Batschkapp, Frankfurt, 3.04.2017
Lässig. Sollte ich gefragt werden, welches Adjektiv mir zuerst einfallen würde, nachdem ich die TEDESCHI TRUCKS BAND knapp zweieinhalb Stunden in der Frankfurter Batschkapp spielen sah und hörte, dann würde ich dies antworten. Lässig. Kompetent vielleicht noch, oder mitreißend, begeisternd. Aber am meisten beeindruckte mich, wie diese zwölfköpfige Formation ganz großes akustisches Kino scheinbar aus dem Ärmel schüttelte. Dabei ging anfangs einiges schief, wohl nicht von jedermann wahrnehmbar: Die Gitarre von Derek Trucks, immerhin der jüngste der Rolling Stone-Liste „100 Greatest Guitarists of All Time“, kackte ab während des ersten, des zweiten und des dritten Songs. Überspielt wurde dies mit spontanen und makellosen Einsätzen der Mitmusiker, vor allem von Background-Sänger Mark Rivers, so dass das weiter hinten höchstens am häufiger zur Schau gestellten Bauarbeiter-Dekolleté des Technikers zu erahnen war, was ja eher selten bei solchen Events zu bestaunen ist. Und Trucks selbst? War die Ausgeglichenheit in Person. Kratzte ihn augenscheinlich kein Stück. Beeindruckend, wenn jemand mit so einem Ruf und solcher Klasse so über diesen Missgeschicken stehen kann. Respekt.
Die TEDESCHI TRUCKS BAND entstand aus der Fusion der Eheleute Susan Tedeschi und Derek Trucks. Beide hatten ihre eigenen Combos, bevor nicht nur sie, sondern auch ihre Formationen zusammenkamen. Tedeschi wurde bereits mehrmals für den Grammy nominiert, Gatte Trucks war seit 1999 Mitglied der legendären ALLMAN BROTHERS BAND und bildete dort zusammen mit Warren Haynes von GOV’T MULE ein grandioses Axt-Doppel, welches bei der nach THE GRATEFUL DEAD dienstältesten Jamband Amerikas wegen des Alters oder des Todes der prägenden Akteure versandete. Zuletzt starb Butch Trucks, Dereks Onkel, der ihn in die ALLMAN BROTHERS BAND holte und einer der beiden legendären Schlagzeuger war. Zwei Drummer? Ein Konzept, das auch die TEDESCHI TRUCKS BAND anwendet. Zusätzlich zu Bass, Orgel und Querflöte, Flügelhorn, Posaune, Saxophon, Background-Gesang mal drei und den beiden Chefs an Gitarre sowie Gitarre und Gesang.
Heraus kommt dabei ein effizienter Klangkörper voller Profis, die man so in Deutschland selten erlebt. Laut den Blues News wollten Tedeschi und Trucks nicht mehr mit einer weniger kostenintensiven, dafür aber im Sound vereinfachten Formation in Europa unterwegs sein, sondern „es ganz oder gar nicht“ versuchen – Versuch gelungen, kann man attestieren. Die Konzerte in Deutschland sind voll bis ausverkauft (die Batschkapp hatte die Empore geöffnet, aber noch etwas Luft im Innenraum), die Preise um 50 Euro sind bei der Masse an Akteuren auf der Bühne und erst recht bei der Klasse derselben durchaus zu rechtfertigen. Beworben wurde auf der Tour der aktuelle Mitschnitt „Live from the Fox Oakland“ – und die Setlist des Bild- und Tonträgers unterschied sich stark von der in Frankfurt gebotenen. Auch von der in Stuttgart (zwei Tage später) und der in Amsterdam (vier Tage vorher).
Pekuniär mächtige Fans können also die gesamte Tour mitmachen und sich ständig an Novitäten erfreuen. (Veränderte) Coverversionen von Künstlern, die von der Band besonders geschätzt werden, sind auch immer Teil des Konzertprogramms – in Frankfurt z. B. Songs von Allen Toussaint und von B.B. King. Und „Don’t Think Twice, It’s All Right“ von Bob Dylan, von Tedeschi herzerweichend dargeboten. Überhaupt: Ihre Stimme, im Zusammenhang mit den kongenialen Background-Sängern und dem Bläsersatz, war eine Offenbarung und Gospel pur. Keyboarder Kofi Burbridge verzauberte vor allem mit seiner Flöte und schlug musikalisch eine Brücke zu Funk-Innovatoren wie PARLIAMENT oder FUNKADELIC. Der jammende Austausch zwischen der Gitarre Truck’s und der Bläserschaft erinnerte an den Hard Bob Art Blakeys.
Die TEDESCHI TRUCKS BAND erschien megapünktlich um 20 Uhr auf der Bühne, spielte eine Stunde und verschwand dann für eine halbe. Jam-Band-Tradition oder generell amerikanische: keine Ahnung. Warren Haynes machte das mit GOV’T MULE jedenfalls auch (Bericht hier), Art Blakey mit seinen JAZZ MESSENGERS im Jazzkeller Frankfurt ebenso (ist ne Weile her). Anschließend nochmal 90 Minuten grandiose Klänge inklusive einer kurzen Zugabe.
Festzuhalten ist: Es war ein Abend für die Ewigkeit, dem jede Beschreibung kaum gerecht wird. So viel geballtes Talent, welches in erster Linie Emotionen evoziert und dann erst Respekt für die vorhandene technische Darbietung, ist selten. Eheleben und gemeinsames Arbeiten scheint zu funktionieren. Manchmal ist mehr mehr (Bläsereinsatz auch in Europa). Und manchmal sind auch Konzerte toll von Leuten, die nicht mehr „underground“ sind, sondern Mainstream. Denn auch da kann man viel schlecht machen. Oder eben saugeil. Wie die TEDESCHI TRUCKS BAND. Lässig.
Links: http://tedeschitrucksband.com/, https://www.facebook.com/DerekAndSusan, https://www.reverbnation.com/tedeschitrucksband, https://archive.org/details/TedeschiTrucksBand, https://www.last.fm/de/music/Tedeschi+Trucks+Band
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: