Batschkapp, Frankfurt, 17.05.2018
Nach Auftritten in den Jahren 1985 und 87 in der (alten) Batschkapp und einem Gastspiel im Jahr 2000 im Club O25 markierte der gestrige Auftritt der britischen Punk-Legende THE DAMNED erst deren viertes Konzert in Frankfurt. Während einer mehr als 40-jährigen Karriere – die Londoner gründeten sich 1976 – ist dies nicht allzu viel, wenn man bedenkt, dass andere englische Acts wie beispielsweise die UK SUBS oder die VIBRATORS uns nahezu alle zwei Jahre beehren. Dennoch konnte fast jeder der gestern anwesenden Besucher eine Geschichte zu THE DAMNED zum Besten geben: Die einen erinnerten sich an die 85er-Show, die anderen schwärmten vom Erstlingswerk „Damned Damned Damned“ als eine der besten Punk-Scheiben aller Zeiten und wieder andere erzählten davon, dass DAMNED-Sänger Dave Vanian bereits Goth war, als es das Genre noch gar nicht gab.
Die Aussagen lassen bereits erahnen, dass es überwiegend ältere Semester waren, die sich in der Batschkapp eingefunden hatten. Derer aber waren es viele, was für mich eine kleine Überraschung darstellte. Verirrten sich zum Konzert vor 18 Jahren im O25 nicht einmal 100 Besucher, so dürften es gestern gut 500 oder gar mehr gewesen sein, denn der gesamte (abgeteilte) untere Zuschauerraum war voll besetzt. Warum, weiß der Teufel, denn das Quintett ist in den letzten Jahren und Dekaden nicht unbedingt durch herausragende Werke aufgefallen. Aber vielleicht waren es ja die Nostalgie oder das Bewusstsein, dass es nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben wird, die Dinos live zu sehen, die die Fans anlockten.
THE DAMNED zählen zur ersten Welle der englischen Punk-Acts und dürfen sich damit rühmen, im Oktober 1976 die erste Punk-Single des Landes veröffentlicht zu haben. Ihre „New Rose“-7″ erschien tatsächlich einen Monat vor der ersten SEX PISTOLS-Single „Anarchy in the UK“. Darüber hinaus wurden THE DAMNED schon immer von ihren schillernden Mitgliedern geprägt: Shouter Dave Vanian präsentierte sich bereits früh im Bela Lugosi-Vampir-Look, Basser (heute Gitarrist) Captain Sensible war stets der kunterbunte Paradiesvogel und Brian James (später Gründer der LORDS OF THE NEW CHURCH) und Rat Scabies sorgten für die nötige Punk-Attitüde.
Bereits früh zeichnete sich die Band durch einen sich stetig steigernden Hang zur Theatralik und Melancholie aus, der sich bereits auf dem Debüt „Damned Damned Damned“ durch das Stück „Feel the Pain“ andeutete und spätestens ab dem vierten Werk „The Black Album“ zum dominanten Stilmerkmal wurde. Mit der musikalisch kontroversen sechsten LP namens „Phantasmagoria“ erschien 1985 gar eine reine Goth-Rock-Scheibe, deren Single „Eloise“ (eine Cover-Version des Barry Ryan-Songs aus dem Jahr 1968) es immerhin bis auf Platz drei der englischen Charts schaffte. Seither haben sich THE DAMNED auf ihren Werken zwischen Punk, Goth und Pop-Rock bewegt und mal bessere, mal schlechtere Outputs abgeliefert.
Bis heute dabei sind die kreativen Köpfe Dave Vanian und Captain Sensible, die seit Mitte/Ende der 1990er von Drummer Pinch und Keyboarder Monty Oxomoron begleitet werden. Als aktueller Basser fungiert Paul Gray, der erstmals 1980 Teil der Band war und seit 2017 wieder offiziell zum Lineup gehört. Gestern stand Gray aus Termingründen jedoch nicht auf der Bühne und wurde durch Jon Priestley von den englischen Melodic-Thrashern REIGN OF FURY vertreten.
Als nach dem Auftritt des Support-Acts LES MILLIONAIRES (Bilder davon in der Slideshow unten) und der folgenden Umbaupause das Licht ausging und die Londoner loslegten, fiel zunächst die stimmungsvolle Atmosphäre auf, die durch Nebel und Licht erzeugt wurde. Um das Schlagzeug herum waberte ein kniehoher, blutrot gefärbter Schleier, während Dave Vanian von unten durch einen giftgrünen Spot in Szene gesetzt wurde. Optisch hatte das schon etwas von einem alten Mario Bava- oder Hammer-Film, was aufgrund der Horror-Affinität der Gruppe sicher nicht unbeabsichtigt war. Visuell zog mich die schaurig-schöne Atmosphäre sofort in ihren Bann, bis der musikalische Funke übersprang, sollte es allerdings einige Songs dauern.
Der Gesang war für meinen Geschmack zu leise abgemischt und der Opener „Wait for the Blackout“ vom „Black Album“ sorgte nicht dafür, dass das Publikum spontan mitgerissen wurde. Für mich kam der Gig erst ab dem dritten Lied „Standing on the Edge of Tomorrow“, einer der wenigen guten Tracks vom aktuellen Output „Evil Spirits“, so langsam in Fahrt. Nachfolgend wurden hauptsächlich Stücke der Alben „Damned Damned Damned“ (4), „Machine Gun Etiquette“ (6) und „The Black Album“ (5) geboten, darunter Kracher wie „Neat Neat Neat“, „New Rose“, „Fan Club“ und „Love Song“, zusätzlich gab‘s die Mitgröl-Hymne „Ignite“ von der Scheibe „Strawberries“ und natürlich das Cover von „Eloise“. Unterm Strich war die Setlist gut zusammengestellt, schnelle Nummern wechselten sich mit langsamen ab, auf Punk folgte etwas für die Romantiker.
Wer als eingefleischter DAMNED-Fan die Halle betreten hatte, der hatte wenig Grund zum Meckern. Außer vielleicht, dass die Gruppe anno 2000, damals noch mit Patricia Morrison (GUN CLUB, SISTERS OF MERCY) am Bass, optisch etwas mehr hermachte und dass Songs wie „Disco Man“, „Grimly Fiendish“ und „Shadow of Love“ im Programm fehlten. Aber die wurden sicherlich beim nächsten Gig der Tour dargeboten, denn THE DAMNED gelten als eine der Bands, die mit stets wechselnden Sets aufwarten. Für mich war‘s dennoch eines der bisherigen Jahreshighlights, weil es ganz einfach schön war, Ikonen wie Dave Vanian und Captain Sensible noch einmal live zu erleben und weil ich einmal mehr daran erinnert wurde, welch grandiose Songs doch „Fan Club“, „Anti-Pope“ und „Ignite“ sind. A damned good concert.
Links: http://www.officialdamned.com/, https://de-de.facebook.com/OfficialDamned/, https://soundcloud.com/the-damned-official, https://www.last.fm/music/The+Damned
Text: Marcus
Fotos (15) & Clip: Kai
Fotos (15): Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
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