Batschkapp, 4.03.2013
Immer, wenn mal wieder ein Konzert in der Batschkapp auf meinem Zettel steht, frage ich mich: „Wird es die letzte Show sein, die ich in der altehrwürdigen Kapp erlebe?“. Und jedesmal erkundige ich mich bei den Bediensteten, ob es Neues bei der Umzugsplanung gibt. Doch mit schöner Regelmäßigkeit wird mir geantwortet: „Nichts Neues, und wenn, werdet ihr es wohl eher erfahren als wir.“ Soviel dazu, doch nun zum Grund der Kurzreise nach Frankfurt- Eschersheim: Die TOY DOLLS waren wieder in der Stadt. Zwei Jahrzehnte hatte ich die britischen Funpunker nicht mehr live gesehen, das letzte Mal ebenso in der Halle an der Maybachstraße. War ich anfangs nicht so ganz sicher, was ich von den drei Berufsjugendlichen auf der Bühne zu erwarten haben würde, wurden meine Zweifel durch die Feststellung im Freundeskreis zerstreut, die TD seien beim Ruhrpott-Rodeo 2012 eine der besten Bands gewesen.
Nun denn – also ab ins Getümmel, die Batschkapp war wieder ausverkauft und die Tatsache, dass sogar die Merchtische nach draußen an die frische Luft verlagert worden waren, ließ einen wirklich drängeligen Abend erahnen. Das wurde er auch, allerdings noch nicht bei der Vorgruppe RADIO DEAD ONES aus Berlin. Bei deren Auftritt klafften in den Reihen größere Lücken, die Darbietung wurde zwar mit Wohlwollen und
respektvollem Applaus zur Kenntnis genommen, es bewegten sich aber nur wenige.Mir gefiel die Show zwar besser als 2011 im Vorprogramm der DWARVES im „Bett“, aber die Gratwanderung zwischen Rock und Punk geht nur phasenweise an mich. Auch der Versuch, eine Mundharmonika hier und da in die Tracks zu integrieren, mag ehrenhaft (vielleicht sogar originell) sein, wirklich passend finde ich das aber nicht. Gleiches gilt für ein paar belanglose Phrasen wie „Tolle Stimmung für einen Montagabend“ (die meisten standen wie gesagt nur rum). Dennoch: Die gebürtigen Magdeburger, die die TOY DOLLS auf mehreren Stationen der Tour begleiten, gingen motiviert zu Werke und machten als Anheizer einen ordentlichen Job.
Danach: Vorfreude auf die TOY DOLLS. Die Band hat seit ihrer Gründung 1979 schon mehr als ein Dutzend Musiker kommen und gehen sehen, gestern trat sie in der Besetzung an, mit der die aktuelle Scheibe „The Album After the Last One“ eingespielt wurde: Mastermind Olga alias Michael Algar an Gitarre und Mikro, Tommy Goober, der eigentlich Thomas Blyth heißt, an den vier Saiten und The Amazing Mr. Duncan am Schlagzeug. Letzterer, Duncan Redmonds mit richtigem Namen, war in den vergangenen Jahren mit seinen Bands SNUFF und BILLY NO MATES des öfteren in Au und Exzess zu Gast und gehört zu den besten Trommlern der Szene.
Als nach nicht allzu langer Umbaupause das Licht ausging, die Walzerklänge von Johann Strauß‘ „An der schönen blauen Donau“ vom Band erklangen und ebenjene Aufnahme dann fies zu leiern begann, hatte die Stunde der TOY DOLLS geschlagen. Noch ein kurzes Intro und die Jungs sprinteten mit ihren farbigen Sonnenbrillen, beigen Jacketts, schwarz/weiß-gestreiften Hemden und den kurzen roten Krawatten auf die Bühne. „Cloughy is a Bootboy“ hieß der Opener und vom ersten Lied an herrschte im vorderen Teil der Batschkapp Ausnahmezustand, der bis zum letzten Takt des Konzertes anhalten sollte.
Ihrer Bringschuld „Nellie the Elephant“ entledigte sich die Band früh, noch im ersten Drittel des Sets, nicht wie früher als Zugabe. Die Stimmung natürlich grandios, ein Meer von Armen wogte durch die Halle (siehe Foto in der Galerie). Überhaupt machten mir die alten Songs am meisten Spaß, vielleicht weil die einfach in
meiner Sozialisation verankert sind. Zu nennen sind „Spiders in the Dressing Room“ oder „Idle Gossip“ (Clip dazu weiter unten). Ferner das Lied mit dem längsten Titel überhaupt (blöd, wenn man das damals auf eine MC-Hülle zu schreiben hatte): „ Queen Alexandra Road Is Where She Said She’d Be, But Was She There To Meet Me… No Chance “. Und natürlich „The Lambrusco Kid“, zu dem Sänger Olga eine riesige Plastikflasche auf die Bühne schleppte, mit der dann auch noch Luftschlangen abgeschossen wurden. Einige Gags hatte sich das Trio ausgedacht, manches erinnerte an die musikalisch ähnlich gelagerten ADICTS: Salven aus der Konfettikanone, fliegende Papierstreifen, um 360 Grad am Gurt rotierende Gitarren und witzige Accessoires.
Im Verlauf der Show legten die drei außerdem eindrucksvoll Zeugnis ihrer körperlichen Fitness ab. Während Duncan an der Schießbude Schwerstarbeit
verrichtete, liefen Olga (der noch immer ein ziemlicher Strich in der Landschaft ist) und Tommy sich auf der Bühne die Hacken in ihren Springerstiefeln wund – kreuz und quer, vor und zurück, dazu diverse Sprünge, mal einzeln, mal synchron. Doch all das schien sie nicht im mindesten anzustrengen. Immer ein sympathisch-freches Grinsen im Gesicht, die beiden Jungs. Zwischendurch richtete Olga die Frage ans Publikum „Do you think I’m too old for this?“, was natürlich lauthals verneint wurde. Zu Recht, denn er ist ja „erst“ 50 Jahre alt. Ich war jedenfalls beeindruckt, was für Kapriolen der Frontmann und sein (jüngerer) Kollege da noch zu vollziehen imstande sind.Am Ende des Abends fiel das Urteil der Anwesenden fast durchweg begeistert aus. In der Tat ist die Band kein in die Jahre gekommener Abklatsch ihrer selbst, sondern nach wie vor ein Spaßgarant. Wer in den ersten Reihen gewesen war, hatte aufgrund mancher Bierdusche Gerstensaft über den Klamotten und im Haar, Konfetti auf dem Kopf und keinen trockenen Faden mehr am Leib. So war es früher, so ist es immer noch und nicht anders darf es sein nach einem Konzert der TOY DOLLS.
Setlist: Intro – Cloughy is a Bootboy – Bitten by a Bed Bug – The Death Of Barry The Roofer With Vertigo – Credit Crunch Christmas – Dougy Giro – Dirty Doreen – Spiders in the Dressing Room – Nellie the Elephant – The Ashbrooke Launderette – I Caught It From Camilla – Bless You My Son – My Girlfriend’s Dad’s a Vicar – Olga, I Cannot – Idle Gossip – Decca’s Drinking Dilemma – Queen Alexandra Road Is Where She Said She’d Be, But Was She There To Meet Me… No Chance – The Lambrusco Kid – Toccata in Dm – Alecs Gone – Duncans Drums – Harry Cross – Wipe Out! – When the Saints – Glenda & The Test Tube Baby – Dig That Groove Baby – She Goes to Finos – Theme Tune
Links: http://www.thetoydolls.com/, http://de.myspace.com/olgaalgar, http://www.reverbnation.com/thetoydolls, http://radiodeadones.de/, http://www.myspace.com/radiodeadones
Text: Stefan / Fotos & Clips: Kai
Mehr Bilder: