Jahrhunderthalle, Frankfurt, 21.11.2016
Mal wieder ein langer Arbeitsmontag, mal wieder unter Stress beim Erreichen der Halle. Bereits um 19 Uhr sollte der Konzertabend mit dem letzten elektrischen Gig von STATUS QUO auf Frankfurter Boden losgehen, und vor ihnen noch URIAH HEEP spielen, die ich noch nie live gesehen hatte. Einziger Trost: Ein weiterer Opener namens DRDW (Der Rocker & Der Waitler), den ich nicht kannte und der aufgrund der Stichworte „Trachten“ und „Mundart“ auf mein Desinteresse stieß. Unfair? Eventuell. Als ich schwitzend gegen halb acht die Jahrhunderthalle erreichte, hatte sich das aber bereits erledigt, ich hörte „Gypsy“ vom ersten HEEP-Album – im Foyer. Verdammt, ausgerechnet. Geiler Song, einer der besten von vielen guten HEEP-Stücken der vergangenen 46 Jahre. STATUS QUO sind noch drei Jahre älter. Unglaublich.
Nun gab es bei beiden Bands natürlich in dieser Zeit Mitglieder-Wechsel sowie Schwund wegen Tod oder Krankheit. Eigentlich spielt bei beiden nur noch jeweils eine Originalfigur mit, Mick Box bei URIAH HEEP und Francis Rossi bei STATUS QUO. HEEP-Sänger Bernie Shaw sowie Organist Phil Lanzon sind aber auch seit 30 Jahren dabei und damit keine Newcomer – und das trifft auf mehrere Musiker des Abends zu, auch bei STATUS QUO. Doch zuerst zu URIAH HEEP.
Bei einer Spielzeit von knapp 65 Minuten und vor einem Publikum, welches durchaus auch schon die ersten Gigs der britischen Band gesehen haben könnte, gab es fast nur Klassiker zu hören, an denen die Geschichte der britischen Hardrock-Institution mit starkem Prog-Einschlag nicht gerade arm ist. Nach erwähntem „Gypsy“ vom kürzlich re-releasten Debüt „Very ‚eavy…Very ‚umble“ noch „Look At Yourself“. Anschließend ein mir nicht bekannter Song vom 2014- Album namens „The Law“, der nicht nur musikalisch aus dem Rahmen fiel (oder anders ausgedrückt: ziemlich billig arrangiert wirkte) sondern auch textlich einen obskuren Beigeschmack hinterließ. Mehr als „You gotta take the law into your own hands“ war beim ersten Hören nicht zu verstehen, ob URIAH HEEP im Alter zu Anarchisten mutieren oder inzwischen Brüder im Geiste von Ted Nugent sind, kann ich nicht beurteilen. Mit „One Minute“ gab es später noch ein Stück des Werks „Outsider“ zu hören (Videoclip dazu weiter unten), mit „Stealin’“, „July Morning“ und natürlich dem unvermeidlichen „Lady in Black“ war weiterhin Klassikeralarm angesagt.
Aus einem abgesperrten Bereich im Innenraum, mittig direkt vor der Bühne und nur mit besonderem Bändchen zu erreichen, zog etwas den Zorn des sonst bestens aufgelegten Bernie Shaw auf sich: Als er bei der Verabschiedung versprach, 2017 als Headliner mit seiner Band zurück nach Frankfurt zu kommen, machte er klar, dass er das „For you“ tat (zeigte nach rechts) und „For you“ (zeigte nach links und nach hinten), „But not for you“ (zeigte direkt vor sich). Keine Ahnung was dort vorgefallen war – assiges Verhalten, durchaus denkbar bei STATUS QUO-Konzerten, konnte ich gestern nicht beobachten. Vielleicht reichte ihm ja auch, dass die meisten sich kaum bewegten und nur mit ihren Smartphones draufhielten (ich auch, zugegeben). Nach einem hübschen „Easy Livin’“ als Zugabe verabschiedeten sich URIAH HEEP und machten den Weg frei für den Headliner.
Bei meinem letzten STATUS QUO-Gig 2007 sah vieles noch ganz anders aus: Denim all over, lange Haare, viele Biker im Saal. 2016: Ältere Herrschaften, die größtenteils auch Publikum des ZDF-Fernsehgartens hätten sein können, Bewegungsarmut, Smartphones. Ein aufgedrehtes Mädel mit RAMONES-Shirt brachte modisch etwas Normalität in die Halle; ein bärtiges Fossil, betagt genug, um anerkennend zu nicken, meinte stattdessen zu mir „RAMONES? Muss ich mich schämen, die nicht zu kennen?“. Wenigstens googelte er die Band gleich nach meinem entgeisterten „Jaaaaaa, selbstverständlich!“. Meine Thesen zur geistigen Verwandtschaft von den RAMONES, MOTÖRHEAD und STATUS QUO erspare ich Euch an dieser Stelle – die Spex fand das in den Achtzigern schon Scheiße, als ich mich damit bei denen bewarb. Versteh ich gar nicht.
STATUS QUO waren nach 2007 noch mal in der Jahrhunderthalle: 2012, aber ohne mein Beisein. Damals kaufte ich ein Ticket aus den üblichen Gründen: Sie sind live die Macht und die absoluten Boogie-Könige, gegen die ihre Konkurrenz aus den USA, ZZ TOP, nicht ansatzweise anstinken kann. Platten? Gut, verzichtbar seit vielen Jahren und bei TOP meist besser, aber live geht da kaum etwas drüber. Mit ein paar Bier intus eh nicht. Doch als dann der Opener bekannt wurde, fiel mir die Farbe aus dem Gesicht und das Ticket wurde verschenkt: OPUS wurde die Ehre zuteil, die Österreicher, die mit „Live is Life“ einen der widerwärtigsten Ohrwürmer ever verbrochen haben. Fernsehgarten, eben. Ohne mich.
Vier Jahre später – STATUS QUO veröffentlichten in der Zwischenzeit hauptsächlich akustische Schunkelversionen ihrer Klassiker, tourten aber auch kurz im Seventies-Line-Up mit den teilweise chronisch kranken Alan Lancaster und John Coghlan – gaben QUO bekannt, in Zukunft aus Altersgründen weniger reisen zu wollen und wenn, dann akustisch zu spielen. Dass Rick Parfitt, neben Francis Rossi Gitarrist und einzig verbliebenes konstantes Mitglied seit 1965, im Juni diesen Jahres einen Herzinfarkt erlitt und erst mal überhaupt nicht mehr auftritt, war beim Erwerb der Eintrittskarte nicht zu erahnen. Nicht jeder hat soviel Glück wie die ROLLING STONES. Nachdem das klassische Line-Up 1984 auf Abschiedstour ging, standen QUO mit Rossi, Parfitt und dem Bassisten John „Rhino“ Edwards bereits 1985 wieder auf der Bühne – Edwards spielt damit auch bereits seit über 30 Jahren an Rossis Seite. Als Ersatz für Parfitt spielte der sich mit Deutschland-Armschmuck anbiedernde Jungspund Ritchie Malone Gitarre. Er machte seinen Job mehr als ordentlich, spieltechnisch, und mehr kann man ja auch nicht verlangen. Schlagzeuger Leon Cave, seit 2013 dabei, und Keyboarder Andrew Brown (seit 1976) komplettierten die Besetzung.
Mit Fanfave „Caroline“ ging es mal wieder los, großartiger Song, gefolgt von einigen Covern, die QUO sich im Laufe der Jahre zu eigen gemacht haben: „The Wanderer“ von Dion und „Something ‚bout You Baby I Like“ (Videoclip oben) von Richard Supa. Der Unsitte, Hits als Medley zu präsentieren, frönten QUO zum Glück überschaubar: „Rain“, „Roll Over Lay Down“ oder „Whatever You Want“ wurden ganz gespielt. Doch während solche Stücke früher zu pogoartigen Exzessen im Pulk führten, wurden fast ausschließlich die Telefone gehoben, manchmal auch ein Bier. Trotz großer Klasse des Programms ein Indikator dafür, dass nicht nur die Musiker ihr Rentnerdasein verdient haben. Leon Caves Schlagzeugsolo schließlich war der Gipfel der Belanglosigkeit.
Eine absolute Großtat, und so von mir noch nie von QUO erlebt (glaube ich), war jedoch das Performen als Straßenmusiker mit Standschlagzeug von „Gerdundula“ (richtig geschrieben) vom Album „Dog Of Two Head“ (1971). Wer da behauptet, die Band hätte nur drei Akkorde drauf, hat nur halb recht. Rossis launige Ansagen machten den Abend letztlich ebenso zu einem Vergnügen. Als in der Zugabe dann mit „Rock’n’Roll Music“ und „Bye Bye Johnny“ in die Mottenkiste gegriffen wurde, machten sich bereits die meisten vom Acker. 105 Minuten wurden gegeben, darunter natürlich die obligatorischen „In The Army Now“ und „Rockin‘ All Over The World“ (beides Cover), geht ja nicht ohne. Werden wir Francis Rossi und STATUS QUO wieder live erleben? Vielleicht. Falls nicht, nicht so schlimm. Bier öffnen und das Live-Album von 1977 auf 12 drehen. Rock’n’Roll, Alter! Besser geht kaum.
Links: http://www.uriah-heep.com/, https://www.facebook.com/uriahheepofficial/, https://myspace.com/uheep, http://www.last.fm/de/music/Uriah+Heep, http://www.statusquo.co.uk/, https://www.facebook.com/statusquoofficial/, http://www.last.fm/de/music/Status+Quo
Text, Fotos & Clips: Micha
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