Nachtleben, Frankfurt, 7.09.2016
Ein bisschen Medienpräsenz hatte das Quintett SUNS OF THYME aus Berlin (zugezogen. Ja, auch maskulin.) ja schon in den Musikblättern, allerdings sehr überschaubar. Von einem Hype kann man also wirklich nicht sprechen, auch die Verortung im Retro-Rock trifft als Analyse nur bedingt zu. Naja, ein wenig schon, sonst wäre ich vielleicht auch nicht so schnell darauf angesprungen. Aber in den Arrangements dieser Musik, die die Band selbst „Krautgaze“ nennt, findet sich u. a. sehr viel Achtziger-Wave – Gitarrenmusik von großartigen Bands wie BAUHAUS oder CASSANDRA COMPLEX, zum Beispiel. Weniger harte Riffs, obwohl ihr zweites Album auf dem Metal-Label Napalm Records erschien, aber auch, ab und zu.
Dazu eine entspannte Psychedelic, die oft mit TAME IMPALA verglichen wird. Ein paar arabische Tupfer und ein bisschen Sitar runden das Ganze ab, nicht so halsbrecherisch rockistisch wie bei den ziemlich geilen SIENA ROOT, aber auch schön. Und dass Krautrock eine Referenz ist, versteht sich bei der Eigendefinition von selbst. Ich muss bei dem versierten musikhistorischem Geplünder plus eigener Note an die Darmstädter OKTA LOGUE denken, die einem ähnlichen Ansatz folgen, der folgerichtig bei ihnen jedoch ganz anders klingt.
Unter dem Strich bedeutet das ganze Geschwalle letztlich nur, dass ich vom Hören des Zweitlings „Cascades“ ziemlich angefixt war und den Besuch des Konzerts im Frankfurter Nachtleben deshalb zur Pflichtsache erklärte. Außer mir ging das noch zwei Menschen so, die pünktlich zum vereinbarten Einlass im Café des Clubs rumlümmelten – bis es zum Beginn der Show knapp 40 Leute wurden, verging noch einige Zeit. 40 waren eine gute Anzahl, damit der Laden nicht völlig leer aussah – zu wenig jedoch, um eine Band zu animieren, immer noch eine Schippe draufzulegen. Ganz Profis bestiegen die fünf jedoch pünktlich gegen 21 Uhr das Podest und verblieben dort, mit einer kurzen Zugabe, fast 90 Minuten. Sieben Stücke ihres Debüts „Fortune, Shelter, Love and Cure“ wurden gespielt; neun vom aktuellen Werk.
Gitarrist und Sänger Tobias Feltes wirkte meist leicht entrückt, oft mit geschlossenen Augen; Bassist Jens Rosenkranz sowie die auch als ODD COUPLE auftretenden Schlagzeuger Jascha Kreft und Keyboarder Tammo Dehn hielten das ganze Geschehen agil und aufmerksam zusammen – wer mich aber mit seinen Läufen extrem beeindruckte war der meist im Schatten agierende Gitarrist Tim Hoppe. Ein (für mich als Nichtmusiker) extrem berührendes Spiel weitab von allen Rockstar- Posen und Solowichserei (obwohl ich sowas durchaus auch mag), in bestem Sinne einlullend bis mitreißend, dem Gesamtsound untergeordnet und trotzdem voller herausragender Akzente. Wer bist Du, Tim Hoppe? Ein kleiner Blick auf Facebook (für Nichtmitglieder) verrät, dass er „Breaking Bad“ mag und sich als zweite Geige bei den SUNS OF THYME versteht. Bei den Infos ist das aktuelle Video zu sehen, sehr bescheiden das, sehr kunstvoll das Video.
Auch das Publikum im Nachtleben zeigte sich als nicht auf den ersten Blick einer Szene zugehörig und passte damit gut zum musikalischen Schaffen der Jungs auf der Bühne: Vom BATHORY-Fan bis zum Pilzkopf im Paisley-Hemd war einiges vertreten, nur eben in noch bescheidener Anzahl. Die 90 Konzertminuten gestern waren zwar keine, die mein Leben verändert haben oder mich, frei nach Jon Landau, von „der Zukunft des Rock’n’Roll“ faseln lassen – sie waren aber eine äußerst angenehme Art, seinen Abend zu verbringen und versprachen gleichzeitig, dass bei diesen Leuten noch vieles gehen wird. Noch während des letzten Tons sprang Kreft an den Merchtisch und bot die Tonträger feil, ich habe mein Geld schon in weitaus blöderes Zeug investiert. Ausdrückliche Empfehlung beim nächsten Besuch in Rhein/Main. Bis dahin hören und sehen wir erst mal OKTA LOGUE. Peace.
Links: http://www.sunsofthyme.de/, https://www.facebook.com/SunsofThyme, https://www.instagram.com/sunsofthyme/, https://www.reverbnation.com/sunsofthyme, http://www.last.fm/de/music/Suns+of+Thyme
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: