Schlachthof, Wiesbaden, 14.11.2016
Auch als Doom-Legende hat man auf seinen guten Ruf zu achten. Als Eric Wagner (links), Vokalist der im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs auftretenden THE SKULL, vor der Show beim Organisieren eines „Kurzen“ von einem Verehrer zwecks Aufnahme eines gemeinsamen Fotos angesprochen wurde, stellte der Sänger das Getränk erstmal zur Seite. Auf dem Bild sollte es lieber nicht zu sehen sein. Danach die Aufnahme pflichtschuldig erledigt, den Kurzen gekippt – und als Dankeschön wurde zudem vereinbart, zu einem geeigneten Zeitpunkt während des Auftritts einen weiteren zur Verfügung zu stellen. Gerne doch.
Denn auch wenn es an einem Montag Abend bei der miesen Publikumsresonanz nicht so aussah: Eric Wagner ist eine Legende. Er gehörte zur Ur- Besetzung von TROUBLE, die 1984, inmitten der aufblühenden Thrash-Metal-Welle, zusammen mit Acts wie SAINT VITUS, CANDLEMASS oder PENTAGRAM ein langsames Gegengewicht zum vorherrschenden Speed dieser Tage bildete und mit „Psalm 9“ ein Album einspielte, das sich mit christlicher Mystik auch vom dominierenden Satanismus dieser Zeit (VENOM, SLAYER, MERCYFUL FATE) abgrenzte. Nicht, indem sie mit Bibeln schmissen wie STRYPER und nicht unbedingt missionierend, aber doch im festen Glauben an den da oben. Das zweite Werk, „The Skull“ von 1985, kam mit aufgedrucktem Bibelzitat und gab der gestern auf der Schlachthof-Bühne aufspielenden Formation ihren Namen. THE SKULL – das sind neben Wagner noch Ex-TROUBLE-Bassist Rob Holzner (der beim dritten TROUBLE- Album zur Band stieß) sowie die Gitarristen Lothar Keller (sonst noch Mitglied der proggigen SACRED DAWN) und Rob Wrong von WITCH MOUNTAIN, die eigentlich das Vorprogramm dieser Tour hätten bestreiten sollen. Taten sie nicht. Am Schlagzeug saß als Europatour-Ersatz für den kürzlich ausgestiegenen Ex-TROUBLEr Jeff Olson der frühere CATHEDRAL-Drummer Brian Dixon.
Die Stammband TROUBLE existiert weiterhin – am Mikro gab es dort in der Vergangenheit schon zahlreiche Wechsel, auch Wagner mal drin, mal draußen. Gegenwärtig singt Kyle Thomas bei ihnen, vorletztes Jahr spielten sie auf dem „Hammer Of Doom“ (Bericht hier) und dieses Jahr tun das THE SKULL, zum zweiten Mal nach 2012. Auf diesen Festivals werden solche Bands stark abgefeiert – nach Wiesbaden, vielleicht aber auch wegen der zeitlichen Nähe zum HoD, verirrten sich höchstens 40 Leute. Kein Grund aber für die Akteure, einen Gang zurückzuschalten.
Erst einmal präsentierten sich jedoch KINGS DESTROY aus Brooklyn und ersetzten damit WITCH MOUNTAIN (nicht zu verwechseln mit MOUNTAIN WITCH. Oder mit WITCH. Oder mit MOUNTAIN.) Vielleicht war Rob Wrong die Doppelbelastung an der Gitarre zu viel, wenn er bei beiden agiert. Jedenfalls stand mit den New Yorkern ein mehr als adäquater Ersatz auf den Brettern. Sänger Steve Murphy sah mit seinem MUTOID MAN-Shirt und der mangelnden Hauptbehaarung nicht nur nach Hardcore aus, er spielt auch hauptamtlich denselben bei UPPERCUT – Gitarrist Carl Porcaro spielt(e?) bei BREAKDOWN ’87 und KILLING TIME. Den Bass bediente ebenfalls ein Bekannter, nämlich der noch bis vor kurzem zu BLACK PYRAMID gehörende Darryl Shepard, der dort sang und Gitarre zupfte (Bericht hier), aber laut Facebook mit denen nichts mehr zu tun zu haben scheint. Der umtriebige Mann hat aber noch weit mehr anzubieten, THE SCIMITAR zum Beispiel ist eine erlesene Stoner/Doom-Band mit seiner Mitwirkung.
Und Stoner ist auch die musikalische Richtung, in die eine halbe Stunde später als offizieller Beginn vorgestoßen wurde. Laut Internetberichten hört man bei KINGS DESTROY den Hardcore noch heraus, ich tat das aber nicht. Allerdings, bei allem erlesenen Griffbrett-Gewichse, heftig nach vorne ging das schon. Heavy-Stoner halt, glänzend präsentiert, aber beim ersten Hören noch nicht im Ohr hängen bleibend. Murphys Organ passte hervorragend, ob er HC genauso intoniert, vermag ich nicht zu sagen. Feine Sache, die Lust auf die Tonträger machte. Nach dem Gig konnte man mit den Herren noch plaudern, Fotos machen und Tonträger signieren lassen.
Eine Stunde später standen dann KINGS DESTROYs „Freunde von THE SKULL“ (Steve Murphy) auf der Bühne. Von THE SKULL gibt es bisher einen Longplayer mit neuen Stücken sowie zwei Singles – mit Songs von denen wurde gestartet. Schöner, klassischer, harter Hippierock, die Matten kreisten schon ein wenig. Das war aber noch nichts gegen die Ekstase, die vorherrschte, als TROUBLE-Klassiker wie „Assassin“, „Pray For The Dead“ oder eben „The Skull“ gegeben wurden. Alles Songs der ersten beiden, auf Metal Blade veröffentlichten Alben. Nur ein Lied, „R.I.P.“, wurde aus der weniger schweren und mehr hippiesken Phase von TROUBLE gespielt, als Rick Rubin sie für Def American signte. Das ist jetzt aber ausdrücklich nicht als Beschwerde zu verstehen, obwohl diese Scheiben schon auch was können.
Wie vorher im kleinsten Kreis angekündigt, war es Wagner zwischendrin mal nach einem Drink – und der ganz oben Erwähnte verstand den Wink sofort, eilte zur Theke und besorgte den ersehnten Schnaps. Ein Kumpel, der verspätet erschien, sah Wagner außerdem während des Auftritts seiner Band vor dem Kesselhaus eine qualmen. Mir fiel dessen längere Absenz nicht auf, ich war wohl selbst zu sehr mit Kopf schütteln und Bier trinken beschäftigt.
Der Knaller war jedoch schon am Anfang des Gigs zu erleben. Aus mir völlig schleierhaften Gründen stand eine Pulle Senf auf der Bühne, die da auch den ganzen Abend blieb (Foto davon in der Slideshow ganz unten). „We have Senf“, kommentierte Wagner diesen Umstand. „Now all we need is a Bratwurst“. Die gab es leider nicht im Schlachthof, aber etwa 80 Minuten heftigsten Rock vom Allerfeinsten, an dem augenscheinlich auch Gitarrist Wrong und Bassist Holzner größten Spaß zu haben schienen. Etwas distanzierter wirkte der andere Gitarrist Lothar Keller, den ich nach der Show auch nicht beim Signieren erspähte. Trotz schwächlicher Publikums-Beteiligung war das ein eindrucksvoller Start in eine typische November-Konzertwoche, in der man noch mindestens weitere fünf Highlights erleben kann, wenn man das pekuniär, konditionell und zeitlich zu stemmen versteht. Und so folgt in Kürze schon die nächste Review, stay tuned!
Links: http://www.kingsdestroy.com/, https://www.reverbnation.com/kingsdestroy, http://kingsdestroy.bandcamp.com/, http://www.last.fm/music/Kings+Destroy, http://theskullusa.com/, https://www.facebook.com/troubletheskull, https://the-skull.bandcamp.com/, http://www.last.fm/music/The+Skull
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: