Das Bett, Frankfurt, 22.09.2017
Kann man von einem Hype sprechen, wenn das Zielpublikum zum Teil überhaupt keinen Plan hat, was vor sich geht? Als 2016 „Devil is Fine“ erschien, das Debüt des Projektes ZEAL & ARDOR (alleine bestehend aus dem US-Schweizer Manuel Gagneux), da überschlugen sich zwar Magazine mit so konträrer Weltsicht wie Spex, Visions und Metal Hammer – im Gros der Metal-Presse jedoch (und Metal ist das, was ZEAL & ARDOR fabrizieren, wenn auch ganz anderer, als Du jemals gehört hast), fand das Projekt nicht statt. Obwohl die legendäre Metal-Journalistin und Politaktivistin Kim Kelly (Selbstbeschreibung auf ihrer Twitter-Seite: „Black metal, black tea, black flags“) schon sehr früh von ZEAL & ARDOR begeistert war und ihr Lob auf Noisey die Aufmerksamkeit anderer Medien nach sich zog (mehr dazu hier), reichte der Hype bisher lediglich für die Städte mit starkem Musikhipster-Aufkommen. Frankfurt hat weniger von denen, weswegen der Club „Das Bett“ gestern Abend nicht ausverkauft war. Gut gefüllt aber – und weit mehr, als traditioneller Black Metal in der Region besucht wird. Bevor Multiinstrumentalist Gagneux, der das Album komplett alleine einspielte, seine live zum Sextett angewachsene Formation auf die Bühne schickte, durften die Schweizer Kollegen HATHORS aus Winterthur diese bespielen.
Laut Selbstdarstellung im Netz sind HATHORS ein Trio, auf der Bühne aber waren sie zu zweit: Marc Bouffé an Gesang und Gitarre, wahrscheinlich Raphael Peter am Schlagzeug. Wo war der dritte? Darüber schweigt das Netz leider, vielleicht war er ja einfach nur krank. So ohne Bass sind gegenwärtig ja einige unterwegs – aktuell zum Beispiel die PICTUREBOOKS, die live auf derselben Bühne vor KADAVAR einen Abriss tätigten, der seinesgleichen suchte. Was die an Inbrunst offenbarten, ging bei Marc Bouffé in die gleiche Richtung – die Gesichtsmuskeln spielten verrückt, die Axt wurde gehörig malträtiert und am Ende der knapp 30 Minuten Spielzeit sogar noch mal ins Publikum gesprungen. Sehr schön. Dass der beworbene Tonträger „Panem Et Circenses“ (Soundfile weiter unten), zumindest meiner Meinung nach, gegen den Vorgänger „Brainwash“ nicht anstinken kann liegt vielleicht auch nur an meiner verschrobenen Wahrnehmung. Live machte der Mix aus Grunge/Stoner und Noiserock jedoch durchaus Spaß. Aber zum Spaß waren wir ja nicht hier.
Stell Dir vor, die klassischen Spirituals der Sklaven in den USA wären nicht, auf ein besseres Leben hoffend, an den einen Gott im Himmel oder sonstwo adressiert, sondern an seinen verlorenen Engel – an den, der den Menschen das Feuer brachte. „A good god is a dead one. A good god is the one that brings the fire!“ kreischte Gagneux, wie seine fünf Mitstreiter gewandet wie BATUSHKA, zumindest während der ersten Stücke.
Zwei dieser Kollegen übernahmen ausschließlich seine im Studio vervielfachte Stimme, die Chöre sind auf Platte x-mal Gagneux. Laut der Zeit riefen seine diabolischen Anrufe sogar schon Vertreter der Curch of Satan auf den Plan, um einen Gesinnungstest durchzuführen. Der scheint bestanden, obwohl die Inszenierung des Bösen hinter der manch anderer Black Metal-Künstler weit zurückbleibt (allerdings hatten der Live-Gitarrist sowie der Schlagzeuger eine Ausstrahlung, die solchen Künstlern schon nahe kam).
Mit einem knapp 25 Minuten dauerndem Album kann man ja keinen Abend füllen, weswegen erfreulicherweise weitere Stücke in der Setlist landeten, die vielleicht auf dem zweiten Werk zu hören sein werden. Kreativling Gagneux scheint die nur so auszuschütteln, unter dem Projektnamen BIRDMASK (mehr hier) hat er noch tonnenweise Songs parat, die mit Metal zwar nichts zu tun haben, das ZEAL & ARDOR-Glockenspiel aber auch oft zu Gehör bringen und, trotz weit poppigerem Anstrich, eine ebenso hohe kompositorische Klasse offenbaren wie die Tracks von ZEAL & ARDOR. Insgesamt eine Stunde lang wurde der Gospel/Metal-Hybrid zelebriert – hart, derbe, leidenschaftlich und erlesen.
Nach der kurzen Zugabe aus einem neuen Stück und dem unvermeidlichen „Devil is Fine“ lächelte Gagneux erfreut und völlig unböse ins Publikum : „Wir sind eine junge Band“, meinte er. „Wir können noch nicht mehr spielen!“. „Band!“ hatte er gesagt. Sogar Detlef Kinsler vom Journal Frankfurt, den man fast überall vor den Bühnen trifft, aber selten beim Metal, war nach dem Konzert hin und weg und sich sicher, dass der nächste Auftrittsort bei einer späteren Tour weit größer sein wird. Etwas Besonderes war das auf jeden Fall, Hype hin oder her und egal wie groß das noch wird. Bin gespannt.
Links: http://hathors.info/, https://www.facebook.com/hathorsofficial, https://hathors.bandcamp.com/, https://www.reverbnation.com/hathors, https://www.last.fm/de/music/Hathors, http://www.zealandardor.com/, https://www.facebook.com/zealandardor/, https://zealandardor.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Zeal+&+Ardor
Text, Fotos & Clips: Micha
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