Nachtleben, Frankfurt, 19.05.2015
„Gekauft am 31.10.2014, 10:25 Uhr“ steht auf meinem hässlichen THE 69 CATS -Ticket. Ganz schön lange her. Wieso eigentlich? Ohne jemals einen Ton von dieser Combo gehört zu haben, erstand ich den Zettel sechs Monate vor dem Spektakel, weil das Quartett aus ziemlichen Hochkarätern besteht, renommeemäßig. Da wäre zum Beispiel der Schlagzeuger, Clem Burke. Gründungsmitglied und permanenter Drummer bei BLONDIE und als „Elvis Ramone“ auch schon mal Aushilfe bei den legendären Rockern RAMONES aus Queens. Oder der Bassist, Chopper Franklin. Spielte mal bei den CRAMPS. Danny B. Harvey an der Gitarre. Spielt Rockabilly, u. a. im Verband mit einem gewissen Lemmy Kilmister von MOTÖRHEAD bei HEADCAT.
RAMONES, THE CRAMPS, MOTÖRHEAD. Meine drei Lieblingsbands ever. Deswegen. Komplettiert wird das Quartett von einem Herrn aus Finnland namens Jyrki 69. Der singt hauptamtlich bei den 69 EYES und spricht damit eine andere Generation, eine andere Subszene und vielleicht auch hauptsächlich ein anderes Geschlecht an als seine Mitstreiter. Dieser Mann war mir künstlerisch bisher immer ziemlich egal und das hat sich nach dem gestrigen Abend auch nicht großartig geändert.
Etwa eine Woche vor dem Ereignis, das mich erstmals in diesem Jahr in das von mir sehr geschätzte Frankfurter Nachtleben führte, hörte ich mir mal bei einem Streaming-Dienst an, was die Herren so an Material anzubieten hatten. Und mir wurde schlecht.
Ich hasse Coverbands. Schlimm genug, wenn man auf einem Straßenfest eine Nachspielcombo ertragen muss, bestehend aus lokalen Nasen, die auf diese Art immerhin ein bisschen üben können. Aber eine aus gestandenen Rockern, die durch die Clubs der Welt tourt um eine (Achtung, originelle Innovation) Rockabilly-Version eines Rock- oder Metaltitels zu spielen? Ich könnte ja schreiben „Wer braucht das?“, wenn ich nicht wüsste, dass dieses ausgelutschte Konzept solchen Schnarchtassen wie den BASEBALLS oder TEXAS LIGHTNING schon volle, fette Hallen bescherte. Scheint angesagt zu sein, immer die gleichen, sattsam bekannten Songs in leicht unterschiedlichen Spielweisen zu goutieren. Als sich in den Neunzigern Majorlabels auf angeblich street-credible kleinere Bands stürzten wie z. B. die hessischen BATES, zwangen sie denen auch erstmal ein saublödes Cover (in diesem Fall eines von Michael Jackson) mit „rockigem“ Arrangement auf, um der Masse ein bekanntes Stück zu präsentieren und die Combo vom Straßendreck komplett zu befreien. Bands, die dem Volk nach dem Maul musizieren – danke, verzichte.
Da es zumindest einer der 69 CATS jedoch kommerziell nicht nötig haben dürfte, das zu tun (Sänger Jyrki), kann man jedoch wohlwollend attestieren, dass es den Herren einfach Spaß macht, Klassiker wie „Runaway“ von Del Shannon oder „Bela Lugosi’s dead“ von Bauhaus zu intonieren – beim Bassisten Chopper und seinem teilnahmslosen Spiel war ich mir indessen nicht so sicher.
Nur, macht das auch Spaß beim Hören? Mir nur bedingt. Originell ist keines der Cover arrangiert, die besten Nummern auf den beiden bisher erschienenen Tonträgern sind meiner Meinung nach die, die original aus dem Golden Age des Rock’n’Roll stammen, wie eben „Runaway“ oder „Flaming Star“ von Elvis.
Bevor das Quartett jedoch die Bühne des halbwegs gefüllten Nachtlebens erklomm, bewies die Vorband bereits, dass man traditionsbewusst und originell das Haus rocken kann, auch, wenn niemand einen vorher auf dem Schirm hat. DOGHOUSE ROSE aus Kanada, live zu viert und auf Platte ein Duo mit Gästen, zelebrierten ihren „Rebel Country“ eine Dreiviertelstunde lang schweißtreibend und sexy, fotogen und inspiriert. Keine Ahnung, wer die beiden Musiker neben Sarah Beth (links) an Mikro und Gitarre sowie Jefferson Sheppard an Bass und Gesang waren, aber sie waren ebenso erlesen unterwegs wie das Kernduo und eingespielt genug, um sogar lustige Mensch- Instrument-Pyramiden zu bauen.
Alles Show? Klar, aber extrem leidenschaftlich zelebriert und damit mehr als ansteckend. Zwei Cover waren auch im Set, nämlich „At the Hop“ von Danny and the Juniors und „Mystery Train“ von Elvis und sonstwem noch in der Zugabe. Der Rest war Marke Eigenbau. Plattenkauf nach der Show war obligatorisch, jedoch hält das selbstbetitelte Album nicht ganz die Versprechen, die der Gig machte. Songs wie „No Mercy“ und „Let’s Go“, die auch schon auf einer vorher veröffentlichten EP zu finden sind, wurden im Vergleich zu dieser für meinen Geschmack etwas zu glattgebügelt aufgenommen. Live war das aber eine Wucht und sehr zu empfehlen.
22 Uhr, der Hauptact marschierte ein, ohne Jyrki, der beim „Peter Gunn Theme“, dem ersten Lied, nicht gebraucht wurde, weil ein Instrumental. Der Sänger kam zum zweiten Song, „People Are Strange“ von den DOORS. Hm. Da ich vorher schon wusste, dass man sich die Band ein wenig schöntrinken musste, war ich dementsprechend fleißig und fand es ganz okay. Richtig schlimme Ausreißer der Platte, wie Warren Zevon’s „Werewolfs of London“, wurden zum Glück nicht gespielt; TYPE O NEGATIVE’s „Black No. 1“ (Clip dazu weiter unten), Jace Everett’s „Bad Things“ (aus „True Blood“) oder eben „Runaway“ und „Bela Lugosi“ wurden stimmig dargebracht und bereiteten sogar ein wenig Vergnügen.
Richtig erlesen wurde es immer dann, wenn die Tonträger der 69 CATS ignoriert wurden und z. B. Danny B. aus seinen Soloplatten performte. Ach ja, auf den BLONDIE-Schlagzeuger Clem Burke mussten wir leider verzichten. Dafür bescherte Aushilfsdrummer Henrik Niedermeyer von den HORRORPOPS optisch ein wenig Bodenständigkeit, indem er sich vom gestylten Rockwear der Hauptakteure angenehm abhob. Duette mit der Merchfrau rundeten den Auftritt ab, der unterm Strich doch weitaus besser war als befürchtet und nicht nur wegen der Biere Spaß machte. Bleibenden Eindruck hinterließ bei mir jedoch nur die Vorband. Ist doch auch was.
Links: http://www.doghouserose.com/, https://www.facebook.com/doghouserose, https://www.reverbnation.com/doghouserose, http://doghouserose.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Doghouse+Rose, http://the69cats.com/, https://www.facebook.com/the69Cats, http://www.reverbnation.com/the69cats, http://www.lastfm.de/music/The+69+Cats
Text, Fotos (19) & Clips: Micha / Fotos (11): Kai
Nachtrag 31.05.2015: Apropos „Merchfrau“: Die entpuppte sich nach weiterer Recherche als Tochter von Linda Gail Lewis und damit als Nichte des „Killers“ Jerry „Lee“ Lewis. Nebenbei seit März Danny B. Harveys Gattin. Ein Quentchen Rock’n’Roll-Legende im Nachtleben, die von mir leider am Veranstaltungsabend nicht wahrgenommen wurde. Mea Culpa.
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