Frankfurt, Mai 2017 – Interview
– Deutsche Fassung –
– Original English version here –
Wir wurden 2010 erstmals auf THE BLUES AGAINST YOUTH aufmerksam, als die One-Man-Band aus Italien als Teil eines recht ungewöhnlichen Line-Ups in der Frankfurter Raumstation gastierte (dazu später mehr). Knapp sieben Jahre danach machte TBAY nun wieder mit seiner Gitarre, Bassdrum und Hi-Hat, dem Schellenkranz sowie einer Entenlaute ausstoßenden Pfeife bei uns Station, diesmal im Dreikönigskeller. Im Nachgang zur Show baten wir den Künstler, uns für einige Fragen Rede und Antwort zu stehen. Was er gerne tat – und wer sich beim Lesen des Interviews noch die aktuelle Scheibe anhören möchte, klicke auf den folgenden Pfeil:
Die meisten unserer Leser werden Dich noch nicht kennen. Kannst Du Dich bitte kurz vorstellen? Woher kommst Du und wie kamst Du zur Musik?
Hallo! Ich heiße Gianni und The Blues Against Youth ist mein One-Man-Band-Projekt. Unter dem Namen trete ich seit 2009 auf, toure kreuz und quer durch Europa und bringe Platten raus. Ich komme aus Italien, bin in Rom geboren und aufgewachsen und wohne seit drei Jahren in Turin. Mit zehn hat mein Onkel mir seine akustische Gitarre gegeben und mir für den Einstieg ein paar Griffe beigebracht und mich auch auf den Geschmack für Rock und Blues aus den 60ern und 70ern gebracht, indem er seine Alben auf Kassetten kopierte. Ja, so war das 1991! Und das Zeug habe ich total gemocht.
Du bezeichnest Dich und Deine Musik als „Country Rock Primitive One Man Experiment“. Was hast Du für Lieblingsbands und wer hat Dich inspiriert?
Zu viele, als dass man sie hier alle aufführen könnte! Hank Williams sowie andere Country-Bluegrass-Goldgruben wie David Allan Coe, Townes Van Zandt und Doc Watson haben mich stark inspiriert. Außerdem bin ich Fan von Pre- und Post-War-Blues, Robert Johnson, Skip James, Henry Thomas, Big Bill Broonzy, King Solomon und Lightning Hopkins, um nur einige zu erwähnen. Und dann stehe ich noch auf Psychedelia der 60er und Rock und Folk aus den 70ern: Grandfunk Railroad, 13th Floor Elevators, Pink Floyd, Led Zeppelin, The Byrds, Tim Hardin, John Fahey, Dave Van Ronk… Daneben weiß ich auch extremere Musikprojekte zu schätzen, will heißen Punk-Hardcore-Noise-Metal-Kram wie etwa Today Is the Day, The Melvins, The Jesus Lizard und viele andere. Solange die Musik aus dem Bauch kommt und abgeht, mag ich sie, egal was für ein Genre es ist. Grundsätzlich bin ich Vinyl-Junkie und dauernd auf der Suche nach Secondhand-LPs. In den Plattenläden Europas kann ich dieser Neigung einfach nachkommen.
Sowohl in Deinem Logo als auch während der Konzerte auf Deiner Bassdrum befindet sich ein Tierkopf mit Hörnern, ein echter Hingucker. Was für ein Tier ist das und was hat es damit auf sich?
Die im Logo sind Steinböcke, der auf der Bassdrum ist ein Hirsch. Tiere mit Hörnern ziehen sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Die leuchtende Hirschlampe ist ein Geschenk von meinen Freunden im Forte Prenestino in Rom, einer besetzten Festung aus dem 16. Jahrhundert in der Nähe meiner ehemaligen Wohnung. Ein paar Jahre später habe ich rausgefunden, dass der Hirschkopf eine telepathische Botschaft von Captain Beefheart war, dessen „Shiny Beast“ definitiv mein Lieblingsalbum von ihm ist. Und auf dem Frontcover ist ja ein Gemälde von ihm zu sehen, das eine menschliche Figur mit Hirschkopf darstellt. Spaß beiseite: Wenn wir von Gestalten mit Hörnern sprechen, dann ist Luzifer, der Morgenstern, nach wie vor einer meiner Helden.
Und welche Geschichte steckt hinter dem Namen „The Blues Against Youth“, den Du Deiner „One Man Band“ gegeben hast?
Das ist in erster Linie ein Witz, obwohl man es auf unterschiedliche Art und Weise deuten kann. Für mich ist das irgendwie schwer zu erklären. Ich glaube, dass die Kraft eines Namens in dem liegt, was er beschwört. Wenn man ihn erklärt, verliert er diese Kraft…
Du hast als verhältnismäßig junger Künstler bereits drei Alben und mehrere Singles veröffentlicht. War es einfach für Dich, trotz Deines unkonventionellen Musikstils Labels zu finden?
Ich würde sagen, dass es weder leicht noch schwierig war. Je mehr ich meinen eigenen Weg gegangen bin, desto mehr bin ich mit Leuten in Kontakt gekommen, die was mit mir zusammen machen wollten. So wie es auch bei Euch der Fall war. Ich finde, wir sind alle Teil einer gewissen Sache, und durch unsere Leidenschaft und unseren Einsatz können wir einfach dafür sorgen, dass diese Sache lebt und wächst. Das hat was mit Energie zu tun. Und mit unzähligen Kilometern.
Es gehört viel Mut dazu sich alleine auf die Bühne zu stellen und zu musizieren. Wie bereitest Du Dich auf Deine Gigs vor und wie bekämpfst Du das Lampenfieber?
Danke. Etwas, das ich als „Angst“ bezeichnen würde, habe ich erst einmal erlebt, bei meinem allerersten Auftritt in meiner Schule, das war 1995. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir tatsächlich die Beine zitterten, aber gleichzeitig habe ich es geliebt, da auf der Bühne zu sein. Seitdem hat es 20 Jahre voller Shows in vielen Ländern dieser Erde gegeben und es macht mir nicht mehr wirklich Angst. Ich weiß, dass ich das kann, und es macht mir immer Spaß. Selbst wenn der Sound Scheiße ist und das Publikum nicht wirklich zuhört, weiß ich, dass ich das hinbekomme. Ich glaube nicht, dass es um Mut geht, für mich ist das Motto eher: „Das hier ist mein Ding, ich mag es und ich komme damit klar.“
Du wirkst wie jemand mit dem man Spaß haben kann und trotzdem manchmal so, als ob Du eine schwere Last tragen würdest, die sich auch in Deiner Musik widerspiegelt. Wie würdest Du die zwei Seiten erklären?
Jedem geht’s mal gut und mal schlecht, mit Musik kann ich mich erhaben fühlen, meine Dämonen bekämpfen und die negative Energie in etwas umwandeln, das mich glücklich stimmt. Klar ist das eine schwere Last, die ich da trage, die „Last der Träume“, wie Euer Landesgenosse Werner Herzog das vielleicht nennen würde…
Hast Du einen ruhigen Platz an den Du Dich zurückziehst um neue Musik zu schreiben oder entstehen die Songs überall und spontan?
Der Platz ist in meinen Kopf. Wenn es ruhig wird, entstehen die Songs und Texte plötzlich von alleine. Ich erzwinge das nicht.
Du hast die englische Sprache für Deine Texte gewählt, warum?
Vor allem möchte ich von meinen Zuhörern verstanden werden, und auch weil der Großteil der Musik, die ich gehört habe, auf Englisch gesungen wurde.
Auf Deinen Touren kommst Du viel herum. Siehst Du Dich am ehesten als Italiener, als Europäer oder als Weltbürger?
Interessante Frage… Das hängt von den Situationen ab, davon, mit wem ich zusammen bin, und vom Ausmaß meines Heimwehs, wenn ich auf Tour bin. Ich würde am ehesten sagen Weltbürger, und… Römer! Ich denke aber weiter drüber nach, danke für die Anregung.
Wir haben Dich das erste Mal im Jahr 2010 in Frankfurt gesehen, als Du mit der ziemlich durchgeknallten amerikanischen Band THE BULIMICS aufgetreten bist. Warst Du noch mit anderen Punk-Acts unterwegs und wie wird Deine Musik von der Punk-Szene akzeptiert?
Ja ja, das mit den Bulemics war eine Art Bluttaufe für mich. Die haben mir echt gezeigt, was pure Enthemmung und Gewalt im Rock’n’Roll tatsächlich heißen, deswegen bin ich denen dankbar und werde das nie vergessen. Ein paar Jahre später bin ich mit meinen Kumpels von den Antares, der besten Punkrock-Band Italiens, auf Tour gegangen. Die Punk-Szene ist mir im Allgemeinen wohl gesonnen, vor allem wenn ich mich nicht darüber beschwere, dass die Monitore auf der Bühne fehlen…
Was war das Verrückteste, das Du jemals auf Tour erlebt hast? Eine kleine Anekdote, bitte…
Alle verrücktesten Sachen sind natürlich mit den Bulemics passiert. Die Shows im Pit’s in Kortrijk und Dynamo in Zürich sind die besten Beispiele dafür, wie eine scheinbar friedliche Situation plötzlich zum Abgefahrensten werden kann, das Du je erlebt hast! Die Geschichte erzähl ich jetzt nicht, weil sie dem besonderen Moment und unseren Erinnerungen gehört. Im Vergleich mit denen, die ich nicht erwähnen kann, würden alle anderen Anekdoten zu sinnlos erscheinen.
Wird es THE BLUES AGAINST YOUTH auch mal als Band geben oder wirst Du immer ein Solo-Künstler bleiben?
Ja klar! In letzter Zeit habe ich mit anderen Musikern gejammt. Und mein neues Album wird mit einer dreiköpfigen Band aufgenommen. Davon werdet Ihr schon bald hören.
Nun kommen wir zum Ende. Gibt es etwas, das Du unseren Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?
Ich möchte mich für Euer Interview und den großartigen Abend im Dreikönigskeller bedanken. Der Laden ist genial! Allen Euren Lesern möchte ich sagen: Geht weiter zu Shows, kauft weiter Platten, unterstützt die Musik und Kultur und Plattenläden. Grüße an Martin von Memphis Records übrigens! Bleibt Euch treu und andere werden auf Euch aufmerksam und machen vielleicht mit! Und unterstützt weiter The Blues Against Youth, was auch immer das für Euch bedeutet! Ciao!
Gianni, vielen Dank für das Interview.
Links: http://thebluesagainstyouth.com/, https://de-de.facebook.com/thebluesagainstyouth/, https://thebluesagainstyouth.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/The+Blues+Against+Youth
Interview: Stefan & Kai
Übersetzung: Jan
Fotos (aufgenommen am 7.04.2017 im Dreikönigskeller, Frankfurt): Kai
Alle Bilder: