht sogar als Bandboss; die meisten Texte gehen auf sein Konto und mit der Presse redet fast ausschließlich er. Wobei es bei den Texten von SMZ trotz plakativer Aussagen immer auch viel Erklärungspotential gibt.

Das neue Album mit dem schönen Titel „Fuck Off Get Free We Pour Light On Everything“, das gestern im Zoom komplett gegeben wurde, verarbeitet zum Beispiel Frust über die durch die Finanzkrise geschaffenen sozialen Missstände in Kanada wie im Rest der Welt, melancholische Gedanken über früh zu Tode gekommene Musiker

oder dem Ende liebgewordener kultureller Institutionen – vereint neben der Enttäuschung und der Wut aber immer Hoffnung und eine positive Haltung dem Leben gegenüber, weswegen in SMZ trotz dem Bekenntnis zum Punk eben

auch eine ganze Menge Hippie steckt (wie man auch optisch nicht herumkommt zu registrieren).

Als im Zoom um 20 Uhr die Pforten geöffnet wurden, standen gerade mal sechs Menschen vor dem Eingang, meine Person eingeschlossen. Bis zum Beginn um 21.30 Uhr füllte sich der Laden zwar gut, war aber weit davon entfernt, ein „Ausverkauft“-Schild anbringen zu müssen (obwohl Veranstalter Markus Gardian wenige Tage vor dem Gig noch etliche „2 zum Preis von 1“-Tickets raushaute). Die meisten jedoch, die da waren, haben teilweise nicht unerhebliche Entfernungen zurückgelegt und die Band, bzw. GY!BE, bereits erlebt und schätzen gelernt.

Auf der kleinen Bühne des Clubs tummelten sich Kabel und Pedale ohne Ende, die Ladies an der Geige schirmten den Rest des Quintetts optisch ab und Menuck, der im Interview mit der britischen Zeitschrift Rock-A-Rolla neulich

angab, als Sänger häufig extrem verunsichert zu sein, konnte sich immerhin hinter seiner Kollegin und seiner Lockenpracht verstecken, dabei selten die Gäste betrachtend. Nur als die Band „Fuck Off Get Free“ ansagte und loslegte, gab es auf der recht düsteren Bühne einiges an Kommunikationsversuchen, weil die Monitorboxen kaum Gesang durchließen und man sich fast schon wieder auf einem Konzert der sangeslosen Bruderband wähnte.

Im Laufe des zehnminütigen Openers konnten die Probleme jedoch gelöst werden und der Rest verlief nach Plan – wie gesagt, das ganze neue Album (in leicht abgewandelter Reihenfolge) plus zwei weitere, von denen vor allem das

Mantra-artige Soundmonster „All The Kings Are Dead“ zu überzeugen wusste. Menuck sagte jeden Songtitel brav an, seine Kollegin (Trudeau oder Jessica Moss, wer von den beiden Violinistinnen wer ist, weiß ich nicht) bedankte sich ebenso brav auf Deutsch und Menuck noch mal auf Englisch, bevor er den nächsten Song ansagte.

Das wirkte alles sehr steif und klinisch; auch weil das Publikum, sichtlich begeistert, aber geplättet von dieser großartigen Musik (die sich aber kaum bis gar nicht von dem Album unterschied), mit offenem Mund dastand, frenetisch

kurz applaudierte und dann wieder begeistert dastand, 90 Minuten lang. Dann kam die Band noch mal raus, sagte „Little Ones Run“ an und brachte den einzigen Gag des Abends, als wie üblich nach den Ansagen kein Jubel oder was auch immer aufbrauste: „Okay. Bye!“ Kurzes Lachen, frenetischeres Klatschen für den folgenden dreiminütigen Abschluss. Hm.

Ich bin mir sicher, dass so gut wie jeder dieses Konzert toll fand (ich ja auch), aber ein Event, ein Klassiker, etwas, was wir in 15 Jahren noch im Blog erwähnen – nein, das war es nicht. Muss ja auch nicht.

Setlist: Fuck Off Get Free (For the Island of Montreal) – Austerity Blues – Take Away These Early Grave Blues – Rains Thru the Roof at Thee Grande Ballroom (for Capital Steez) – ‚Piphany Rambler – All the Kings are Dead – What We Loved Was Not Enough / Little Ones Run

Links: http://www.tra-la-la-band.com/, https://myspace.com/asilvermtzion, http://www.lastfm.de/music/A+Silver+Mt.+Zion

Text & Fotos: Micha

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